Zu Gast im Studio – Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt

Die Welt ist im Krisenmodus und das merkt auch die Wirtschaft. Nach Corona kam der Krieg. Es folgten Inflation und hohe Energiepreise. Und jetzt sorgt erneut eine Tatsache für große Sorgen: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Nachtragshaushalt der Ampel gekippt hat. Es geht um 60 Milliarden Euro. Eine riesige Klatsche für die Bundesregierung. Und die Wirtschaft fragt nun zurecht: Was bedeutet das für uns? Unter anderem darüber spricht Eva Dieterle mit der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt. Wir starten allerdings mit einem aktuellen Stimmungsbild, eingefangen gestern beim Unternehmerabend in Mainz.

Schickes Ambiente, gedämpfte Stimmung. So lässt sich die Atmosphäre beim Empfang der Landesvereinigung Unternehmerverbände zusammenfassen. Deren Präsident sorgt sich um die wirtschaftliche Entwicklung im Land.
Johannes Heger, Präsident Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz
„Tatsächlich ist die Stimmung in der rheinland-pfälzischen Wirtschaft nicht gut. Es fehlt die Zuversicht. Es sind viele globale Probleme, viele regionale Probleme. Unternehmen tragen sich mit Abwanderungsgedanken. Und was wir gar nicht hören, aber es passiert eben jeden Tag: Mittelständische Unternehmen können sich nicht durchringen, zu investieren, sie schieben Dinge auf.“
Die Wirtschaftsleistung ist in Rheinland-Pfalz in den ersten sechs Monaten des Jahres vergleichsweise stark zurückgegangen. Das Bruttoinlandsprodukt nahm laut Statistischem Landesamt preisbereinigt um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ab. Bundesweit sank es im selben Zeitraum um 0,3 Prozent. Rheinland-Pfalz liegt damit im Ländervergleich beim Wirtschaftswachstum auf dem letzten Platz.
Johannes Heger, Präsident Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz
„Unsere Industrielandschaft ist eben nicht durchschnittlich wie woanders. Wir sind ganz anders aufgestellt. Wir haben sehr viel Chemie- und Pharmaindustrie und dann kann auch eine Statistik mal anders ausfallen, je nachdem, wo man in der Lieferkette gerade steht. Und ja, Energie spielt da eine große Rolle.“
Vor allem die energieintensiven Unternehmen in Rheinland-Pfalz wie die BASF oder der Spezialglashersteller Schott hatten zuletzt mit den hohen Energiepreisen zu kämpfen. Immerhin: Das vergangene Woche von der Bundesregierung ausgehandelte Strompreispaket sieht vor, die Strompreissteuer zu senken, von 1,5 Cent pro Kilowattstunde auf 0,05 Cent.
Johannes Heger, Präsident Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz
„Wenn aber die Strompreise, die die Unternehmen an den Börsen bezahlen 10, 13, 15, 20 Cent pro Kilowattstunde sind, dann merkt man, wie klein eigentlich dieser Schritt ist. Und ob das insbesondere der energieintensiven Industrie helfen wird, zur Wettbewerbsfähigkeit zurückzufinden, das ist die große Frage.“
Außerdem sollen rund 350 energieintensive Unternehmen zusätzlich bis zu 12 Milliarden Euro erhalten, unter anderem finanziert durch den Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung. Doch seit gestern ist fraglich, ob diese Staatshilfe wie geplant fließen kann. Denn das Bundesverfassungsgericht hat den Fonds für verfassungswidrig und das Vorhaben der Bundesregierung für nichtig erklärt. Dadurch entsteht ein großes Loch im Bundeshaushalt – und die Unternehmen müssen um die schon zugesagte Finanzspritze bangen.

