Streit über Verkehrsprojekt „MoVe 35“ in Marburg

In Marburg gibt es für viele zurzeit nur ein Thema: Das neue klimaschutzorientierte Verkehrskonzept „MoVe 35“ mit dem Ziel, den Autoverkehr in der Stadt auf die Hälfte zu reduzieren und gleichzeitig die Situation von Radfahrern, Fußgängern und ÖPNV deutlich zu verbessern. Seit vergangenem Freitag ist das Konzept beschlossene Sache. Doch es gibt auch Gegenwind.

Besonders autofahrerfreundlich ist Marburg schon lange nicht mehr: Bereits vor Jahren hat die Stadt viele Verkehrsadern mit Rad- und Busspuren versehen. Es gibt Straßen nur für Fahrräder und Einbahnstraßen, die von Radfahrern entgegen der Fahrrichtung genutzt werden dürfen. Und die historische Oberstadt ist ohnehin seit Jahrzehnten autofreie Zone. Mit „MoVe 35“ könnte sich die Lage für Autofahrer in der Universitätsstadt noch einmal drastisch verschlechtern: So soll etwa die wichtigste Hauptverkehrsachse der Stadt, die Biegenstraße, für Autos künftig zur Einbahnstraße werden – Parkplätze soll es hier nicht mehr geben. Ein umstrittenes Konzept.
Alexa Schlosser: „Mir ist das jetzt innerhalb der letzten drei Wochen schon fünfmal passiert, dass ich fast umgefahren wurde, obwohl ich auf dem Fahrradweg gefahren bin. Also, die Spuren sind einfach teilweise nicht breit genug.“
Martha Henkel: „Ich finde das nicht besonders gut. Wir kommen hier aus dem Landkreis. Sind hier auf Fachärzte angewiesen. Und müssen also meistens mit dem Auto hierher fahren. Wir müssen ja irgendwie zum Arzt kommen. Und wenn hier kein Parkplatz ist, dann werden wir in Zukunft wohl ein Lastenrad buchen müssen.“
Wulf Hahn: „Ich finde dass das MoVe35 genau das richtige Verkehrskonzept ist für Marburg, damit wir unsere Klimaschutzziele einhalten können.“
„MoVe 35“ – eine Kampfansage der Stadt Marburg an das Auto, um das Klima zu retten? Nein, sagt Oberbürgermeister Thomas Spies – es handele sich dabei viel mehr um ein Konzept, das den Verkehr in Marburg erstmals ganzheitlich denke.
Thomas Spies, SPD, Oberbürgermeister Marburg: „In den letzten Wochen haben viele Menschen den Eindruck gewonnen, es ginge gegen Autos. Das ist aber falsch. Da steht ausdrücklich drin: Auch in Zukunft kann jeder, der will oder gar muss, mit dem Auto in die Stadt kommen. Aber wir wollen es attraktiver machen, Alternativen zu finden. Und wir wollen dafür sorgen, dass die Mobilität in der Stadt insgesamt für alle, auch für die, die kein Auto haben oder sich kein Auto leisten können, besser wird.“
Das sieht die Marburger CDU ganz anders: Das von der linksgrünen Parlamentsmehrheit in aller Eile durchgepeitschte Verkehrskonzept „MoVe 35“ sei in erster Linie ideologisch geprägt.
Dirk Bamberger, CDU, Parteivorsitzender Marburg: „Es gibt nur ein Thema: Und das ist eine ganz klare Haltung gegen das Auto. Es ist der Kulturkampf gegen das Auto. Und um nichts anderes geht es in diesem Konzept.“
So sehe das Konzept zunächst die schnelle Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt vor, ohne gleichzeitig das Alternativangebot zu stärken – etwa durch den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs oder den Bau neuer Parkhäuser am Stadtrand.
Dirk Bamberger, CDU, Parteivorsitzender Marburg: „Das wird dann auch Marburg als Einzelhandelsstandort deutlich unattraktiver machen. Denn die großen Einzelhandelsunternehmen hier in der Stadt, die Kaufhäuser, die Shopping Malls, die leben von den Kundinnen und Kunden, die von außen nach Marburg in die Stadt kommen mit dem Auto. Die Erhebungen dazu sind da. Und die Bürgerinnen und Bürger, die wollen weiterhin mit dem Auto in die Stadt kommen, um ihre Einkäufe zu erledigen.“
Droht die Marburger Innenstadt durch „MoVe 35“ also zum Biotop zu verkommen? Nein, sagt der Oberbürgermeister: Schließlich ginge es nicht darum, die Zahl der Autos in der Stadt zu halbieren, sondern lediglich die Zahl der Autofahrten. Und da gäbe es vor allem innerhalb Marburgs ein großes Potential.
Thomas Spies, SPD, Oberbürgermeister Marburg: „Wenn Sie Sonntagmorgen 800 Meter zum Bäcker mit dem Auto fahren, ist das ein Weg. Und wenn die alleinerziehende Mutter von einem kleinen Ort außerhalb Marburgs morgens zur Arbeit fahren muss, ist das auch ein Weg. Der eine Weg – 800 Meter morgens zum Bäcker – da kann man Alternativen finden.“
Wann genau die Umbaumaßnahmen losgehen sollen, steht noch nicht fest. Unterdessen lässt die Marburger CDU noch einmal juristisch prüfen, ob die Stadt die Bürger bei den Planungen ausreichend beteiligt hat – und ob sich das Projekt nicht vielleicht doch noch irgendwie kippen lässt.