Schulbeginn in Hessen und Rheinland-Pfalz

Für mehr als eine halbe Million Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz hat heute das neue Schuljahr begonnen. Das sind rund 15.000 Schüler mehr als im vergangenen Schuljahr – der höchste Zuwachs seit 17 Jahren. Und auch in Hessen war heute Schulstart für knapp 790.000 Schüler. Dazu im Studio: Kultusminister Alexander Lorz.

Für mehr als eine halbe Million Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz hat heute das neue Schuljahr begonnen. Das sind rund 15.000 Schüler mehr als im vergangenen Schuljahr – der höchste Zuwachs seit 17 Jahren.
Bildungsministerin Stefanie Hubig erklärte dazu heute in Mainz, die Versorgung mit Lehrkräften in Rheinland-Pfalz sei gut. In diesem Schuljahr würden 1.550 Lehrkräfte neu eingestellt, zusätzlich seien rund 750 neue Stellen geschaffen worden. Hubig zeigte sich heute erleichtert darüber, ohne Corona-Einschränkungen in dieses Schuljahr starten zu können. Flächendeckende Schulschließungen solle es nicht mehr geben.
Stefanie Hubig, SPD, Bildungsministerin Rheinland-Pfalz
„Wenn wir jetzt im Herbst eine veränderte Situation bekommen, dann kann es nicht bedeuten, dass die Schulen wieder als erstes testen und Masken haben, sondern das kann nur einhergehen mit der gesamten Gesellschaft. Das heißt, wenn in der gesamten Gesellschaft mehr Masken getragen werden müssen, dann folgen auch die Schulen entsprechend aber wir wollen nicht mehr zusätzliche Einschränkungen und Beschränkungen für die Schulen haben.“

 

Und auch in Hessen war heute Schulstart für knapp 790.000 Schüler. Wir sprechen dem hessischen Kultusminister Alexander Lorz über die aktuellen Probleme und Herausforderungen der Schulen. Zuvor blicken wir an eine Integrierte Gesamtschule in Riedstadt, wo es zu Beginn des neuen Schuljahres hakt.
Kurz nach halb acht heute Morgen. Julia Schwäch ist auf dem Weg zur Martin-Niemöller-Schule in Riedstadt. Ab heute besucht sie die achte Klasse und freut sich darauf, ihre Freunde wiederzusehen. Doch auch Corona beschäftigt die 13-Jährige, die sich damit im letzten Schuljahr infiziert hat.
Julia Schwäch, Schülerin
„Ich habe Angst, dass vielleicht irgendwer aus dem Urlaub oder so Corona wieder mitbringt, und darauf habe ich nicht schon wieder Lust. Also, ich hätte mir gewünscht, dass vielleicht die ersten zwei Wochen noch mal Testpflicht oder Maskenpflicht oder irgendwie was ist, damit einfach es sicherer ist.“
Stattdessen gilt: Maske tragen und selbst testen auf freiwilliger Basis. Das Interesse daran hält sich in der Klasse 8b heute in Grenzen. Besser angenommen wird da schon der spielerische Einstieg ins neue Schuljahr. Einschränkungen sieht Lehrerin Vanessa Schwahn durch kleine Klassenzimmer, fehlende Ausstattung und einen wachsenden Förderbedarf von Schülern.
Vanessa Schwahn, Lehrerin Martin-Niemöller-Schule
„Oft ist ein Förderschullehrer für 20 Kinder zuständig. Das kann der gar nicht alles so in einer Woche leisten, dass wir Regellehrer dadurch entlastet werden.“
Bereits im nächsten Schuljahr könnten die räumlichen und personellen Kapazitäten der Schule erschöpft sein. „Entlastung durch Digitalisierung“ lautet eine Formel. Doch dafür fehlt Geld. Erst die Finanzierung durch Eltern ermöglicht nun die Anschaffung von Tablets für die fünften Klassen.
