Videoschalte mit Prof. Sebastian Herold zu hohen Energiepreisen

Steigende Energiepreise belasten Unternehmen und Verbraucher – darüber spricht Maike Dickhaus mit Sebastian Herold, Professor für Energiewirtschaft an der Hochschule Darmstadt.

Maike Dickhaus, Moderatorin: Guten Abend!
Prof. Sebastian Herold, Experte für Energiewirtschaft Hochschule Darmstadt: Guten Abend.
Dickhaus: Herr Professor Herold, wir hören oft, dass die Energiepreise wegen des russischen Krieges so hoch seien. Bislang beliefert Russland uns jedoch die ganze Zeit weiter, es gibt also gar keinen Versorgungsengpass. Wieso sind die Preise dennoch so stark gestiegen?
Herold: Russland liefert aktuell weiter, soweit es vertragliche Verpflichtung hat. Russland liefert aktuell aber schon weniger, als es üblicherweise liefert. Das ist auf dem Gasmarkt der Fall und auf dem Ölmarkt machen sich auch die Sanktionen bemerkbar, die die USA ja verhängt haben und die insgesamt dazu führen, dass weniger Öl auf den Weltmarkt gelangt, weil die russischen Ölmengen dann nicht zur Verfügung stehen.
Dickhaus: Angenommen Deutschland erhöht den politischen Druck auf Russland und verhängt einen Importstopp für russische Energielieferungen – also ein komplettes Embargo. Was würde dann passieren?
Herold: Da müssen wir ein bisschen unterscheiden zwischen den einzelnen Energieträgern. Bei Kohle und bei Erdöl, dort haben wir einen Weltmarkt Das heißt, es wäre einfacher, diese Energien dann anderweitig zu beschaffen und das, was an Preissteigerung dann passieren würde und Schmerzen verursachen würde, das würde auch nicht nur Deutschland und Europa betreffen, sondern die ganze Welt, was für Industrieunternehmen, die im Wettbewerb stehen, natürlich eine wichtige Frage ist.
Beim Erdgas sieht es ein bisschen anders aus. Hier ist es tatsächlich so, dass Europa nicht in der Lage wäre, diese Mengen komplett zu kompensieren. Also es gibt verschiedene Maßnahmen, die man ergreifen könnte. Wir könnten vermehrt verflüssigtes LNG-Gas über Tanker beschaffen, wir könnten auch auf andere Energien in der Stromerzeugung umsteigen, beispielsweise dort vermehrt Kohle einsetzen und natürlich den Verbrauch an Erdgas reduzieren.
Das alles zusammen würde aber nicht dazu führen, dass die russischen Mengen komplett kompensiert werden könnten.
Dickhaus: Wenn Deutschland kein russisches Gas mehr kaufen würde, würde das also für Unternehmen und Verbraucher hierzulande schwerwiegende Folgen haben?
Herold: Die Unternehmen wäre die Gruppe, die am Ende besonders betroffen ist. Zuerst würden, wenn wirklich zu wenig Gas ist, die Haushalte beliefert und Krankenhäuser und andere Einrichtungen, die besonders schützenswert sind. Und am Ende müssten die Unternehmen dann mit weniger Gas auskommen und das heißt tatsächlich, dass Produktion zurückgefahren werden müsste, dass Produktion an einigen Stellen eingestellt werden müsste. Und das kann dann auch noch weitere Folgewirkungen haben, weil die Industrie ja eng verflochten ist und wenn an einer Stelle Produkte ausfallen, dann kann es sein, dass das eben so eine Art Dominoeffekt auslöst, der dann in der ganzen Wirtschaft sehr schnell spürbar wird.
Dickhaus: Zurück zu den steigenden Preisen an den Tankstellen hierzulande. Da wird jetzt über Tankrabatte oder Steuersenkungen diskutiert. Was wäre denn für sie die schnellste und sinnvollste Lösung um die Verbraucher zu entlasten?
Herold: Bei den steigenden Preisen an den Tankstellen, da kann der Staat ein Stückchen weit tätig werden, weil bei einem Benzinpreis von ungefähr 2 € die Hälfte auf staatliche Abgaben zurückgehen dieses Preises und die Hälfte eben den Preis darstellen, wie er an den Großhandelsmärkten gehandelt wird. Das heißt, Potenzial ist da. Man muss sich aber auch darüber im Klaren sein, dass staatliche Maßnahmen, wenn die Krise noch weiter eskalieren sollte, nicht dauerhaft das ausgleichen werden, was dann an Preissteigerung an den Märkten passiert.
Das heißt, meine Empfehlung wäre, hier den Fokus wirklich zu richten auf Gruppen, die besonders betroffen sind: einkommensschwache Haushalte, Pendler gegebenenfalls und Industrieunternehmen, die in einem besonderen Wettbewerb stehen.
Dickhaus: … sagt Sebastian Herold, Professor für Energiewirtschaft aus Darmstadt. Vielen Dank für Ihre Einschätzung!
Herold: Gerne.