Schulprojekt gegen Fachkräftemangel

Während der Fachkräftemangel weiter gravierend zunimmt, beginnen immer weniger Jugendliche nach ihrer Schulzeit eine Ausbildung. Ein Teufelskreis, dem eine Schule im hessischen Haiger nun ein Projekt entgegenstellt: Dort können Schüler langfristig in Ausbildungsbetriebe reinschnuppern.

Luca Goldbach, 15 Jahre jung. Vormittags drückt er in Haiger die Schulbank, nachmittags geht‘s zu einem Maschinenhersteller. Löten, tüfteln, hier kann der Realschüler seine individuellen Stärken kennenlernen. Zwar nur einmal pro Woche für anderthalb Stunden, dennoch hat Luca in den vergangenen zwei Monaten schon einen besseren Eindruck gewonnen als etwa in seinem vorigen Schulpraktikum im IT-Bereich.
Luca Goldbach, Realschüler
„Es war ein sehr schönes Praktikum, aber ich habe gemerkt: IT, den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen, das ist nichts. Für mich ist etwas was, das mit Handwerk zu tun hat. Hier lernst du schon mehr als in einem Praktikum, weil du insgesamt auf viel mehr Stunden kommst.“
„Schule Plus“ nennt sich das Projekt der Johann-Textor-Gesamtschule. Die Idee hatte Stufenleiter Alexander Schüler: Er hatte die Schüler vorher gefragt, warum sie vor einer Ausbildung zurückschrecken. Die Antwort war fast immer die gleiche.
Alexander Schüler, Stufenleiter Johann-Textor-Schule
„Eine Berufsausbildung stellt etwas relativ Unbekanntes dar und ist dann so ein bisschen diffus in der Vorstellung der Schüler. Und die Erfahrung zeigt, seit wir das Projekt machen, kommen die Schüler in den Firmen an. Die verlieren die Angst und können dann sehr gut ihre Ausbildung antreten.“
Während das Projekt vor zwei Jahren noch mit zehn Schülern anfing, nehmen inzwischen über 130 teil, die in 60 Unternehmen rund um Haiger untergebracht sind. Teilnehmen dürfen nur Betriebe, die den Schülern nach ein bis zwei Jahren Reinschnuppern auch einen Ausbildungsvertrag anbieten können. Die Betriebe erhoffen sich mehr Zuwachs: Nach jüngsten Studien könnten in vier Jahren hessenweit über 200.000 Fachkräfte fehlen. Ausbildungsleiter Kevin Krüger merkt schon jetzt, dass die jungen Projektteilnehmer besser vorbereitet sind als frühere Bewerber.
Kevin Krüger, Ausbildungsleiter Siemag Tecberg
„Ich habe in vielen Bewerbungsgesprächen festgestellt, dass halt einfach noch die Perspektive fehlt. Die jungen Leute wissen noch gar nicht, was sie lernen sollen. Ich denke, die Abbrecherquote wird dadurch auch geringer und dementsprechend wird gezielter und besser ausgebildet.“
Das Projekt zeigt erste Erfolge: Der heute 16-jährige Ferris hat bei „Schule Plus“ beim Maschinenbauer reingeschnuppert, vor zwei Monaten hat er hier seine Ausbildung zum Mechatroniker begonnen.
Ferris Lang, Auszubildender
„Der Vorteil ist, dass man schon mal ein bisschen ins Arbeitsleben reinkommt. Und nicht quasi ins kalte Wasser springt. Dass du eben schon mal lernst, zu Arbeiten. Dass es eben auch anders als Schule ist.“
Umgekehrt kommen die Azubis des Maschinenbauers an die Schule, um den Schülern Programme für den 3D-Druck zu zeigen. Das Projekt spricht sich herum, kommende Woche soll „Schule Plus“ in Berlin mit einem bundesweiten Unternehmerpreis ausgezeichnet werden. Nun wollen sich noch mehr Schulen und Unternehmen an dem Projekt in Haiger beteiligen.