Tankstelle darf keinen synthetischen Diesel verkaufen

Stellen Sie sich vor, es gäbe einen Kraftstoff, der die Umwelt schont, der einfach in unsere Autos mit Verbrennungsmotor zu tanken wäre und kaum schädliche Abgase hätte. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Und doch gibt es einen solchen Sprit längst – einen synthetischen Diesel, der hauptsächlich aus altem Frittenfett, Fischresten und Schlachtabfällen hergestellt wird. Wenn Sie sich nun denken: „Den Kraftstoff probiere ich mal aus“ – da haben Sie die Rechnung ohne die hessische Landesregierung gemacht.

Die Roth-Energie Tankstelle an der Frankfurter Borsigallee: Neben Benzin, Diesel und Erdgas gibt es hier auch eine Zapfsäule für besonders umweltfreundlichen, synthetischen Diesel. Mit diesem lässt sich der Ausstoß von schädlichen Treibhausgasen um bis zu 90 Prozent reduzieren – tanken dürfen Autofahrer den Bio-Kraftstoff aber trotzdem nicht: Das Regierungspräsidium Darmstadt hat der Tankstelle den Zapfhahn zugedreht. Und das, obwohl der synthetische Kraftstoff bei vielen Dieselfahrern sehr gut ankommt.
Kim Backhaus, Leiter Marketing Roth Energie
„Wir haben jetzt seit der offiziellen Eröffnung, die wir ja dann wieder einstellen mussten, schon einige Nachfragen, auch aus dem Privatkundenbereich, die einfach sagen: ‚Ich möchte meinen persönlichen CO2-Fußabdruck reduzieren‘. Und das kann ich hier natürlich in einem sehr großen Maße mit den 90 Prozent.“
Zwar kostet synthetischer Diesel pro Liter rund 20 Cent mehr als fossiler Diesel, dafür schont er nicht nur das Klima, sondern auch den Motor. Durch seine hohe Zündfähigkeit verbrennt der Kraftstoff besser, was die Laufruhe des Motors und somit auch dessen Lebensdauer erhöht. Umrüstungen am Fahrzeug sind nicht nötig.
Warum darf der synthetische Diesel dann nicht verkauft werden? Laut Bundesimmissionsschutzgesetz ist der umweltfreundliche Kraftstoff bislang nur als Zusatz für herkömmlichen Diesel zugelassen. Ausgenommen sind landwirtschaftliche Maschinen wie etwa Traktoren sowie Sportboote. Erlaubt sind außerdem Pilotprojekte, um den Kraftstoff auf seine Alltagstauglichkeit zu testen. 15 von 16 Bundesländern machen von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch und dulden den Verkauf – nur Hessen stellt sich quer.
Woran das liegt, wollte die FDP deshalb Anfang April von der Landesregierung wissen. Die Antwort:
„Die Landesregierung hält den Einsatz von alternativen Kraftstoffen vor allem in den Verkehrsbereichen für sinnvoll und vertretbar, in denen in absehbarer Zeit eine Elektrifizierung nicht möglich sein wird. Dies sind vor allem der Flug- sowie der Schiffsverkehr. Eine Verwendung von synthetischen Kraftstoffen im Straßenverkehr wird (…) als nicht zielführend angesehen.“
Die FDP sieht vor allem ideologische Gründe für das Verbot: Die Grünen seien alleine auf den Elektromotor fixiert.
Auch Kim Backhaus von Roth-Energie hat wenig Verständnis für die Haltung der hessischen Landesregierung.
Kim Backhaus, Leiter Marketing Roth Energie
„Ich gehe davon aus, dass andere Bundesländer den Klimaschutz ein bisschen im Fokus haben. Wir haben nur ein CO2-Rest-Budget, wenn wir die Ziele erreichen wollen. Und jedes Gramm CO2, was ich einsparen kann, sollte ich auch jetzt einsparen, und nicht irgendwo auf die Zukunft verschieben.“
Über den Hinweis des Regierungspräsidiums, er könne seinen synthetischen Diesel doch einfach an Sportboote verkaufen, kann Kim Backhaus dagegen schon wieder lachen. Denn die verirrten sich dann doch eher selten an die Tankstelle in der Borsigallee.