Was bringt eine allgemeine Dienstpflicht?

Die Bilder des Krieges in der Ukraine erschüttern uns und so manche Gewissheiten. Etwa jene, dass Deutschland keine zahlenmäßig starke und hochgerüstete Armee mehr benötige wie damals im Kalten Krieg. In vergangenen Jahrzehnten dienten bis zu 500.000 Männer und Frauen in der Bundeswehr; der Wehr- oder Zivildienst dauerte bis zu 18 Monate. Nun haben Politiker eine allgemeine Dienstpflicht gefordert: Junge Menschen müssten dann bei der Bundeswehr oder in sozialen Einrichtungen ein Jahr arbeiten.

Nach dem Abi an die Uni oder ins Ausland. Das ist der Plan von vielen jungen Menschen – auch im Leistungskurs Geschichte an der Modellschule Obersberg in Bad Hersfeld.
Etwa Jaden Bock – er will ein duales Studium beim Land Hessen beginnen.
Emilia Barth – sie überlegt, ein Jahr ins Ausland zu gehen.
Oder Maike Althoff – sie will ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolvieren – in Spanien.

Ein Jahr Dienst von jungen Menschen fordern auch sie: Allerdings verpflichtend und in Deutschland. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz und Christian Baldauf, CDU-Fraktionschef im Landtag. Bei diesem Thema geht kein Blatt zwischen den CDU-Oppositionschef und den SPD-Minister.

Roger Lewentz, SPD, Innenminister Rheinland-Pfalz
„Ich glaube, insgesamt darf man darüber nachdenken, kann man nicht von allen jungen Frauen und Männern auch einen generellen Dienst – zwölf Monate oder wie auch immer – für Deutschland abverlangen. Wir leben in einem freiheitlich-demokratischen System…“

Christian Baldauf, CDU, Fraktionsvorsitzender Rheinland-Pfalz
„…und wer in diesem wunderbaren Land lebt mit dieser Freiheit, dem ist es, so meine ich, auch zuzumuten, dass er auch ein Jahr für sein Land etwas tut, so wie wir das früher auch getan haben.“

Bei einer allgemeinen Dienstpflicht müssten junge Menschen ab 18 ein Jahr lang in sozialen, ökologischen oder kulturellen Einrichtungen arbeiten – oder auch bei der Bundeswehr. Wehr- und Zivildienst sind seit 2011 ausgesetzt. Könnten zwei Jahre Pandemie und ein Krieg in Europa alles verändern? Und: würden junge Menschen wie hier an der Obersberg Schule einen solchen Dienst leisten wollen – auch in Uniform und an der Waffe?

Jaden Bock (18)
„Grundsätzlich bin ich schon ein Befürworter einer Dienstpflicht, weil es gesellschaftlich Vorteile bieten würde, solange man es nicht auf eine Wehrpflicht beschränken würde.“

Emilia Barth (18)
„Also, ich finde im Sinne von Ökologie und sozialem Bereich finde ich das sinnvoll, weil man der Gesellschaft auch etwas zurückgeben kann.“

Maike Althoff (19)
„Und ich denke, dass es eben gerade auch in unserer Zeit eine große Notwendigkeit im Bereich des Ökologischen gibt.“

Sozial und ökologisch ja, militärisch eher nein – Aber: Die meisten hier zeigen sich offen für ein allgemeines Dienstjahr.

In Hessen verließen letztes Jahr knapp 110.000 Schüler die Schule, in Rheinland-Pfalz rund 50.000 – könnten diese Zahlen bei einer Dienstpflicht etwas bewirken – etwa im Pflegebereich?

Markus Mai, Präsident Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
„Früher hatten wir ja den Wehr- und Zivildienst und ich gehe schon davon aus, dass wir früher wesentlich besser den jungen Leuten die Möglichkeit gegeben haben, in den Bereich reinzuschauen und dass da auch viele junge Menschen dann gesagt haben, da ist eine Perspektive für uns, auch insgesamt im sozialen Bereich.“

Zwar benötige die Pflege vor allem Fachpersonal: Dennoch könnte eine Dienstpflicht für junge Menschen Entlastung für die Pflege bedeuten.
Anders sieht es bei der Bundeswehr aus. So sprach sich der Generalinspekteur der Bundeswehr gegen eine Dienst- und eine Wehrpflicht aus.

„Für den Kampf im Cyberraum, um nur ein Beispiel zu nennen, sind Wehrpflichtige absolut ungeeignet.“
Was die Bundeswehr brauche, sei „gut ausgebildetes, in Teilen sogar hochspezialisiertes Personal.“
Quelle: Generalinspekteur Eberhard Zorn, Funke Mediengruppe

Eine allgemeine Dienstpflicht könnte also im sozialen Bereich der Gesellschaft etwas nützen. Aber: Die ursprüngliche Idee war es, die Bundeswehr zu stärken – und sie würde durch eine allgemeine Dienstpflicht vermutlich eben nicht eine moderne und schlagkräftige Armee werden.