Was will der neue Opel-Boss in Rüsselsheim?

Gut 100 Tage ist es her, seit der Rüsselsheimer Autobauer Opel einen neuen Chef bekommen hat, den früheren Deutschland-Boss von Renault, Uwe Hochgeschurtz. Und in seinen ersten Monaten gab es gleich mehrere große Themen, die der Neue angehen musste. Vor allem ging es um die Zukunft des Standorts Rüsselsheim und damit um über 10.000 Arbeitsplätze bei uns. Der Opel-Chef ist Gast in unserem Studio.

Neues Auto, neuer Chef. Gemeinsam mit dem neuen Modell des Astra präsentierte Opel Anfang September auch seinen neuen Mann an der Spitze. Die Vorfreude war Uwe Hochgeschurtz anzumerken.
Uwe Hochgeschurtz, Vorstandsvorsitzender Opel, am 1. September 2021
„Denn Opel ist eine deutsche Traditionsmarke. Und da blicken wir sehr, sehr positiv entgegen.“
Positiv entwickelt sich auch Opels Marktanteil in Deutschland. Seit mehr als einem Jahr geht es dort kontinuierlich bergauf. Ein echter Verkaufsschlager ist der Corsa, mittlerweile der beliebteste Kleinwagen der Deutschen. Und auch der Anteil der Elektro-Autos vergrößert sich. Soweit läuft alles nach Plan.
Doch wie viele Autobauer kann Opel die Nachfrage am Markt derzeit nicht bedienen. Grund dafür ist der Mangel an Halbleiter-Chips. Im Werk in Eisenach steht deshalb die Produktion bis Ende des Jahres still.
Und auch am Hauptsitz in Rüsselsheim herrschte zuletzt Unruhe. Dort und in Eisenach stand eine Eingliederung der Werke in den Mutterkonzern Stellantis zur Debatte. Gewerkschaften sprachen von einer Zerschlagung Opels, die Jobs und Standorte gefährde. Am Ende rückte Stellantis von den Plänen ab. Doch Opels Handlungsspielraum in dem 14 Marken umfassenden Konzern scheint begrenzt zu sein. Hinzu kommen rückläufige Verkaufszahlen, nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie.
Der neue Opel-Chef hat also einige Herausforderungen zu bewältigen bei seinem Ziel, Opel in die Erfolgsspur zu manövrieren.
Markus Appelmann, Moderator: Ja, viele Themen, die wir jetzt besprechen können mit dem neuen Opel Chef Uwe Hochgeschurtz – 100 Tage im Amt diese Woche. Herzlich willkommen!
Uwe Hochgeschurtz, Vorstandsvorsitzender Opel: Guten Tag.
Appelmann: Herr Hochgeschurtz fast 29% weniger Autos verkauft im November im Vergleich zum Vorjahr. Das kann Ihnen nicht so ganz schmecken, oder?
Hochgeschurtz: Na ja, wir erleben die Zeit der Halbleiter-Krise. Es gibt also nicht genug Mikrochips und das macht sich bemerkbar bei den Zulassungszahlen. Das ist vollkommen klar. Trotzdem: Für uns war der November sehr gut. Wir haben unseren Marktanteil gesteigert, übrigens das 14. Mal in Folge. Wir liegen jetzt in Deutschland bei ca. 6,6% Marktanteil. Und was natürlich ganz besonders freut: Der Corsa, der Opel Corsa ist nach wie vor das bestverkaufte Fahrzeug in seinem Kleinwagen-Segment und ein Viertel davon bereits ist rein elektrisch. Also im Großen und Ganzen war der Monat November für uns gar nicht so schlecht.
Appelmann: Zum Corsa kommen wir gleich, lassen Sie uns kurz bei dieser Halbleiter-Krise bleiben, bei den Chips, das trifft ja die gesamte Automobilbranche. Wird es das ganze Jahr 2022 noch durch sein? Werden die Käufer auf ihre Autos warten müssen oder wann ist das vorbei?
Hochgeschurtz: Es trifft alle Automobilhersteller, übrigens nicht nur in Deutschland und in Europa. Es ist ein weltweites Problem. Es gibt einfach nicht genug Halbleiter, um alle Kundenwünsche zu erfüllen. Und deswegen stauen sich natürlich die Bestellungen auf. Es gibt längere Wartezeiten, längere Lieferzeiten. Wir wissen auch noch nicht genau, wann dieses Problem genau gelöst ist. Wir schätzen mal, dass Mitte 2022 das erste Licht am Ende des Tunnels ist und dass wir dann mehr Halbleiter bekommen und dass wir dann eventuell auch kürzere Lieferzeiten haben werden.
Appelmann: Sie haben gerade eben über den beliebten Kleinwagen, den Corsa gesprochen. Jeder vierte ist ein Corsa Elektro. Wie lange werden Sie noch Verbrennungsmotoren bauen?
Hochgeschurtz: Also wir bei Opel haben eine ganz klare Strategie. Ab 2024 wird es bei uns auf jedem Modell eine elektrifizierte Version geben. Also ab 2024 kann jeder ein Elektroauto haben, auf jedem Modell. Dann werden wir ab 2028 in Westeuropa gar keine Verbrenner mehr anbieten. Wir werden unsere gesamte Palette rein elektrisch anbieten als 2028. Da sind wir also wirklich bei den allerersten mit dabei.
Appelmann: Jetzt werden immer mehr Fahrzeuge verkauft, aber die Ladesäulen fehlen in Teilen, gerade in den ländlichen Regionen. Da bringt doch die E-Auto-Prämie herzlich wenig, wenn ich das Ding nicht aufladen kann.
