Virtueller Synagogen-Rundgang

Die orthodoxe Synagoge in Darmstadt – in der Nacht zum 9. November 1938 wurde sie von den Nazis niedergebrannt. Jetzt ist dieses geschichtsträchtige Bauwerk rekonstruiert – Studenten der Technischen Universität Darmstadt haben diese und weitere zwölf Synagogen in Darmstadt, Mainz und Frankfurt im Rahmen eines Langzeitprojekts wieder auferstehen lassen – virtuell.

Sie gilt einst als die bedeutendste Synagoge in der Pfalz. 1886 wird das Jüdische Gotteshaus in Kaiserslautern eingeweiht. Auch in Bingen steht bis 1938 eine Synagoge. Beide werden in der Reichspogromnacht niedergebrannt.
In einem Hochbunker in Frankfurt, selbst Ort einer ehemaligen Synagoge, hat sie der Architekt Marc Grellert auferstehen lassen.
Marc Grellert, Leiter Digitales Gestalten TU Darmstadt
„Es gab 1994 einen Anschlag auf die Synagoge in Lübeck von vier Neonazis. Das brachte mich auf die Idee Synagogen zu rekonstruieren, die in der NS-Zeit zerstört worden sind. Es war gedacht als eine kleine Antwort gegen Antisemitismus, sollte aber auch ein Beitrag zur Erinnerung an die Shoa sein. Es ging uns darum, den kulturellen Verlust aufzuzeigen. Also die Blüte der Synagogen, Und wir haben dann in dem Projekt fast 30 Synagogen virtuell rekonstruiert.“
Es gibt rund 3.000 Synagogen in Deutschland, bis sie im Nazionalsozialismus und auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört werden. Auch die Synagoge in der Frankfurter Friedberger Anlage brennen die Nazis nieder und errichten einen Bunker, der jetzt der Initiative 9. November gehört. Ort einer Ausstellung mit und über die virtuellen Rekonstruktionen von Marc Grellert und seinen Studenten.
Marc Grellert, Leiter Digitales Gestalten TU Darmstadt
„Wir befragen Zeitzeugen – leider heute leben so gut wie keine Zeitzeugen mehr – und dann, nachdem wir dann die Quellen, das sind dann Fotografien, alte Baupläne fangen wir an, diese Quellen in den Computer einzugeben.“
Das geschieht an der Technischen Universität Darmstadt. Norwina Wölfel hat die Synagoge in der Frankfurter Friedberger Anlage virtuell Rekonstruiert. Besonders schwierig herauszufinden sind die Originalfarben, da meist nur schwarz-weiß Fotografien existieren.
Norwina Wölfel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachgebiet Digitales Gestalten
„Zum Beispiel in der Friedberger Anlage jetzt wird beschrieben, dass alles in einem warmen Beige-Ton gehalten ist. Und dann müssen wir für uns selber entscheiden: Ist das die Wandfarbe die beige ist, oder sind vielleicht die Ornamente eher bräunlich? Oder an anderen Synagogen haben wir auch Experten, die sich eben auskennen mit der Farbgebung von ähnlichen Synagogen.“
Gerade fertig ist die Außenansicht der orthodoxen Synagoge Darmstadt. Für die Technische Universität rekonstruiert Marc Grellert 13 Synagogen in Mainz, Darmstadt und Frankfurt. Er hofft auf Treffen mit Zeitzeugen.
Marc Grellert, Leiter Digitales Gestalten TU Darmstadt
„Diese Begegnungen mit Zeitzeugen waren wirklich die bewegendsten Momente. Dann auch sich mit ihnen zu freuen, dass sie etwas von der Synagoge noch mal wiedersehen konnten, wo sie dachten, es ist alles für immer verloren.“
Die Ausstellung über die digitalen Rekonstruktion der zerstörten Synagogen ist immer mittwochs und sonntags im Hochbunker der Initiative 9. November in Frankfurt zu sehen.