Martin Buhl, Leiter Martin-Niemöller-Schule
„Ich find’s wichtig, dass alle Schüler ein digitales Endgerät haben, ein Tablet. Weil das ist die Zukunft und so kann man Lernen unterstützen. Und es ist eine Frage der Bildungsgerechtigkeit, dass man das auch gleich handhabt im ganzen Land, und nicht ein finanziell gut ausgestatteter Schulträger finanziert das den Schülern. Und finanziell schwächere Schulträger, da stehen die Schüler leer da. Und da muss es einfach einheitliche Konzepte geben.“
Bessere Konzepte zum Umgang mit dem aktuellen Lehrermangel fordert der Verband Bildung und Erziehung Hessen, dem zufolge landesweit über 2000 Planstellen unbesetzt sind. Ein Problem vor allem an Grund- und Förderschulen und an Schulen im Rhein-Main-Gebiet.
Stefan Wesselmann, Vorsitzender Verband Bildung und Erziehung Hessen
„Da gibt es zwar seit Jahren den sogenannten Sozialindex – also, dass Schulen, die da in einem besonders belasteten Umfeld liegen, auch eine zusätzliche Lehrkräfteversorgung bekommen, auch eine ganz ordentliche. Aber was nutzt es mir an der Stelle, wenn ich diese Stellen dann nicht mehr durch Fachleute, nicht mehr durch voll ausgebildete Lehrkräfte besetzen kann? Wir haben in Hessen zwar die Studienplätze schon deutlich ausgeweitet, aber wir warten noch, dass die in den Schulen ankommen.“
Bis dahin fordert der Verband angemessene Übergangslösungen und attraktivere Rahmenbedingungen für den Lehrerberuf.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Jetzt begrüße ich live bei mir im Studio den hessischen Kultusminister Alexander Lorz. Guten Abend!
Alexander Lorz, CDU, Kultusminister Hessen: Schönen guten Abend.
Dieterle: Herr Lorz, für Sie sind es gerade aufregende, spannende Zeiten, auch ganz persönlich, denn morgen wird Ihre Tochter eingeschult. Wer ist denn aufgeregter? Sie oder Ihre Tochter?
Lorz: Also sie nimmt das erstaunlich gelassen für eine angehende Erstklässlerin, aber ich glaube, im Grunde Ihres Herzens, das ist ja schon ein ganz aufregender neuer Lebensabschnitt für jedes Kind, das jetzt morgen neu in die Schule kommt.
Dieterle: Dann lassen Sie uns jetzt über die Schule reden. Genauer gesagt starten wir mit der Lehrerversorgung. Und der Deutsche Lehrerverband kritisiert, dass bundesweit 40.000 Lehrer fehlen. Wie viele davon denn ganz konkret in Hessen? Ich hätte gerne Zahl.
Lorz: Also, ich weiß nicht, wo der Deutsche Lehrerverband seine Zahlen hernimmt, aber solche Zahlen sind sinnlose Spielereien. Das liegt einfach daran, weil Lehrerstellen die Währung sind, in der wir rechnen, aber gebraucht werden die Lehrerinnen und Lehrer natürlich vor allem für die Unterrichtsversorgung und die Unterrichtsversorgung macht heute nur noch einen Teil dessen aus, wofür wir Kräfte, pädagogisch ausgebildete Kräfte in den Schulen einsetzen. Wir brauchen sie für den Ganztag, wir brauchen sie für Inklusion, wir brauchen sie für Sprachförderung, wir brauchen sozialpädagogische Unterstützung, wir haben Zusatzangebote, die wir über den Unterricht hinaus in den Schulen machen, da würden wir uns an mancher Stelle in der Tat noch mehr grundständig ausgebildete Lehrkräfte wünschen. Die bilden wir auch aus, das dauert noch, bis sie in den Schulen angekommen sind, aber das ist keine Frage der Unterrichtsversorgung, womit das in der Öffentlichkeit ja meistens gleichgesetzt wird.
Dieterle: Ich möchte trotzdem nochmal bei den Zahlen bleiben, denn mit irgendwas müssen Sie ja auch Ihre Grundlagen schaffen. Wir haben gerade den Verband Bildung und Erziehung gehört, und die sagen, es fehlen 2.000 Planstellen in Hessen. Was entgegnen Sie da?
