Regierungsbilanz in Hessen

„Es waren gute Jahre für das Land – die schwarz-grüne Koalition in Hessen.“ So positiv und so erwartbar fällt die Bilanz der aktuellen Regierung in Hessen aus. Dabei zeigen sich Ministerpräsident Boris Rhein von der CDU und sein Stellvertreter Tarek Al-Wazir von den Grünen heute an der Uni Frankfurt in gewohnter Harmonie und Eintracht. Doch seltsam – schließlich wollen beide Landeschef werden.

Zwischen die zwei passt kein Blatt mehr: Gut gelaunt schreiten Ministerpräsident Boris Rhein und sein Stellvertreter Tarek Al-Wazir durch den Flur des ehemaligen IG-Farben-Hauses der Uni Frankfurt, um hier im Eisenhower-Saal Bilanz zu ziehen, über die aus Sicht der beiden schwarz-grünen Koalitionspartner überaus erfolgreiche Regierungsarbeit. Ob bei der Bildung, bei der Sicherheit oder als Wirtschaftsstandort: Überall stehe das Land heute besser da als noch vor fünf Jahren.
Boris Rhein, CDU, Ministerpräsident Hessen
„Die Zahl der Erwerbstätigen ist weiter gestiegen. Die Zahl der Straftaten ist weiter gesunken. Und in hessischen Klassenzimmern haben wir so viele Lehrer wie noch nie zuvor.“
Sowohl Datum als auch Ort der Regierungsbilanz sind nicht zufällig gewählt, sondern von hoher Symbolkraft: Der 8. Mai, Tag der Befreiung und auf den Tag genau fünf Monate vor der Landtagswahl. Der Eisenhower-Saal: Der Ort, an dem die Amerikaner die Einführung der D-Mark beschlossen und Wiesbaden zur hessischen Landeshauptstadt machten.
Passend dazu der Titel der heutigen Regierungsbilanz: „Basis für Hessens gute Zukunft“.
Für die Opposition steht die Landesregierung dagegen eher auf wackligen Beinen. Sowohl FDP als auch SPD sprechen davon, dass der Regierung längst die Puste ausgegangen sei – von schwarz-grüner Harmonie ganz zu schweigen.
Tobias Eckert, SPD, Abgeordneter Landtag Hessen
„Schwarz-Grün ist eine Koalition im Zerfall. Die Hälfte des Kabinetts hat keine Lust mehr, weiterzumachen und hört auf. Und Antworten auf die Zukunft geben weder CDU noch Grüne. Von daher ist, glaube ich, dieser Kuschelkurs, den wir heute in der Bilanzpressekonferenz gesehen haben, eher ein Übertünchen der tatsächlichen Probleme von CDU und Grünen. Es passt nicht zusammen.“
Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir zeigt sich mit der schwarz-grünen Regierungsarbeit dagegen zufrieden: Hessen sei in den letzten Jahren grüner und gerechter geworden. Und die Zusammenarbeit mit der CDU sei trotz aller Unterschiede nach wie vor gut und vertrauensvoll.
Tarek Al-Wazir, B’90 / Die Grünen, Stellvertretender Ministerpräsident Hessen
„Wir sind unterschiedliche Parteien. Wir haben unterschiedliche Schwerpunkte. Wir haben unterschiedliche Ziele. Hinter verschlossenen Türen, da rumpelt es auch mal. Aber am Ende gehen wir nicht erst mal raus und sagen: ‚Das wollen wir und das wollen die anderen‘ – und am Ende ist die Überschrift: ‚Großer Streit in der Koalition‘. Sondern wir gehen immer mit Lösungen raus. So haben wir es immer gehalten, und so werde ich es auch weiter halten.“
Auch im anstehenden Wahlkampf wollen sich die beiden Kontrahenten nicht mit Schmutz bewerfen, sondern stattdessen ihre eigenen Stärken und Schwerpunkte betonen. Den Rest entscheide der Wähler.
Tarek Al-Wazir, B’90 / Die Grünen, Stellvertretender Ministerpräsident Hessen
„Das ist ja das Schöne an einer echten Demokratie. Dass man vor der Wahl nicht weiß, wie sie ausgeht. Deswegen freuen wir uns drauf und dann schauen wir mal.“
Friede, Freude, Eierkuchen also – zumindest bislang. Fragt sich nur, ob das auch so bleibt, wenn der Wahlkampf demnächst in die heiße Phase tritt.