Reaktionen auf den Spiegel-Auftritt vor dem U-Ausschuss

Seit letzter Woche steht die frühere rheinland-pfälzische Umweltministerin und jetzige Bundesfamilienministerin Anne Spiegel massiv unter Druck. Es sind Chatverläufe an die Öffentlichkeit gekommen, die die ehemalige Landesministerin belasten. Dabei geht es um den Umgang mit dem Jahrhunderthochwasser an der Ahr. Nun hat die Grünen-Politikerin im Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags zur Katastrophe an der Ahr ausgesagt. Auch die SMS-Nachrichten waren Thema verbunden mit der Frage: War Anne Spiegel das eigene Image wichtiger als die Menschen im Ahrtal?

Demütig und erschöpft wirkt Anne Spiegel, als sie nach über drei Stunden Befragung um kurz nach Mittagnacht vor die Kameras tritt. Sie sei nicht sicher, wie lange sie noch stehen könne, sagt sie. Mehrfach bekräftigt sie aber:
Anne Spiegel, Bündnis 90 / Die Grünen, frühere Umweltministerin Rheinland-Pfalz
„Für mich stand im Vordergrund, vom ersten Moment an, die Situation der betroffenen Menschen. Ihr schreckliches Leid, dass ihnen wiederfahren ist und auch die Situation der vielen Menschen, die Angehörige, Familie verloren haben, die Nachbar*innen, Kolleg*innen verloren haben.“
In der Nacht der Flutkatastrophe hat Anne Spiegel laut eigener Aussage nach einem Abendessen mit Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun in ihrer Mainzer Wohnung E-Mails und Nachrichten gelesen und bis nachts um zwei Uhr telefoniert. Unglaublich, findet die AfD-Fraktion.
Michael Frisch, AfD, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Das muss man sich vorstellen. Eine Ministerin, die dafür zuständig ist, Menschen zu warnen und zu retten, sitzt vor dem PC und informiert sich dort darüber, was im Ahrtal passiert ist. Das ist für mich ein unglaubliches Fehlverhalten.“
Anne Spiegel sagt aus, sie habe keinen Anlass gesehen, in funktionierende Abläufe einzugreifen. Ihr Staatssekretär habe sie darin bestärkt.
Die CDU wirft der Ministerin vor, abgetaucht zu sein. Nicht mal mit dem für Katastrophenschutz zuständigen Innenministerium habe sie kommuniziert.
Dirk Herber, CDU, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Es fand keine Kommunikation unter den Häusern statt, keine Kommunikation zwischen Innenministerium und Umweltministerium. Und selbst der Staatssekretär war um 23 Uhr, als in Schuld die Häuser zusammengebrochen sind, zuhause auf der Couch gesessen und hat sich nach eigenen Angaben ein Bierchen aufgemacht.“
Auch die Freien Wähler werfen Anne Spiegel Versagen vor und fordern ihren Rücktritt.
Stephan Wefelscheid, Freie Wähler, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Ein Minister, der sich damit entschuldigen will, für das Versagen in der Nacht, dass man sozusagen Dienst nach Vorschrift gemacht hat und alles sei gut, der muss sich fragen, ob er da richtig an der Stelle ist. Geführt wird von oben.“
Die Fraktion der Grünen hält Rücktrittsforderungen hingegen für abwegig.
Carl-Bernhard von Heusinger, Bündnis 90 / Die Grünen, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Weil nur vor Ort die Informationen, die herausgegeben werden, auch bewertet werden können, und nur vor Ort dann auch die Bürger in irgendeiner Form geschützt werden können. Das heißt, es besteht überhaupt keine Möglichkeit für ein Ministerium in Mainz irgendetwas zu tun, was die Menschen vor Ort schützen kann.“
Und doch befürchtet Anne Spiegel am Morgen nach der Flut, für die Katastrophe mitverantwortlich gemacht zu werden. In einer SMS an den stellvertretenden Regierungssprecher schreibt sie „wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben.“
Weiter befürchtet sie, dass SPD-Innenminister Roger Lewentz ihr öffentlich Versäumnisse vorwerfen könnte.
Anne Spiegel, Bündnis 90 / Die Grünen, frühere Umweltministerin Rheinland-Pfalz
„Das war ein Gedanke, der genauso schnell wieder weg war, wie er da war.“
Das Verhältnis zum Koalitionspartner sei stets freundschaftlich und vertrauensvoll gewesen. Das bekräftigt heute auch die SPD.
Jens Guth, SPD, Abgeordneter Landtag Rheinland-Pfalz
„Dass man in so einer dramatischen Situation, die es ja in Rheinland-Pfalz noch nie gab, wo natürlich schon die Frage gestellt wird – deshalb gibt es ja auch den Ausschuss – ist jemand Schuld? Dass man natürlich dann mal eine Sprachnachricht dann ins Handy ruft, die man auf normalem Wege nicht sagen würde, ist verzeihlich.“
Es war die erste prominente Zeugenaussage im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe. Noch viele weitere Sitzungen werden folgen, bis die Frage geklärt ist: Hat jemand Schuld und wäre die Katastrophe vermeidbar gewesen?