Lorz: Ich habe die gleiche Frage an den Verband Bildung und Erziehung. Wie kommt er auf diese Zahl? Wir haben die nicht, es wäre auch sinnlos, eine solche Zahl berechnen zu wollen. Wir haben 55.000 Lehrerstellen in Hessen insgesamt im Einsatz, davon brauchen wir 39.000 für den Unterricht, die anderen 16.000 sind für die Zusatzaufgaben, die ich eben aufgezählt habe, wo wir grundständig ausgebildete Lehrkräfte brauchen, aber auch nicht auf jeder dieser 16.000 Planstellen. Und deswegen geht es da auch um einen vernünftigen Mix aus pädagogisch gut qualifizierten Kräften zu finden.
Dieterle: Sie haben selbst gesagt, die Anforderungen steigen und auch Sie würden sich mehr Lehrer wünschen. Jetzt sagen Sie, das ist Panikmache, was die Verbände machen. Reicht das denn, um so auf die Sorgen von Lehrern, Eltern und den Verbänden zu reagieren?
Lorz: Nein, aber ich glaube, die Eltern, auch die Kolleginnen und Kollegen haben gesehen, heute am ersten Schultag, wir können die Versorgung sicherstellen. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns zurücklehnen und uns den Aufgaben nicht stellen würden. Wir haben Quereinsteigerprogramme für Menschen, die jetzt in den Lehrberuf kommen. Wir setzen beispielsweise auch Gymnasiallehrer im Grundschulbereich ein, um dort mögliche Lücken zu schließen. Wir müssen natürlich bei der Inklusion vielleicht ein bisschen kürzertreten, als wir wollen wegen der Förderschullehrkräfte, aber vor allen Dingen bilden wir aus. Seit 2017 haben wir um 50% beispielsweise im Grund- und Förderschullehramt die Ausbildungskapazitäten erhöht. Nur – es braucht sieben Jahre, bis eine Lehrerin, ein Lehrer dann tatsächlich im Schuldienst ankommt.
Dieterle: Herr Lorz, wir lassen das an dieser Stelle so stehen, wir wollen nämlich auch noch über Corona sprechen, Welche Regeln gibt es denn da im neuen Schuljahr in Hessen?
Lorz: Also, es gibt im Moment eigentlich keine verbindlichen Regeln, keine Pflichten im Sinne von Test- oder Maskenpflicht. Es gibt Angebote. Wir bieten beispielsweise Tests an, wir haben schon vor dem Schulbeginn Tests angeboten. Wir bieten jetzt in den ersten beiden Wochen drei Tests pro Woche an, danach zwei Tests pro Woche. Wir sorgen dafür, dass die Versorgung mit den notwendigen Materialien gewährleistet ist. Aber wir hoffen natürlich, dass wir möglichst ohne Pflichten, ohne verbindliche Einschränkungen durch den Winter kommen.
Dieterle: Im vergangenen Corona-Winter war ja Lüften das große Thema wegen Corona, in diesem Jahr gibt es die Energieknappheit und den Aufruf, zu sparen. Es ist eine sehr paradoxe Situation. Wie soll das an den Schulen funktionieren?
Lorz: Ja, wir haben da einen echten Zielkonflikt und müssen uns daher auch bis zu einem gewissen Grade entscheiden. Und die Kultusministerinnen und Kultusminister haben ganz klar dafür plädiert, dass die Schulen hier bevorzugt auch beliefert werden müssen, dass die Funktionstüchtigkeit der Schulen, das Offenhalten der Schulen Priorität genießen muss. Und das bedeutet auch, dass wir dort Energie einsetzen müssen, um gleichzeitig auch die Hygiene zu gewährleisten, aber eben auch den Unterricht abhalten zu können.
Dieterle: Können Sie denn Präsenzunterricht im neuen Schuljahr jetzt garantieren?
Lorz: Also, mit dem Garantieren, glaube ich, haben wir alle in den letzten Jahren der Pandemie gesehen, wer das unternimmt, der kann damit eigentlich nur auf den Bauch fallen. Aber ich werde alles dafür tun, dass wir den Präsenzunterricht beibehalten. Und ich bin auch zuversichtlich, dass uns das in diesem Winter gelingen wird.
Dieterle: Es sind bewegte Zeiten, Herr Lorz, vielen Dank, dass Sie heute zum Schulbeginn bei uns waren.
Lorz: Gern geschehen.