SPD und Union wollen eine Regierungskoalition anführen

Die SPD ist also der Wahlsieger, liegt aber nur ganz knapp vor der Union. Auch in Hessen und Rheinland-Pfalz haben die Parteien gestern den Wahlabend natürlich mit Spannung verfolgt. Wir haben die Reaktionen.

Bei der Mainzer CDU gibt‘s gestern Abend verhaltenen Jubel zur ersten Hochrechnung, da liegen Union und SPD noch gleichauf. Bei der Wahlparty der Roten dagegen begeisterter Beifall, hier freut man sich über die hohen Zugewinne im Vergleich zur letzten Wahl.
Roger Lewentz (SPD), Parteivorsitzender Rheinland-Pfalz: „Die Stimmung ist sehr sehr gut. Bei uns schießen die Balken nach oben, bei der CDU fallen sie tief in den Keller – auch hier im Land. Und das zeigt einfach, wir haben mit Olaf Scholz den Mann, den die Deutschen im Bundeskanzleramt sehen wollen!“
Selbstbewusstes Auftreten bei den Sozialdemokraten – Wunden lecken bei der CDU. Die rheinland-pfälzischen Christdemokraten versuchen sich im Schönreden.
Julia Klöckner (CDU), Parteivorsitzende Rheinland-Pfalz: „Es ist ein Wechselbad der Gefühle sicherlich in diesem Wahlkampf gewesen. Für vor allen Dingen Union aber auch SPD und eines ist klar – und da freue ich mich drüber – dass eine linke Regierung, dass quasi rot-grün-rot nicht möglich ist. Das war eines unserer Ziele.“
Ein anderes Ziel; die Wahl gewinnen. Das hat die CDU jedoch nicht geschafft. Doch trotz der unterschiedlichen Ausgangssituation, sowohl die CDU als auch die SPD haben jetzt eine Machtoption. Möglich und auch wahrscheinlich sind ein Jamaika-Bündnis unter Führung der CDU oder eine SPD geführte Ampelkoalition. Olaf Scholz bekräftigt heute deshalb nochmal seinen Anspruch Kanzler der Bundesrepublik werden zu wollen.
Olaf Scholz (SPD), Kanzlerkandidat: „Alle Parteien, die hier Erfolge bei der Wahl hatten sind Parteien, die schon miteinander regiert haben in der Geschichte, die es gegenwärtig tun in einzelnen Bundesländern und klar ist auch, dass niemand an dem Votum der Wählerinnen und Wähler ohne Schaden vorbeigehen kann. Und das ist schon sehr deutlich, dass viele sich wünschen, dass wir diese nächste Regierung bilden.“
Armin Laschet sieht dagegen kein klares Votum für die SPD. Die CDU stehe ebenfalls für Koalitionsgespräche bereit.
Armin Laschet (CDU), Kanzlerkandidat: „Keiner sollte so auftreten, als wenn er alleine entscheiden könnte, wie er eine Regierung bildet. Kanzler wird in Deutschland der, der eine Mehrheit im Deutschen Bundestag hinter sich bringt. So ist unsere Verfassung, so ist unsere Staatspraxis seit Gründung unseres Landes. Und Kanzler kann auch nur der werden, dem es gelingt Gegensätze zu verbinden und ein gutes gemeinsames Projekt für die nächsten vier Jahre zu entwickeln.“
Auch die hessische CDU sieht die Christdemokraten nicht automatisch in der Opposition. Auch als zweitstärkste Partei könne man den Kanzler stellen.
Manfred Pentz (CDU), Generalsekretär Hessen: „Sowohl Willy Brandt als auch Kanzler Schmidt haben das getan. Übrigens mit einer viel höheren Differenz; nämlich 3,6 und 6 Prozent. Von daher lasse ich mich auf die Diskussionen mit den Sozialdemokraten in dieser Frage nicht ein.“
Trotzdem; der Wahlsieger heißt SPD. Und, dass eine Ampelregierung gut funktionieren kann, lebt Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz vor. Sie soll deshalb bei den Sondierungen mit am Verhandlungstisch sitzen.
Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz: „Ich glaube das Votum der Bürgerinnen und Bürger ist sehr klar und das hängt ja vor allem auch damit zusammen, dass ganz klar bei der Kanzlerfrage die Bürgerinnen und Bürger sich sehr sehr – mit großer Mehrheit – für Olaf Scholz entscheiden. Und das kann man – finde ich – nicht einfach ignorieren.“
Nur in einem sind sich Schwarz und Rot einig: Sie wollen nur das Beste für das Land. Und das möglichst schnell – am besten noch vor Weihnachten. Doch der Koalitionspoker, er hat gerade erst begonnen.
