Tafeln in Not

Immer mehr Menschen in Hessen und Rheinland-Pfalz haben so wenig Geld, dass sie auf Lebensmittelspenden angewiesen sind. Wichtigster Anlaufpunkt sind dabei die Tafeln: Dort erhalten Bedürftige fast kostenlos Obst, Gemüse, Fleisch oder Brot. Doch seit einiger Zeit geraten viele Tafeln zunehmend selbst in Not: Es fehlt an Spenden. Die Versorgung von Bedürftigen ist so oft kaum noch möglich.

Volker Hofmann kommt von einer Tour zurück. Der ehrenamtliche Mitarbeiter der Tafel in Gießen hat verschiedene Supermärkte in der Gegend angefahren, um aussortierte Lebensmittel einzusammeln. Die Ausbeute: Übersichtlich. Nur ein paar Kisten Obst und Gemüse sind es heute. Früher sei der Lieferwagen oft bis oben hin voll gewesen. Doch inzwischen würden immer mehr Supermärkte ihre Warenketten genauer kalkulieren – zum Verschenken bleibe da oft nur noch wenig.
Auch Dieter Kollar gehört zu den ehrenamtlichen Helfern der Tafel. Der 81-Jährige weiß genau, wie wichtig die Einrichtung für Menschen mit wenig Geld ist. Auch seine Rente reicht kaum zum Leben – er ist selbst auf Lebensmittelspenden angewiesen. Umso mehr schmerzt es ihn, dass das Angebot zurzeit oft so knapp ist.
Dieter Kollar, Mitarbeiter Tafel Gießen
„Ganz schlimm im Moment. Wir kriegen nicht so viel Ware, um die Nutzer zufrieden zu stellen. Das sehen Sie ja hier selber, dass die Kisten nur halbvoll sind gegenüber sonst. Da sind sie pickepackevoll.“
Auch die Qualität der Ware habe in letzter Zeit immer mehr nachgelassen: Oft landeten ganze Lieferungen direkt im Biomüll, weil die gespendeten Lebensmittel bereits verdorben seien.
Fleisch und Milchprodukte gibt es zurzeit fast gar nicht. Dabei sind die Tafel-Besucher für jede Hilfe dankbar. So wie Conny Kühn, die froh ist, dass sie heute zumindest etwas Obst und Gemüse mitnehmen kann.
Conny Kühn, Tafel-Kundin
„Die Tafel ist in dem Sinne für sie wichtig, weil ich mit der Rente und dem Gehalt meiner behinderten Tochter einfach nicht über die Runden komme. Und ich bin sehr dankbar, dass ich die Tafel in Gießen nutzen kann.“
Heute sei eigentlich ein guter Tag, sagt Anna Conrad: So viel Brot habe man zum Beispiel seit Tagen nicht mehr bekommen. Und auch das Lager für haltbare Waren sei wieder etwas voller als noch vor einer Woche. Und doch treibt die Leiterin der Gießener Tafel die Sorge weiter um.
Anna Conrad, Organisationsleiterin Tafel Gieße
„Auf der einen Seite haben wir gemerkt, dass wir sehr wenig Lebensmittel vom Einzelhandel bekommen, um überhaupt die 3.200 Menschen, die wir jede Woche versorgen, noch versorgen zu können. Auf der anderen Seite gab es viel mehr Menschen, die auf uns angewiesen waren. Wir haben eine höhere Anfrage gehabt, die kurzfristige Unterstützung von uns benötigt haben. Und dann haben wir auch gemerkt, dass auch bei uns die Spendengelder zurückgegangen sind, während wir aber mehr Kosten aufbringen müssen, damit überhaupt unsere Autos noch fahren können.“
Benzin, Heizung, Miete: Alles wird immer teurer. Dazu die Ausgaben für Hygieneartikel wie Handschuhe und seit Corona auch Schutzmasken für die rund 300 ehrenamtlichen Mitarbeiter – nicht nur der Gießener Tafel fällt es zunehmend schwer, die Kosten zu stemmen. Zumal die Spendenbereitschaft vieler Menschen seit Beginn der Corona-Krise ohnehin nicht mehr so groß sei – zudem spenden die Deutschen inzwischen mehr für die Ukraine. Natürlich will niemand hier, dass die Menschen in der Ukraine weniger Hilfe erhalten – aber ein Leben ohne die Tafel? Für Menschen wie Conny Kühn undenkbar.
Auch sie will der Gemeinschaft etwas zurückgeben, in dem sie die Tafel ehrenamtlich unterstützt.
Conny Kühn
„Meines Erachtens ist die Tafel in Gießen eine ganz tolle Einrichtung. Aber noch besser wäre es, wenn es die Tafel nicht geben müsste.“
Das würde hier wahrscheinlich jeder unterschreiben. Doch die Realität ist leider eine andere: Noch nie waren so viele Menschen auf die Tafeln angewiesen. Aufgrund der angespannten Wirtschaftslage könnte die Zahl der Bedürftigen in Zukunft sogar noch weiter steigen.