Hochgeschurtz: Also, die E-Auto Prämie ist auf jeden Fall sinnvoll. Wir müssen den Umstieg erleichtern für jeden Kunden, das ist ganz, ganz wichtig. Ich fordere natürlich auch, dass die Ladestationen oder die Anzahl der Ladestationen erhöht wird. Das ist ganz, ganz wichtig, denn es muss einfach sein, es muss praktisch sein, es muss schnell gehen, dann können wir unsere Kunden davon überzeugen. Aber wir sind auch schon sehr, sehr viele Fortschritte. Also die Anzahl der Ladestationen steigt relativ schnell an, übrigens auch der Hochleiste-Ladestationen. Es ist ja auch ganz wichtig, wie schnell kann man laden. Also heutzutage kann man schon in wenigen, jetzt behaupte ich mal, Minuten wieder zusätzlich laden, um noch mal 100, 200 oder sogar bis zu 300 Kilometer weiter zu kommen. Ich denke, dass das ein mittelfristiges Problem ist. Das wird sich relativ schnell lösen.
Appelmann: Opel war in den letzten Wochen und Monaten viel in den Schlagzeilen. Da ging es um einen Umstrukturierungskurs, um einen möglichen Umstrukturierungskurs, muss man dazu sagen. Sind diese Irritationen jetzt beseitigt? Und eine ganz klare Frage: Sind die Jobs in Rheinland-Pfalz und Hessen, bei Opel in Kaiserslautern und Rüsselsheim, auf absehbare Zeit sicher?
Hochgeschurtz: Also Opel ist sehr, sehr gut aufgestellt. Wir haben soeben beschlossen, den komplett neuen Astra in Rüsselsheim zu bauen. Das war ja vorher nicht der Fall. Das sichert über viele, viele Jahre die Arbeitsplätze in Rüsselsheim. Und wir haben auch den komplett neuen Opel Astra in Rüsselsheim entwickelt und designt. Also alles findet in Rüsselsheim statt. Das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Faktor. Und wenn wir die Region etwas erweitern wollen, ich freue mich auch, dass wir in Kaiserslautern jetzt eine sogenannte „Giga Factory“ bauen. Also ab 2025 werden wir da 500.000 Batterien, Hochleistungsbatterien pro Jahr bauen. Das ist einer der allerersten Hochleistungsbatteriefabriken überhaupt, die wir in Europa haben.
Also wenn wir uns das alles genau anschauen und dann auch noch Eisenach, wo jetzt genau im Januar wieder die Produktion des neuen Grandland losgeht – den es übrigens auch als Plug-in-Version gibt -, wenn wir das uns mal genau anschauen, dann würde ich sagen: Opel ist sehr, sehr gut aufgestellt, unsere Werke sind zukunftssicher. Es gibt übrigens auch eine Jobgarantie bei Opel. Also ich glaube, wir stehen so gut da wie selten zuvor.
Appelmann: Lassen Sie uns kurz nach Kaiserslautern gehen. „Giga Factory“, Sie haben es gerade eben gesagt, 2025, 2.000 Arbeitsplätze sollen da entstehen. Das heißt aber auf der anderen Seite, der Verbrenner wird dort auslaufen nach und nach.
Hochgeschurtz: Ja, gut, der Strukturwandel betrifft die gesamte Automobilindustrie. Es ist eine politische und eine demokratische Entscheidung in Europa, dass wir weggehen vom Verbrenner hin zum Elektrofahrzeug. Das ist eine Entscheidung, die ist gefällt. Da gibt es kein Zurück mehr. Und wir müssen dem natürlich relativ schnell folgen. Was heißt das im Klartext? Im Klartext heißt das: Wir brauchen weniger mechanische Teile, wir brauchen mehr Batteriezellfertigung. Das ist die Zukunft. Wir bei Opel sind da schnell dabei mit dieser „Giga Factory“. Die „Giga Factory“ ist eigentlich die Automobilindustrie der Zukunft.
Appelmann: Lassen Soe uns kurz nochmal nach Rüsselsheim gehen. Der Astra wird dort produziert, aber auch ein DS4, das ist den Nobelmarke von Citroen. Wir haben Stellantis-Chef Tavares so verstanden, dass theoretisch jedes Werk des Konzerns, jedes Modell jeder Marke bauen können soll. Aber verlieren die Marken dann nicht Heimat? Verlieren sie nicht Identität?
Hochgeschurtz: Also, wenn es um Opel geht – ich glaube, Opel ist einer der ganz großen Traditionsmarken in Deutschland. Opel ist ein Traditionshersteller, der nicht nur eine Vergangenheit hat, der auch eine Zukunft hat. Wir sind übrigens im Stellantis-Konzern die einzige deutsche Marke, deswegen haben wir auch so eine Art Alleinstellungsmerkmal.
Trotzdem: dieser Verbund, dieser Stellantis-Konzern ist für uns ein riesengroßer Vorteil. Warum? Erstens können wir natürlich viele Teile viel, viel günstiger einkaufen, weil das Volumen viel, viel größer ist.
Zweitens Wir haben Zugang zu Hochleistungstechnologien, die vielleicht andere, kleinere Hersteller so nicht haben. Also ich denke mal, dass diese Kombination stimmt. Diese Kombination ist sehr gut für Opel und sie ist gut für Rüsselsheim und alle anderen Werke.
Appelmann: Sagt Uwe Hochgeschurt, 100 Tage im Amt, der neue Opel Chef heute bei uns im Studio. Danke, dass Sie da waren.
Hochgeschurtz: Vielen Dank an Sie.