Was die steigenden Corona-Zahlen bedeuten

Viele erleben es gerade selbst oder im Bekanntenkreis – die Zahl der Menschen, die sich mit Corona-Viren infizieren, steigt aktuell langsam wieder an. Droht uns im Herbst also wieder eine Corona-Welle und sollte man meinen Impfschutz nochmal auffrischen lassen? Diese Fragen beantwortet uns der Mainzer Virologe Professor Bodo Plachter.

Der Sommer neigt sich dem Ende entgegen und viele fragen sich, wohin die Reise geht. Schwappt nochmal eine Corona-Welle auf uns zu oder nicht?
Die absolute Zahl derer, die sich mit Coronaviren infizieren, steigt derzeit wieder an. Das liegt auch an der Omikron-Variante EG.5, die sich aktuell weltweit ausbreitet.
Belastbare Zahlen gibt es nicht, denn Teststellen existieren nicht mehr und auch privat greifen nur noch die wenigsten zum Stäbchen.
Experten warnen dennoch davor, Corona als einfachen Erkältungsinfekt abzutun. Noch immer kann das Virus Menschen aus gewissen Risikogruppen schwer krankmachen. Und auch warum wen welche Nachwirkungen treffen – Stichwort Long Covid -, ist noch nicht ausreichend bekannt.
Worauf kommt es also in den nächsten Monaten an? Sollte man doch nochmal zur Maske greifen oder den Impfschutz auffrischen?
Grund zur Panik besteht nicht und trotzdem kann man das ein oder andere tun, damit nach dem Herbst kein ungemütlicher Winter kommt.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Und was das ist, darüber spreche ich jetzt mit dem Virologen der Mainzer Universitätsmedizin, mit Professor Bodo Plachter. Guten Abend.
Prof. Bodo Plachter, Virologe Universitätsmedizin Mainz: Schönen guten Abend.
Dieterle: Herr Plachter, sehen Sie die Gefahr einer Corona-Welle, die noch mal das Potenzial hat, unser Gesundheitssystem so richtig in die Bredouille zu bringen oder sehen Sie die nicht?
Plachter: Es ist natürlich zu erwarten, dass gegen Herbst und Winter die Zahlen auch mit Corona wieder ansteigen, ähnlich wie zum Beispiel die Zahlen mit Grippeviren. Das ist erwartbar. Problem ist, man so etwas nie wirklich vorhersagen, wie stark sich so etwas auswirkt. Aber eine Welle, wie wir sie im vorletzten oder letzten Winter hatten, glaube ich, in dieser Form, wird sich nicht zeigen.
Dieterle: Herr Plachter, wie bewerten Sie die neuen Corona-Varianten? Sind die ansteckender? Können Sie den Immunschutz besser umgehen? Was weiß man?
Plachter: Zunächst einmal muss man dazu sagen: Das sind nach wie vor Omikonvarianten. Also das ist keine große neue Variante, die zirkulieren auch weltweit schon seit Anfang des Jahres, März, April. In der Tat ist es so, dass die sich besser durchsetzen. Das heißt, sie haben eine bessere Möglichkeit, sich zu verbreiten. Aber es gibt nach wie vor keine Hinweise darauf, dass diese Varianten bei Menschen schwerere Krankheitsbilder hervorrufen. Es ist eine neue Variante, mit der wir leben müssen, und das ist eigentlich erwartbar.
Dieterle: Die meisten Menschen sind mehrfach geimpft und auch schon genesen. Ist das ein ausreichender Schutz gegen diese Varianten?
Plachter: Es gibt mittlerweile Daten, die darauf hindeuten, dass auch der Impfstoff, der derzeit verfügbar ist, gegen schwere Manifestationen auch mit dieser Variante entsprechend schützt. Aber auch das ist natürlich lang klar: Impfstoffe werden nie die Infektion verhindern können gegen Corona. Das heißt, man wird sich auch trotz Impfung mit dieser Variante infizieren, möglicherweise leicht erkranken können.
Dieterle: Ganz viele fragen sich jetzt: Soll ich mich noch mal boostern lassen oder nicht? Wem würden Sie das empfehlen und warum?
Plachter: Grundsätzlich gibt es ja die Empfehlung der STIKO, in der drinsteht, dass eben Menschen über 60 Jahre, Menschen mit Grunderkrankungen, bestimmte Berufsgruppen – ärztlicher, also Gesundheitsbereich, Pflegebereich -, dass die Menschen sich impfen lassen sollten. Wichtig ist zu wissen, dass der Abstand zur letzten Impfung, bzw. zur letzten Infektion so zwölf Monate betragen sollte. Das heißt, wenn man im letzten Herbst sich hat impfen lassen, dann ist jetzt demnächst wieder Zeit sich impfen zu lassen.
Dieterle: Die Impfstoffe werden immer weiter angepasst, auch auf die neuen Varianten. Läuft das denn schnell genug, um up to date zu sein, wenn ich mich impfen lasse?
Plachter: Ja, man muss sehen, es ist natürlich schon ein gewisser Vorlauf notwendig, um einen Impfstoff zu produzieren. Ein neuer Impfstoff muss auch immer erst getestet werden und dann muss er natürlich produziert werden in großen Mengen. Und das braucht schon einige Wochen bis wenige Monate, bis dann der Impfstoff tatsächlich verfügbar ist. Das heißt: Ja, es ist dauert eine gewisse Zeit und es lässt sich auch nicht so sehr beschleunigen.
Dieterle: Ein Phänomen, das mit der Corona-Pandemie kam, das ist Long Covid oder Post Covid. Da gibt es immer noch große Wissenslücken. Ist die Medizin und die Forschung da jetzt schon weiter? Kann man sich inzwischen besser davor schützen?
Plachter: Man muss zugeben, dass es nach wie vor Wissenslücken gibt, wie Sie auch sagen Der beste Schutz ist natürlich, sich nicht zu infizieren. Aber das ist natürlich nicht immer möglich. Es gibt auch gewisse Hinweise darauf, dass die Impfung Long Covid in manchen Fällen verhindern kann. Aber wie gesagt, es gibt da noch doch erhebliche Wissenslücken und erheblichen Bedarf an Forschung.
Dieterle: Das heißt, auf diesem Gebiet wird weiter mit Hochdruck geforscht. Herr Professor Plachter, vielen Dank, dass Sie heute zu diesem Interview bei mir im Studio waren.
Plachter: Gerne.