Rhön-Klinikum AG stellt Einigung mit dem Land infrage

Es soll die große Rettung für die angeschlagenen Kliniken in Marburg und Gießen werden: Das Land Hessen will eine halbe Milliarde investieren. Doch nun geraten die Verhandlungen mit dem Klinikbetreiber ins Stocken. Das löst auch bei den Krankenhausmitarbeitern Sorgen aus.

Januar 2022: Landesregierung und Klinikbetreiber präsentieren eine gemeinsame Absichtserklärung. 450 Millionen Euro will das Land in den kommenden 10 Jahren in die Standorte Marburg und Gießen investieren. Doch der Teufel steckt im Detail: Ursprünglich wollten beide Seiten bis Ende Juni in einem Vertrag festhalten, wie das Geld genau investiert werden soll. Angesichts der einsetzenden Wirtschaftskrise gibt der private Betreiber Rhön-Klinikum AG nun aber bekannt, die Deadline nicht halten zu können.
Christian Höftberger, Vorstandsvorsitzender Rhön-Klinikum AG: „Die Realität ist eine andere geworden. Niemand hat im Januar damit gerechnet, dass eine Geldentwertung in dem Ausmaß eintritt, wie sie derzeit eintritt. Und wir können nicht sagen, wann diese Inflationsrate stoppt und wie wir am Ende der zehnjährigen Laufzeit dastehen.“
Diese Ankündigung sorgt im hessischen Landtag für Irritationen. Die verhandlungsführende Wissenschaftsministerin Angela Dorn befürchtet, die AG wolle den Vertrag ganz platzen lassen.
Angela Dorn (Bündnis 90 / Die Grünen), Wissenschaftsministerin Hessen: „Das wirft Fragen auf. Fragen zum aktuellen Verhandlungsstand, zur Anschlussvereinbarung. Fragen zur Verantwortung des Unternehmens und seiner Motive für derartige Äußerungen. Und sie löst auch verständliche Sorgen aus bei den Beschäftigen.“
Dass sich die Verhandlungen überhaupt so lange ziehen, sorgt bei der Opposition für Kritik. Für die FDP war der Vorvertrag schlichtweg ungenügend ausgearbeitet.
Lisa Deißler (FDP), hessische Landtagsabgeordnete: „Es sind viele Fragen offen geblieben. Das könnte vielleicht damit zusammenhängen, dass eine halbe Milliarde auf sechs Seiten verhandelt wurde. Auf sechs knappen Seiten. Und das hat offensichtlich nicht ausgereicht.“
Die Belegschaft in Gießen und Marburg hat eine weitere Sorge: Der in bisherigen Verhandlungen vom Rhön-Klinikum zugesicherte Schutz von Arbeitsplätzen könne nun wegfallen. Der Betreiber verneint das zwar, der Betriebsrat hat trotzdem Zweifel.
Frank Eggers, Betriebsrat Universitätsklinikum Marburg: „Bislang sind wir nämlich immer aus der ganzen Angelegenheit außen vor gewesen. Und ich finde, bei solchen elementaren Sachen, wenn es um die Belange der Belegschaft geht, gehört der Betriebsrat bei Zeiten an den Tisch.“
Ein Verzicht auf betriebsgedingte Kündigungen – Experten gehen davon aus, dass dieser Punkt noch ein Haken beim Vertragsabschluss werden könnte.
Prof. Dr. Wolfram Burkhardt, Frankfurt University of Applied Sciences: „Das Rhönklinikum ist bei diesen Bedingungen in den Verhandlungen relativ zurückhaltend und skeptisch gewesen. Ist mein Eindruck aus diesen Verhandlungen. Und da besteht immer ein Widerspruch zwischen der öffentlichen Gesundheitsversorgung, also den Interessen des Landes und den Interessen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens.“
Inzwischen hat die Aktiengesellschaft zugesichert, selbst über 200 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren in die Kliniken zu investieren. Das Geld vom Land wird dennoch dringend benötigt. Die Zukunft der beiden Standorte ist also noch längst nicht in trockenen Tüchern.