Schuldenübernahme nur mit Verfassungsänderung
Rheinland-Pfalz und seine verschuldeten Kommunen – das ist seit Jahren eine Never Ending Story. Nirgendwo ist die Pro-Kopf-Verschuldung der Kommunen höher. Das Land will nun mehrere Milliarden Euro dieses Schuldenbergs übernehmen und dafür sogar die Landesverfassung ändern. Ungewohnte Einigkeit herrschte heute darüber im Mainzer Landtag, alle Fraktionen außer der AfD sind für die Gesetzesänderung. Doch nicht nur von dort gibt es Kritik und Skepsis an der geplanten Schuldenübernahme.
Deutschlands Schulden-Schlusslicht ist Pirmasens. Die Pro-Kopf-Verschuldung liegt bei fast 10.000 Euro, rund eine halbe Milliarde Euro beträgt der Schuldenstand. Eine Ursache: Pirmasens schultert Aufgaben von Bund und Land, ohne dafür einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, so urteilte der Verfassungsgerichtshof in Koblenz Ende 2020. Jetzt sollen die Kommunen entlastet werden, auch Pirmasens.
Markus Zwick, CDU, Oberbürgermeister Pirmasens: „Dafür haben wir sehr lange gekämpft. Und ganz konkret würde das für Pirmasens bedeuten, dass Schulden in Höhe von 350 Millionen Euro für Kassenkredite, das ist so eine Art Dispokredit für die Städte, uns von den Schultern genommen würden. Eine Schuldenlast, die uns hier in Pirmasens fast erdrückt.“
Insgesamt drei Milliarden Euro kommunaler Schulden möchte das Land übernehmen. Ein Viertel der Gesamtschuldenlast. Ein weiteres Viertel soll der Bund übernehmen. Um diese Entlastung möglich zu machen, plant das Land eine Änderung der Schuldenbremse, die die Aufnahme neuer Schulden eigentlich per Gesetz verbietet. Der Landesrechnungshof hat Bedenken.
Jörg Berres, Präsident Rechnungshof Rheinland-Pfalz
„Die Übernahme der kommunalen Schulden führt zu einer massiven Neuverschuldung des Landes und damit auch zu einer Umgehung der Schuldenregel. Aus Sicht des Landesrechnungshofs ist das mit dem Gesetz nicht vereinbar.“
Verfassungsbruch mit Ansage? So sieht es auch der Bund der Steuerzahler. Besser sei es, die Schulden aus dem zuletzt erwirtschafteten Haushaltsüberschuss von zwei Milliarden Euro zu tilgen.
René Quante, Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz
„Das wäre ja schon eigentlich zwei Drittel der Entschuldungssumme. Wir haben eine Haushaltsrücklage, die jetzt auch auf fast zwei Milliarden Euro aufgestockt wird. Das heißt, man kann die Kommunen mit echtem Geld entschulden, vielleicht nicht auf einen Schlag, vielleicht braucht man dafür zwei, drei Jahre. Aber wir brauchen kein Hütchenspiel mit den Schulden.“
Doch in der zweiten Beratung heute im Landtag war sich das Parlament weitgehend einig: An der Verfassungsänderung für die Schuldenübernahme soll festgehalten werden. Ministerpräsidentin Dreyer möchte die Kommunen zudem mit 250 Millionen Euro in Form eines Klima- und Innovationsprogramms unterstützen.
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Mit der Neuordnung der kommunalen Finanzen durch das Entschuldungsvorhaben, verbunden mit der Reform des kommunalen Finanzausgleichs und begleitend durch das Investitionsprogramm, denke ich und bin fest davon überzeugt, dass auch Kommunen langfristig die besten Chancen haben, die Zukunft gemeinsam zu gestalten, gemeinsam mit dem Land.“
Kurzfristig entscheidet die Landesregierung heute, die geplante Teilentschuldung der Kommunen mit einer Tilgungspflicht zu verbinden. Das stößt der AfD sauer auf, die als einzige Fraktion nicht für die Gesetzesänderung stimmen will und sich vorbehält, diese gerichtlich überprüfen zu lassen.
Iris Nieland, AfD, Abgeordnete Landtag Rheinland-Pfalz
„Wir reden hier nicht über die Geschäftsordnung des Gartenzwergvereins Südwest. Nein, wir reden hier über das wichtigste Dokument in diesem Land, über die Grundlage unserer Demokratie. Was hier geschieht, ist respektlos gegenüber der Verfassung und es ist eine Missachtung des Parlaments. Hier wollen Sie etwas im Schweinsgalopp durchpeitschen und das ohne ausreichenden Raum zur Beratung.“
Zu den Vorwürfen äußert sich die Ministerpräsidentin heute nicht. Morgen soll endgültig über die geplante Verfassungsänderung abgestimmt werden. Sie würde viele Kommunen finanziell entlasten und Pirmasens wäre möglicherweise schon bald den zweifelhaften Titel als Schulden-Schlusslicht Deutschlands los.