Ukraine-Krise: Sorge vor Energie-Engpass

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hat heute in Wiesbaden mit dem Generalkonsul der Ukraine, Vadym Kostiuk, über die Eskalation in der Ostukraine gesprochen. Bouffier stellte dabei klar, dass in diesem Konflikt Russland der Aggressor sei. Der russische Präsident Putin breche Verträge, verschiebe mit Gewalt die Grenzen und gefährde damit den Frieden in Europa. Der Westen müsse sofort Sanktionen verhängen, sonst verliere er seine Glaubwürdigkeit. Die Europäische Union hat inzwischen harte Sanktionen gegen Russland vorgeschlagen. Die Bundesregierung hat die umstrittene Erdgaspipeline Nord Stream 2 auf Eis gelegt. Die Sorge, dass in Osteuropa ein Krieg ausbrechen könnte, ist größer als je zuvor.

Lyudmyla Kolos ist Ukrainerin. Und voller Sorge. Um ihre Heimat – und vor allem um ihre Verwandten und Freunde. Gerade eben hat sie mit ihren Eltern in der Ukraine telefoniert. Die Stimmung vor Ort – mehr als angespannt.
Lyudmyla Kolos, Ukrainischer Verein Mainz: „Die Gefühle sind ganz unterschiedlich. Das ist Empörung. Wut Traurigkeit. Manche Menschen möchten fliehen. Manche Menschen haben Angst. Die anderen sagen – das Leben geht weiter. Wir müssen irgendwie unser Brot verdienen. Weiterleben. Es ist ungewiss. Und wir wissen nicht, was passieren wird.“
Auch die Wirtschaft blickt mit Sorge auf die Ukraine-Krise. Weil sich der Konflikt bislang aber weitgehend auf die Krisenregion im Osten des Landes konzentriert, ist das große Beben an der Börse heute zunächst ausgeblieben. Nach anfänglichen Verlusten hat sich der DAX im Tagesverlauf wieder erholt. Noch sind die Sanktionen gegen Russland überschaubar. Doch mit jeder weiteren Eskalationsstufe steigt die Gefahr einer Abwärtsspirale.
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse Baader Bank: „Wenn die Eskalation weiter gehen sollte, und es käme eben so weit, dass kein Erdgas mehr kommen sollte, dann hat Europa ein Problem. Da müssen wir nicht drüber reden. Preise werden teurer, die Energiesicherheit ist nicht mehr gewährleistet. Die Vorprodukte für ein Exportland wie Deutschland sind nicht mehr da. Massiver Kaufkraftverlust – das tut ja alles weh. Aber die Schmerzen hat auch Putin. Und so lange er noch im Amt bleiben möchte, muss er seinen Russen erklären, warum es ihnen noch dreckiger geht.“
Auch der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftler Christian Rieck ist sich sicher: Ein weitere Eskalation in der Ukraine-Krise könnte nicht nur Russland, sondern auch Deutschland teuer zu stehen kommen.
Prof. Dr. Christian Rieck, Wirtschaftswissenschaftler Frankfurt University of Applied Sciences: „Ich glaube jetzt nicht so sehr, dass ein Krieg tatsächlich ausbricht. Aber ja auch diese ganzen Vorstufen von Krieg können ja auch so sein, dass sie uns von den Gaslieferungen abschneiden. Und das wiederum wäre ne richtig teure Sache, zumal wir ja auch vor kurzem gerade ein paar Kernkraftwerke abgestellt haben und insgesamt jetzt einfach wesentlich stärker vom Gas abhängig sind als wir es in der Vergangenheit waren.“
Ohnehin seien wirtschaftliche Sanktionen nicht unbedingt der beste Weg, auf eine derartige Krise zu reagieren.
Prof. Dr. Christian Rieck, Wirtschaftswissenschaftler Frankfurt University of Applied Sciences: „Ich glaube, dass wirtschaftliche Verflechtungen mit einem Land normalerweise etwas ist, was auch gleichzeitig friedensfördernd ist. Das hat sich immer wieder in der Vergangenheit gezeigt. Und das ist ja auch die Idee, auf der letztlich die ganze EU basiert. Dass wirtschaftliche Verflechtungen dazu führen, dass man sich eben weniger kriegerisch in die Haare kriegt.“
Deshalb sei es auch keine gute Idee, die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 in Frage zu stellen – zumal sich Russland in der Vergangenheit stets als zuverlässiger Vertragspartner erwiesen habe.
Für die Menschen in der Ukraine mag das wie Hohn klingen. Sie fühlen sich akut bedroht – und fordern eine deutlich härterer Gangart und schärfer Sanktionen gegen den russischen Aggressor.
Lyudmyla Kolos, Ukrainischer Verein Mainz: „Dass die Russen wirklich sehen, dass Europa zur Ukraine steht. Das sieht man noch nicht. Alle Unterhaltungen, alle Gespräche, sind sehr sanft, wenn ich das so sagen kann. Und die Russen sagen – uns doch egal, was Europa da sagt.“
Unterdessen gießt Russland weiter Öl ins Feuer: Nachdem Präsident Putin die Ukraine bereits gestern als „US-Kolonie“ und „Marionetten-Regime“ ohne eigene Staatstradition bezeichnet hat, ließ der Kreml heute verlauten, dass die Ukraine weder ein Recht auf Souveränität noch auf territoriale Unversehrtheit habe.