„Sommermärchen“-Prozess gegen ehemalige DFB-Präsidenten

Was geschah wirklich rund um das Fußball-Sommermärchen 2006 und die WM hier bei uns in Deutschland? Diese Frage beschäftigt einmal mehr die Justiz. Seit heute müssen sich die früheren DFB-Topfunktionäre Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst Schmidt vor dem Frankfurter Landgericht verantworten. Sie sollen die Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den inzwischen verstorbenen Leiter des WM-Organisationskomitees, Franz Beckenbauer, bewusst falsch als Betriebskosten deklariert haben. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall.

Es ist vermutlich der letzte Akt rund um das Fußball-Sommermärchen 2006: Auf der Anklagebank nicht nur der ehemalige Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bunds, Horst Schmidt, als Hauptangeklagter – sondern auch die beiden ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach. Sie sollen nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft im Jahr vor der Weltmeisterschaft gemeinschaftlich 6,7 Millionen Euro an den Fußball-Weltverband FIFA in die Schweiz überwiesen haben. Angeblich, um damit einen finanziellen Beitrag zu einer geplanten FIFA-Gala zum WM-Auftakt in Berlin zu leisten.
Dominik Mies, Sprecher Staatsanwaltschaft Frankfurt
„Diese Gala fand jedoch nie statt. Und die Ermittlungen haben ergeben, dass diese vermeintliche Betriebsausgabe vielmehr der Ablösung eines privaten Darlehens des zwischenzeitlich verstorbenen Franz Beckenbauer gedient hat. Und das ist aus unserer Sicht dann offensichtlich keine Betriebsausgabe.“
Dass es sich bei den 6,7 Millionen Euro mutmaßlich um Bestechungsgeld für einen FIFA-Funktionär handelte, das die Vergabe der WM nach Deutschland überhaupt erst möglich machte, spielt in dem Verfahren vor dem Frankfurter Landgericht keine Rolle. Doch auch in punkto Steuerhinterziehung sind sich die drei angeklagten DFB-Größen keiner Schuld bewusst.
Theo Zwanziger, DFB-Präsident 2006 – 2012
„Ich habe den Eindruck, dass die Vertreter der Anklage sehr wohl wissen, dass sie auf sehr dünnem Eis sind. Und dass es einen Freispruch geben kann und geben wird für alle drei Angeklagten.“
Gleich zum Prozessauftakt beantragt die Verteidigung von Wolfgang Niersbach heute, das Verfahren komplett einzustellen. Zum einen, weil es schlichtweg keine Steuerhinterziehung gegeben habe – zum anderen, weil sich die drei ehemaligen Spitzenfunktionäre im Jahr 2020 bereits wegen desselben Vorwurfs vor dem Schweizer Bundesstrafgericht hätten verantworten müssen. Dass Zwanziger, Niersbach und Schmidt nun erneut vor Gericht stünden, sei wohl vor allem ihrer Prominenz geschuldet.
Dominik Mies, Sprecher Staatsanwaltschaft Frankfurt
„Wir sehen das definitiv anders. Wir haben einen hinreichenden Tatverdacht bejaht. Und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat uns diesbezüglich auch zweimal in aller Deutlichkeit Recht gegeben. Und vor diesem Hintergrund vor einem etwaigen willkürlichen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden zu sprechen, ist wirklich bemerkenswert.“
Im Gegensatz zu Wolfgang Niersbach und Horst Schmidt fordert Ex-Präsident Theo Zwanziger keine Einstellung des Verfahrens: Er sei gespannt auf die vermeintlichen Beweise der Strafverfolgungsbehörden – denn die könne es gar nicht geben.
Theo Zwanziger, DFB-Präsident 2006 – 2012
„Es ist nicht so, dass man, wenn man eine Robe trägt, von Vornherein im Besitz der Wahrheit ist.“
Die Staatsanwaltschaft ist jedoch von der Schuld der drei Angeklagten überzeugt – und hält ihnen lediglich zu Gute, dass sich bei der mutmaßlichen Steuerhinterziehung keiner der drei selbst bereichert habe.
Für das komplizierte Steuerverfahren gegen die drei Ex-Funktionäre sind zunächst 24 Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil könnte dann Ende Oktober fallen.