Umstrittene Cannabis-Freigabe

Am kommenden Montag ist es soweit, dann soll das neue Cannabis-Gesetz in Kraft treten. Der Bundesrat hat am Freitag den Weg dafür frei gemacht. Doch die Diskussionen um das Gesetz reißen nicht ab. Kritik kommt vor allem von der CDU, aber auch von der Gewerkschaft der Polizei.

Für die einen ist es eine „Kehrtwende in der Drogenpolitik“, für die anderen schlicht eine „Katastrophe“. Durch das neue Gesetz wird  Konsum, Besitz und Anbau von Cannabis teilweise erlaubt.
Jeder Erwachsene darf dann auf der Straße 25 Gramm Cannabis zum eigenen Gebrauch bei sich tragen. In der Öffentlichkeit darf auch konsumiert werden, aber nicht im Umkreis von 100 Metern um Schulen, Kitas und Sportstätten. Zu Hause dürfen 50 Gramm aufbewahrt werden. Zum Eigenanbau werden drei Cannabispflanzen erlaubt.  Außerdem sollen auch Cannabis-Vereinigungen zum gemeinschaftlichen Anbau erlaubt werden.
Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist das Gesetz ein wichtiger Schritt. Die jetzige Drogenpolitik sei in Sachen Cannabis klar gescheitert.
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister am 22.3.2024
„Aus meiner Sicht eine überfällige Maßnahme. Wir werden einen besseren Kinder- und Jugendschutz einführen. Wir werden Anbauvereinigungen ermöglichen, sodass der Schwarzmarkt austrocknen kann.“
Laut Lauterbach hilft das neue Gesetz außerdem dabei, die Qualität der Drogen zu überwachen, Jugendliche vor kriminellen Drogenhändlern zu schützen und die Justiz zu entlasten.
Entlastung der Justiz? Ganz im Gegenteil, sagt der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin. Denn das Gesetz sieht auch eine sogenannte Amnestie vor. Bereits begangene Straftaten sollen rückwirkend erlassen werden. Eine Mammutaufgabe.
Herbert Mertin (FDP), Justizminister Rheinland-Pfalz
„Man kann kein Gesetz verabschieden, was zum 1. April in Kraft tritt und den betreffenden Behörden ganze vier Arbeitstage Zeit lässt, um rund 10.000 Akten zu überprüfen und die notwendigen Schlüsse daraus zu ziehen. Das ist in der verbliebenen Zeit schlichtweg unmöglich.“
Besonders kompliziert wird es laut Mertin bei sogenannten „Mischtatbeständen“.
Herbert Mertin (FDP), Justizminister Rheinland-Pfalz
„Wenn zum Beispiel einer wegen eines räuberischen Delikts verurteilt worden ist und gleichzeitig 20 Gramm Cannabis dabei hatte, dann wird eine sogenannte Gesamtstrafe gebildet und die kann eigentlich nur das Gericht neu festsetzen. Und das dauert seine Zeit. Weil das Gericht es nicht festsetzen kann, ohne den Betroffenen anzuhören, gegebenenfalls den Verteidiger anzuhören, das ist schlichtweg in vier Tagen nicht leistbar.“
Eine massive Mehrbelastung für die Justiz – die sieht auch die CDU in Hessen. Bevor das Gesetz am Montag in Kraft treten kann, muss es von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterschrieben werden. Die CDU appelliert nun an den Bundespräsidenten, die Unterschrift zu verweigern und das Gesetz so noch zu stoppen.
Ingo Schon (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer Landtag Hessen
„Cannabis ist eine Droge, die vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Gehirn sehr stark schädigen kann, bis 25 Jahre, sagt sogar der Bundesgesundheitsminister. Es ist eine Einstiegsdroge und ich glaube, es gab gute Gründe, dass diese Droge so viele Jahre nicht erlaubt war, gerade für junge Leute nicht erlaubt war.“
Deutliche Kritik also von der CDU. Aber auch von der Gewerkschaft der Polizei. Denn nicht nur auf die Justiz, sondern auch auf die Polizei wird durch das neue Gesetz deutlich mehr Arbeit zukommen.
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Markus Appelmann, Moderator:
Und dazu begrüße ich jetzt Sven Hummel. Er ist der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz. Guten Abend!

Sven Hummel, Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz:
Guten Abend.

Appelmann:
Am 1. April wird Cannabis teilweise legal. Das bedeutet viele neue Aufgaben für die Polizei. Sind Sie denn vorbereitet?

