Welche Rolle spielen E-Autos aus China am Markt?

Auf dem Markt für Elektroautos verlieren die europäischen Hersteller gegenüber der chinesischen Konkurrenz an Boden. Laut einer aktuellen Studie könnte das in Deutschland eine Viertelmillion Menschen den Job kosten. Gerade in Rüsselsheim schaut man mit Sorge auf solche Zahlen, denn Opel setzt ganz klar auf Elektroautos. Die große Frage: Werden sich Opel und Co. in Zukunft überhaupt noch gegen die Konkurrenz aus China behaupten können?

Werden wir schon bald alle mit futuristischen Elektro-Flug-Autos wie diesem Prototypen aus China autonom durch die Lüfte schweben? Auch wenn die Technik schon funktioniert, ist das wohl eher Zukunftsmusik. Ganz anders sieht das bei chinesischen E-Autos aus, die nicht die Bodenhaftung verlieren: Ab Mai will etwa der chinesische Newcomer XPeng mit seinen beiden neuen E-Modellen Deutschlands Straßen erobern.
Markus Schrick, Geschäftsführer XPeng Deutschland
„Was fragt der Elektrokäufer oder der Interessierte? ‚Wie weit fährt er? Wie schnell lädt er? Und wie viel Power hat er?‘ Und in allen drei Kategorien sind wir ziemlich weit vorne.“
Weiteres Verkaufsargument: Der im Vergleich zu deutschen oder US-amerikanischen Modellen günstige Preis. Auch beim Autohersteller Opel in Rüsselsheim, der zum französischen Stellantis-Konzern gehört, ist die Zukunft elektrisch: 2028 will Opel in Europa nur noch Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb anbieten. Dabei sollen auch die Produktionsanlagen in Kaiserslautern helfen, in denen früher Motoren gebaut wurden. Ab 2025 sollen dort stattdessen modernste Batteriezellen hergestellt werden.
Florian Huettl, CEO Opel
„Wir haben 90.000 Elektrofahrzeuge verkauft in 2023. Das entspricht einer Steigerung von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und das ist ein weiterer, klarer Beleg dafür, dass die Elektrifizierungsstrategie von Opel heute funktioniert.“
Doch die Marktchancen von Opel haben sich verschlechtert. Nicht nur weil die deutsche Bundesregierung wegen ihrer akuten Finanzprobleme die Förderung von Elektroautos zu Jahresbeginn plötzlich gestoppt hat, sondern auch, weil die chinesischen Autohersteller nach ihrem Heimatmarkt nun auch Europa erobern wollen. Dabei sieht es XPeng, bisher eine reine Softwarefirma, als Vorteil, gleich mit dem Bau von Elektrofahrzeugen begonnen zu haben.
Meng Wu, Chef Produktentwicklung XPeng
„Wir müssen nicht darüber nachdenken, wie wir eine bereits vorhandene Technik verändern oder verbessern. Wir können also gleich von Anfang an alles richtig machen. Wir haben schlichtweg keine Verbrennergeschichte und deshalb auch keine Altlasten, die uns das Leben schwer machen.“
Noch scheint nicht entschieden, wer im Wettbewerb am Ende die Nase vorn haben wird. Doch die europäischen Autohersteller werden einen Gang hochschalten müssen, damit ihnen die chinesische Konkurrenz nicht einteilt.
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Markus Appelmann, Moderator:
Darüber wollen wir noch mehr erfahren und sprechen jetzt mit Jürgen Pieper, Autoanalyst aus Frankfurt. Guten Abend!
Jürgen Pieper, Autoanalyst:
Guten Abend, Herr Appelmann.

Appelmann:
Herr Pieper, eine wie große Gefahr sind die chinesischen Elektroautohersteller für die europäischen Autoproduzenten?

Pieper:
Ja, sie schlagen zurzeit eine Riesenwelle, kann man sagen. Es steht ja auch in allen großen Medien, dass da fast schon ein “Tsunami” kommt. Das ist, glaube ich, ja ein Zitat von vor kurzem. Ich glaube, ja, die Gefahr, dass sie etwas ausrichten werden hier, die es gegeben. Ich glaube auch, dass sie ihre Markterfolge haben werden. Ich rechne damit, dass sie ein paar Prozent Marktanteil innerhalb der nächsten fünf Jahre erobern. Auf der anderen Seite sehe ich die Brisanz oder dass das Überleben der Europäer zum Teil gefährdet sein soll, die sehe ich nicht.

Appelmann:
Was müssen europäische Autohersteller wie Opel tun, um gegen die chinesische Konkurrenz bestehen zu können?

Pieper:
Grundsätzlich muss man, glaube ich, sehr viel schneller werden. Ich glaube, das ist der große Nachteil heute dieser deutschen Ingenieursfirmen. Das sind die Autos eben immer gewesen, dass sie einfach viel zu lange brauchen, um ihre Produkte an den Markt zu bekommen, dass sie dem Perfektionismus verfallen sind, dass sie ihre Autos eben so machen wollen, dass sie jeden Test hervorragend bestehen. Und ich glaube, dieses Denken muss weg. Man ist dadurch zu langsam und zu teuer. Und das muss sich ändern, um mit den Chinesen tatsächlich mitteilen zu können.

Appelmann:
Könnte nicht am Ende der Kunde der Gewinner sein: Denn wenn der Konkurrenzkampf groß ist, werden die Elektrautos doch preiswerter?

Pieper:
Ja, der Kunde wird in den nächsten Jahren sich viel mehr freuen über Elektroautos als bisher. Bisher gab es erstens mal weniger, die waren teuer, die waren auch nicht unbedingt das, was man sich vorgestellt hat. Die Reichweite war zu gering, die Ladenetze – gut, das ist ein anderes Thema … Und ich denke, die nächsten fünf Jahre werden für den Kunden interessanter werden. Es wird preiswerte Elektroautos geben, die auch anders sich anfühlen, die anders funktionieren, als man das gewohnt ist. Und das wird eine gute Zeit gerade für die, für die Kunden sein. Die zweite Hälfte der 20er Jahre.

Appelmann:
Die chinesischen Autohersteller setzen nicht nur auf Elektromobilität, sondern wollen bis 2060 auch an Verbrennermotoren festhalten. Ist das am Ende die bessere Strategie?

Pieper:
Im Grunde predigen die deutschen Autohersteller ja auch die Technologieoffenheit. Das hätten sie auch am liebsten, dass es eine lange Übergangszeit gibt. Jetzt sind die Zeichen, die von der Politik gesetzt werden, hier bei uns in Deutschland und Europa, eben sehr irritierend. Es geht mal in die eine Richtung, ganz konsequent Elektro. Dann wird das Ganze wieder aufgeweicht. Dann wird man wieder jahrelang diskutieren, was man jetzt genau machen soll. Und ich glaube, hier fehlt einfach die Klarheit. Ich glaube, die Industrie würde am liebsten wirklich bis 2050 oder so eine Übergangszeit haben. Aber die Vorzeichen von der Politik sind eben nicht gut und nicht klar.
Appelmann:
Danke für den Ausblick auf die automobile Zukunft und die Herausforderungen für deutsche Produzenten – Jürgen Pieper, Autoanalyst aus Frankfurt.
Pieper:
Sehr gerne.