Rückbau nach gescheitertem Verkehrsversuch in Gießen
Durch Umbaumaßnahmen am Anlagenring in Gießen wollte die Stadt die Verkehrssicherheit für Radfahrer vor Ort erhöhen. Doch von Anfang an ist dieses Vorhaben auch auf Widerstand gestoßen. Und jetzt ist es amtlich: Der Verkehrsversuch ist gescheitert und damit viel Geld verschwendet.
1,7 Millionen Euro. Ausgegeben für Umbaumaßnahmen, die jetzt, keine drei Monate nach Spatenstich, wieder zurückgebaut werden müssen. Denn nach der Klage von zwei Anwohnern hat der Verwaltungsgerichtshof in Kassel nun entschieden: Die Stadt Gießen hat keine besonderen Umstände nachweisenen können, die einen Verkehrsversuch zwingend erforderlich machen – wie etwa eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Für Bürgermeister Alexander Wright, eine herbe Pleite:
Alexander Wright (Bündnis 90 / Die Grünen), Bürgermeister Gießen
„Es gibt dieses Gerichtsurteil und das akzeptieren wir und entsprechend gehen wir auch in den Rückbau jetzt. Aber für uns ist auch klar: So wie es vorher war, so kann es auch nicht wieder werden. Weil wir haben auch Bedarfe für die sichere Führung von Radverkehr.“
Um die Sicherheit für Radfahrer am Gießener Anlagenring zu erhöhen war der Plan, dass Autos – hier rot – den vierspuringen Anlagenring nur noch auf zwei Spuren und in nur einer Richtung befahren dürfen. Während den Radfahrern und Bussen – hier grün – zwei Spuren in beiden Richtungen zur Verfügung stehen sollten.
Dass dieser Versuch auf mehr als wackeligen Beinen steht, hat sich für die CDU Gießen bereits lange angekündigt.
Frederik Bouffier (CDU), Stellv. Vorsitzender CDU Gießen
„Wir haben es immer wieder betont, seit über zwei Jahren. Wir haben unterschiedlichste Vorschläge gemacht, wie man auch die verkehrliche Situation in der Stadt Gießen verändern könnte. Darauf wurde nicht eingegangen. Man hat immer wieder erklärt: Es braucht diesen Verkehrsversuch. Es ist eine Bankrotterklärung für die Koalition hier in der Stadt Gießen. Sie stehen vor den Scherben ihrer Politik.“
Denn spätestens im Juli, nach der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes gegen den Versuch hätte die Stadt aus Sicht der CDU Gießen die Notbremse ziehen müssen. Dennoch wurde weitergebaut. Der Bürgermeister mit einem Erklärungsversuch.
Alexander Wright (Bündnis 90 / Die Grünen), Bürgermeister Gießen
„Natürlich kann man aus dem Wissen, was man jetzt hat, Schlüsse ziehen, was man für die Zukunft anders macht. Wenn man sich das allerdings anschaut, was wir hier gestartet haben, dann war das auch juristisch Neuland. Für uns in Deutschland ist ein Verkehrsversuch dieser Größenordnung einmalig. Die Stadtverwaltung hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und auch ordentlich gearbeitet. Auch die jurisitsche Bewertung war die, dass es eine Chance gibt diesen Verkehrsversuch entsprechend durchzuführen.“
Die Gießener selbst sind geteilter Meinung zum gescheiterten Verkehrsversuch.
Annika Striepecke
„Ich als Fahrradfahrerin hätte mich wirklich drauf gefreut, das mal auszutesten. Es als Versuch zu sehen und zu schauen, wie die Stadt darauf reagiert. Ich find’s jetzt schade, dass es nicht geklappt hat.“Walli
„Die Häuser stehen und die Straßen sind auch fertig. Da kann man nicht viel ändern!“Katrin Rau
„Das muss doch vorher geplant werden, bevor man das Geld ausgibt, bevor man das alles in Auftrag gibt, ob das wirklich durchgeht oder nicht. Und das wurde wohl nicht gemacht und das ärgert mich unendlich. Weil so versucht man die Stadt fahrradfreundlicher zu machen, aber man versaut’s sich.“
Beim Verwaltungsgericht ist gerade erst ein weiterer Eilantrag gegen die Rückbaumaßnahmen eingegangen. Der Zwist geht also weiter.
Aber vorerst wird der Verkehrsversuch zurückgebaut. Die dafür anfallenden Kosten sind derzeit noch nicht abschätzbar. Klar ist nur: Der Rückbau wird Monate dauern.