Hummel:
Wir sind schlecht vorbereitet. Wir haben eine total angespannte Personalsituation. Wir haben jetzt den Umstand, dass sehr kurzfristig Vorhaben umgesetzt werden müssen, wo wir keine Rechtssicherheit und keine Handlungssicherheit haben. Uns fehlt Ausstattung, uns fehlt das notwendige Equipment, bestimmte Sachen nachweisen zu können. Also das geht viel zu schnell.
Appelmann:
Wenn man in den letzten Tagen Bundestags-, Bundesratsreden gerade von der Union gehört hat, dann gewinnt man so den Eindruck, da bricht jetzt das Chaos los am 1. April. Ist es denn so?
Hummel:
Na ja, chaotische Phase sehe ich es nicht auf uns zukommen. Dennoch werden es sehr stressige und angespannte Kontrollsituationen geben für unsere Kolleginnen und Kollegen. Da geht es darum, wie stellen wir fest, wie viel, welche Menge dabei mitgeführt wird von dem einen oder anderen – ist es innerhalb der Freigrenze oder darüber hinaus?
Appelmann:
Also Sie treffen jetzt einen Menschen an mit Cannabis, dann machen Sie die Überprüfung – und dann?
Hummel:
Genau, da ist schon die Frage.Es ist erlaubte Menge 25 Gramm oder 50 Gramm in der Wohnung, hat er 27 Gramm dabei, ist in einem Ordnungswidrigkeitsbereich, haben wir aber 35 Gramm dabei? Das zu differenzieren vor Ort, das wird schwierig.
Appelmann:
Weil Sie keine Waage dabeihaben.
Hummel:
Genau. Wie führe ich den Nachweis, der dann letztendlich auch gerichtsfest verwertbar ist? Also müsste ich vor Ort alles abwiegen in einer Kontrollsituation, wo eh schon sehr stressaufgeladen das für die Kolleginnen und Kollegen ist. Nehme ich alles mit auf die Dienststelle, wiege ich es dort, müsste der Betroffene mitfahren. Also ist ein enormer Aufwand, wo wir derzeit nicht wissen wie wir das umsetzen sollen.
Appelmann:
Die ganzen Fragestellungen haben Sie ja schon, aber Antworten gibt es derzeit für Sie und Ihre Kollegen noch nicht.
Hummel:
Wir haben als GdP tatsächlich die rheinland-pfälzischen Abgeordneten des Bundestages angeschrieben, wir haben die Ministerpräsidentin angeschrieben im Vorfeld der Sitzung, haben auf die Problemstellung hingewiesen. Derzeit stehen wir, ein paar Tage vor Umsetzung, tatsächlich noch planlos da.
Appelmann:
Ein ganz anderer Punkt ist der Straßenverkehr, der gerade schon am Rande angeklungen ist. Der Bundesverkehrsminister Volker Wissing will den Grenzwert von 0,0 anheben. Dazu ist aber noch nichts passiert bislang. Was bedeutet das für die Kontrollen ab Montag?
Hummel:
Ja, auch da besteht Handlungsunsicherheit, weil wir diesen Grenzwert, diesen neuen, nicht kennen. Natürlich wird per se vor Ort bei einer Kontrolle zunächst mal über Urin nachgewiesen, ist es positiv oder negativ? Bei einem positiven Test wird eine Blutprobe auf der Dienststelle durchgeführt. Und alles weitere, die Frage des Grenzwertes, wird sich dann über diese Blutkontrolle nachweisen lassen. Aber dadurch, dass wir mit einer höheren Konsumhäufigkeit nun zu tun haben, also wir haben mehr Cannabis im Umlauf, wir haben mehr Konsumenten, werden wir auch deutlich höher und öfters Cannabis in Verkehrskontrollen haben und damit auch verbunden die Mitnahme zur Dienststelle und die Blutuntersuchung.
Appelmann:
Das Gesetz soll ja, das ist das Ziel, den Schwarzmarkt austrocknen. Das haben wir gerade eben bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auch noch mal gehört. Glauben Sie, dass das Ziel wirklich erreicht werden kann?
Hummel:
Unsere Experten und auch wir gehen davon aus, dass es ein Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt sein wird, weil wir eine höhere Verfügbarkeit an Cannabis insgesamt haben werden. Wir haben über die Anbauvereinigungen gewisse Qualitätskriterien eingebaut, die sind einfach nicht konkurrenzfähig zum Schwarzmarkt, was Preis und was Qualität des Materials betrifft.
Appelmann:
Mal wieder wird die Arbeit der Polizei erschwert, sagt Sven Hummel von der Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz. Danke für den Besuch.

Hummel:
Danke schön.