Interview mit dem Politikwissenschaftler Dr. Eike-Christian Hornig:
Eva Dieterle: „Ja, es gibt viel zu analysieren und dafür habe ich mir Unterstützung geholt live bei mir im Studio ist jetzt Dr. Eike Christian Hoheneck. Schön, dass Sie hier sind. Hallo, ich grüße Sie. Ich möchte starten mit dem Wahlgewinner, mit der SPD. Wer hätte das gedacht? Noch vor zwei Monaten lag die Partei in den Umfragen bei gerade mal 15 Prozent. Was ist da passiert?“
Dr. Eike-Christian Hornig, Politikwissenschaftler: „Totgesagte leben länger. Die SPD hat offensichtlich gut gearbeitet. Sie hat sehr professionell eine Kampagne gemacht. Sie hat sehr früh den Kanzlerkandidaten aufgestellt. Die internen Streitigkeiten, die es ja gab, also Nominierung der Parteispitze, Scholz sollte ja nicht Parteivorsitzender werden, wurden beigelegt. Das alles hinten anzustellen und sich sehr auf die Wahl zu konzentrieren. Und die SPD hat auch davon profitiert, dass ihr Kernthema „Soziale Gerechtigkeit“ in den letzten Wochen des Wahlkampfs wieder eine große Rolle gespielt hat. Eigentlich ging es ja viel ums Klima und man sagte, dass ist das dominierende Thema. Aber wenn man genau hingeguckt hat, ging es sehr viel um soziale Sicherheit und da ist die SPD natürlich sehr stark. Davon hat sie profitiert. Und auch ihr Kandidat Olaf Scholz hat sehr überzeugende Persönlichkeitswerte gehabt. Und am Ende muss man auch sagen, die SPD hat sicherlich auch ein bisschen davon profitiert, dass die CDU ein bisschen rumgestolpert ist, in ihren Kampagnen Fehler gemacht hat. Und am Ende ist es, glaube ich, ein sehr starkes Ergebnis für die SPD.“
Eva Dieterle: „Schauen wir auf den Verlierer des Abends und das ist die Union. Was ist dafür der Hauptgrund?“
Dr. Eike-Christian Hornig, Politikwissenschaftler: „Es sind verschiedene Gründe. Aber ich glaube tatsächlich, dass die Union von Anfang an nicht in Tritt gekommen ist mit ihrem Wahlkampf. Also schon die Nominierung von Herrn Laschet ist problematisch gewesen. Es gab enorme Streitigkeiten in der Partei mit der CSU. Also auch da gab es kein überzeugendes Bild an die Wählerinnen und Wähler. Das ist unser Mann, hinter dem stehen wir alle. Das hat schon mal gefehlt. Dann hat er in der Kampagne auch persönliche Fehler gemacht. Das darf man jetzt nicht zu hoch hängen. Aber Fehler sind Fehler. Und aus meiner Beobachtung hat auch ein richtiges Siegerthema gefehlt. Warum soll man die Union wählen? Auf der einen Seite hat man Ewigkeiten regiert, das ist sozusagen die Kontinuität und das musste als gut verkaufen werden. Auf der anderen Seite wollte man auch einen Neuanfang signalisieren. Das zusammenzubringen ist sehr schwer gewesen.“
Eva Dieterle: „In Hessen und Rheinland-Pfalz hat die CDU etliche Direktmandate an die SPD verloren. Auch die Spitzenkandidatin Julia Klöckner und Helge Braun mussten sich in ihren Wahlkreisen der SPD geschlagen geben. Was bedeutet das für die hessische CDU, die ja in zwei Jahren Landtagswahl hat?
Dr. Eike-Christian Hornig, Politologe: „Das ist immer ein schlechtes Zeichen. Also wenn gerade populäre Personen wie Helge Braun, der ja auch eine wichtige Rolle spielt in Berlin und der immer wieder genannt wird bei einer möglichen Nachfolge von Volker Bouffier, wenn er das Direktmandat nicht gewinnt. Auf der anderen Seite kann man sagen ok, das ist auch kein Beinbruch. Er ist darüber hinaus noch Mitglied des Deutschen Bundestages und inzwischen sehr bekannt und er hat auch gute persönliche Werte. Aber es ist für eine Partei, für eine Landespartei, auch immer wichtig, in Berlin gut repräsentiert zu sein. Gut in der Fraktion vertreten zu sein, um da eben auch die Interessen des Landes artikulieren zu können. Insofern ist das schon ein relativ schwerer Schlag.“
Eva Dieterle: „Kommen wir noch mal zu Armin Laschet. Er will ja trotz des Wahlergebnisses in einer Jamaika-Koalition Kanzler werden. Wie bewerten Sie das?“
Dr. Eike-Christian Hornig, Politologe: “ Also ich glaube, da ist gerade ganz viel im Fluss. Wir haben es ja heute gesehen in dem Beitrag, dass in der CDU sehr gerungen wird. Es gibt keine klare Linie und das ist problematisch. Die CDU hat sich angeboten für die Jamaika-Koalition. Man kann sagen, inhaltlich gibt es für das eine, wie das andere Gründe. Was vielleicht persönlich bei Laschet eine Rolle spielt, sind seine seit Jahren gepflegten guten Beziehungen zu den Grünen, also zu Cem Özdemir. Ganz konkret: Man kennt sich seit langem. Und dass Laschet natürlich auch als Persönlichkeit eher jemand ist, der zusammenbringt, der so ein bisschen ein Moderator ist, der ein Versöhner ist. Er könnte schon so eine Jamaika-Koalition als Persönlichkeit zusammenhalten. Aber das liegt jetzt eigentlich nicht in seinen Händen.“
Eva Dieterle: „Jetzt hat die rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Ellen Demuth bereits gefordert, dass Armin Laschet zurücktreten soll. Überrascht Sie das? Oder war das doch eher absehbar?“
Dr. Eike-Christian Hornig, Politologe: „Das überrascht mich eigentlich nicht, weil in der Union ist extrem viel Unruhe drin. Und das ist kein Wunder nach so einer Niederlage. Man hat extrem viel verloren. Ob man die Macht verliert, dass wird sich noch zeigen. Aber es ist große Unruhe drin und die Partei ist in einem Selbstfindungsprozess. Frau Demuth ist daran beteiligt gewesen. Sie war im Team Röttgen, beim Wettbewerb um den Parteivorsitz. Also da reiben sich gerade enorme Kräfte in der Partei. Und deswegen ist es natürlich auch schwer für Laschet, sich auf die Bühne zu stellen und sagen: Wir als Union machen jetzt dies und das.“
Eva Dieterle: „Entscheidend für eine Regierungsbildung sind vor allen Dingen auch zwei weitere Parteien: Grüne und FDP. Und das schauen wir uns jetzt an.“