Streit um finanzielle Zukunft des UKGM

Von den Arztpraxen kommen wir jetzt zum Universitätsklinikum Gießen und Marburg. 2006 hat es das Land Hessen zu 95 % an die Rhön-Klinikum AG verkauft. Doch diese Privatisierung ist bis heute umstritten. Derzeit machen sich viele Mitarbeiter des Universitätsklinikums große Sorgen um ihre berufliche Zukunft. Auch wenn ein Personalwechsel jetzt neue Hoffnung macht.

Die Rhön-Klinikum AG, die das Universitätsklinikum Gießen und Marburg betreibt, bekommt am 1. November einen neuen Chef. Der bisherige Vorstandsvorsitzende Christian Höftberger räumt seinen Platz, um nach eigener Aussage „Raum für neue Impulse zu schaffen.“ Nachfolger wird Tobias Kaltenbach, der als erfahrener Krankenhausmanager gilt. Er soll einen Streit beenden, der das Universitäts-klinikum nach Ansicht der Klinik-Direktoren inzwischen in höchste Not gebracht hat.
Statement von Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Howaldt und Prof. Dr. med. Hinnerk Wulf, Klinikdirektoren Gießen und Marburg: „Das Universitätsklinikum Gießen und Marburg hat sich in den letzten zwei Jahren von einem wirtschaftlich, klinisch und wissenschaftlich sehr erfolgreichen Universitätsklinikum zu einem Unruheherd und Ort größter Besorgnis entwickelt. Es ist nicht übertrieben, von einer existentiellen Bedrohung mit Verlust einer realistischen Zukunftsperspektive zu sprechen.“
An dem Streit sind zwei Schwergewicht beteiligt: Auf der einen Seite die Rhön-Klinikum AG, die inzwischen vom Konzern Asklepios übernommen wurde. Auf der andere Seite das Land Hessen, dem noch 5 % des Universitätsklinikums Gießen und Marburg gehören. Konkret geht es um die Frage: Mit wieviel Geld wird das Land das UKGM in den nächsten Jahren unter-stützen? Und darf die Rhön-Klinikum AG betriebs-bedingte Kündigungen aussprechen und bestimmte Bereiche auslagern? Der Betriebsrat ist alarmiert, weil die die Zukunftsängste der Klinikmitarbeiter zu immer wütenderen Protesten führen.
Marcel Iwanyk, Betriebsrat UKGM: „Wenn sich zwei streiten leidet jetzt nicht der Dritte, sondern sogar die Belegschaft leidet und am Ende auch sogar die Patienten. Die Stimmung bei der Belegschaft ist komplett unten durch. Man hat zu den Problemen, die man hier eh schon im Alltag zu bewältigen hat, auch noch dieses riesengroße Problem der Ungewissheit: Wie geht’s denn ab dem nächsten Jahr weiter.“
Laut Betriebsrat denken inzwischen immer mehr Klinikmitarbeiter über eine Kündigung nach. Thomas Busse ist Gesundheitsökonom und befasst sich mit dem Verhältnis zwischen guter medizinischer Versorgung und Wirtschaftlichkeit. Er betrachtet das Konzept, dass ein privates Unternehmen ein Universitätsklinikum betreibt, mit Skepsis.
Prof. Thomas Busse, Gesundheitsökonom: „Gerade wissenschaftliche Themen und auch medizinische Themen sind eben teilweise ökonomisch nicht abbildbar. Und ein privater Betreiber muss natürlich eine Rendite erzielen, das ist auch normal und das kann man ihnen auch nicht vorwerfen.“
Der Experte rechnet damit, dass die Verhandlungen über staatliche Unterstützung, Kündigungen und Outsourcing weiterhin schleppend verlaufen werden. Doch seiner Ansicht nach gibt es dazu keine Alternative.
Prof. Thomas Busse, Gesundheitsökonom: „Eine Rückführung an das Land Hessen halte ich für sehr unwahrscheinlich im Augenblick. Das Land Hessen will das nicht. Nicht umsonst haben sie die Klinik damals privatisiert. Auch der private Betreiber will das nicht. Das wäre ja eine große Niederlage für ihn auf dem Betreibermarkt. (…) Auch wirtschaftlich wäre das sehr aufwendig, juristisch wäre es Neuland.“
Hoffnung macht, dass sich jetzt auch auf Seiten des Landes ein neuer Mann an den Verhandlungen beteiligt. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein hat angekündigt, sich mit den Streitfragen zu beschäftigen. Doch bis am Universitätsklinikum Gießen und Marburg wieder Ruhe einkehrt, dürfte noch einige Zeit vergehen.