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Eva Dieterle, Moderatorin:Ja, und unter anderem darüber spreche ich jetzt mit der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin, mit Daniela Schmitt. Guten Abend.
Daniela Schmitt (FDP), Wirtschaftsministerin Rheinland-Pfalz: Schönen guten Abend.
Dieterle: Frau Schmitt, das, was da gerade in Berlin passiert ist, das kann man mit Fug und Recht als politisches Beben bezeichnen. Können Sie heute schon sagen, welche Auswirkungen das auf Rheinland-Pfalz haben wird?
Schmitt: Heute das final zu sagen, ist in der Tat zu früh. Wir sind natürlich in einem sehr, sehr engen Austausch mit den zuständigen Bundesministerien. Die Dinge sind jetzt auf dem Prüfstand. Man muss aber klar sagen: Das Urteil hat in der Tat eine Klarheit, was die öffentlichen Finanzen betrifft. Es hat die Schuldenbremse in ihrer Funktion noch mal gehärtet und geschärft. Und es ist in der Tat jetzt ein Arbeitsauftrag für die Bundesregierung, auch zu schauen, wie man die Dinge auch in der Finanzierung dargestellt bekommt.
Dieterle: Wir haben in Rheinland-Pfalz viele energieintensive Unternehmen, die haben jetzt sehr, sehr lange auf diese Entlastungen gewartet, große Hoffnungen damit verknüpft. Genauso groß ist jetzt die Unsicherheit. Und die Unternehmen fragen sich natürlich jetzt zu Recht: “Wie geht das für uns weiter?” Was wäre, wenn kein Geld aus Berlin kommt? Könnte das Land dann einspringen, übernehmen?
Schmitt: Das ist in der Tat sehr schwierig. Man muss sich jetzt die Themen genau anschauen, und ich glaube, wir sind alle gefordert, egal ob Bund oder Land, auch zu priorisieren. Jetzt genau zu schauen, was sind die wirklich drängendsten Themen? Und man hat in dem Beitrag auch noch mal speziell die energieintensive Wirtschaft gesehen. Das ist ein Themengebiet, das ist eine Branche, die natürlich auch in einem sehr internationalen Wettbewerbsumfeld steht.
Und deswegen ist es wichtig, dass wir jetzt hier an den Rahmenbedingungen arbeiten und hier schauen, dass wir wirklich die Unternehmen durch diese anspruchsvolle Zeit auch gebracht bekommen.
Dieterle: Sie haben die Rahmenbedingungen gerade angesprochen, da will ich gleich noch mal darauf zu sprechen kommen. Wir wechseln jetzt zur rheinland-pfälzischen Wirtschaft und schauen auf das, was sich hier entwickelt hat. Und da muss man sagen, die Entwicklung ist hier langsamer als in allen anderen Bundesländern. Wie kann das sein?
Schmitt: Das möchte ich per se so nicht stehen lassen. Wir haben den Beitrag gesehen. Es sind Daten des Statistischen Landes- und Bundesamtes, und es sind immer stichtagsbezogene Daten. Und wir müssen sehen, in Rheinland-Pfalz hatten wir dank einer großartigen Erfolgsgeschichte in der Biotechnologie in den letzten zwei Jahren sehr, sehr große Wachstumsraten. Und jetzt sind die Zahlen und Daten dabei, sich wieder auf einem mittleren Niveau zu stabilisieren und zu verfestigen.
Und wir haben unterschiedlichste Branchen im Land. In der Tat ist die Chemie, die Pharmazie und Biotechnologie sehr bedeutsam. Aber wir haben auch andere Branchen, die auch in den letzten Jahren durchaus auch sehr gute Jahre hatten. Und jetzt gilt es einfach darum auch zu schauen Wo können wir unterstützen, wo können wir aber auch mit anpacken? Und ich beobachte einerseits ein sehr starkes Gründungs Geschehen, das freut mich sehr, und auch ein sehr dynamisches Ansiedlungsgeschehen gerade von internationalen Unternehmen.
Und das sind auch Impulse, wo wir sehr stolz sind, aber auch sehr dankbar. Denn das brauchen wir auch für die Zukunft. Denn wir müssen auch feststellen, dass wir nur dank einer starken Wirtschaft aus den letzten Jahren und Jahrzehnten auch die Krisen der letzten Jahre auch bewältigen konnten.
Dieterle: Und trotzdem haben wir gerade auch im Beitrag gehört, so richtig viel Zuversicht verspüren die Unternehmen nicht. Sie sagen auch, weil die Rahmenbedingungen hier nicht so gut sind, investieren auch in Rheinland-Pfalz deshalb Unternehmen ins Ausland. Was können Sie diesen Unternehmen sagen oder wie gelingt es Ihnen, die doch hierzubehalten?
Schmitt: Wir müssen schauen, was die Unternehmen konkret umtreibt. Da ist zum einen die angespannte Arbeits- und Fachkräftesituation, dass Unternehmen teilweise Aufträge gar nicht annehmen können, weil Personal fehlt. Deswegen bin ich dankbar, dass wir jetzt hier mit der qualifizierten Zuwanderung, dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch richtige Weichen gestellt haben. Das wollen wir in Rheinland-Pfalz auch sehr zügig, sehr zentralisiert auch umsetzen.
Wir müssen andererseits aber auch schauen, dass wir Geflüchtete, deren Aufenthaltsstatus geklärt ist, auch schneller in den Arbeitsmarkt bringen. Denn viele produzierende Unternehmen brauchen Arbeitskräfte und hier müssen wir unterstützen. Das zweite Thema, was mir noch mal wichtig ist: Wir müssen schneller werden. Und hier hat auch die Bundesregierung mit dem Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungsgesetz eine richtige Weiche gestellt, damit wir hier auch Tempo aufnehmen, damit beispielsweise in der Infrastruktur, aber auch in anderen Themen die Dinge beschleunigt werden.
Auch das sind Standortfaktoren, auf die Unternehmen Wert legen und wo wir immer wieder schauen müssen: Wie stehen wir im internationalen Vergleich? Aber wir haben auch eine gute Basis und wir sollten auch aufpassen, dass wir die Dinge nicht schlechter reden, wie sie sind. Denn Wirtschaftspolitik hat auch immer so ein Stück weit auch mit Stimmung und Zuversicht in der Tat zu tun.
Und deswegen glaube ich, ist es wichtig, dass wir auch hier noch mal den Blick auf die Dinge werfen, die sich sehr gut entwickeln. Deswegen auch tolle Geschichten. Ich will auch noch mal anknüpfen an die Erfolgsgeschichte von BioNTech, die ja auch in der Wertschöpfungskette in Gänze auch viele Impulse auch unserem Wirtschaftsstandort gegeben hat.
Dieterle: Frau Schmitt, es sind angespannte Zeiten für die deutsche Wirtschaft, für die rheinland-pfälzische. Vielen Dank für das Interview heute.
Schmitt: Sehr gerne.