Proteste gegen die Corona-Regeln

Nicht nur das Coronavirus verändert sich: Auch die Maßnahmen gegen das Virus ändern sich ständig – und damit auch der Protest gegen die Maßnahmen. Kritiker der Corona-Politik nennen ihre Demonstrationen seit einigen Wochen „Spaziergänge“. Mit diesem harmlos klingenden Label wollen Protestler erreichen, dass mögliche Corona-Auflagen ihre Demonstrationen einschränken. Aber: Ab wann wird ein „Spaziergang“ zu einer Demo – und wer spaziert da eigentlich alles mit?

Fulda, gestern Abend gegen 19 Uhr: Auch am zweiten Montag 2022 demonstrieren Gegner der Corona-Maßnahmen friedlich in der Stadt. „Spaziergang“ nennen sie den Protest. Eine Bezeichnung, die die Polizei so gestern Abend nicht gelten ließ.
Ulrich Weber, Polizeipräsidium Osthessen
„Es war heute, im Lauf des Abends kam es zu einer nicht angemeldeten Versammlung in Fulda, die in der Spitze mit bis zu 1.000 Personen belegt war. Die Versammlungsteilnehmer haben sich auf der Ochsenwiese getroffen, sind dann Richtung Petersberger Straße gelaufen. Nach Rücksprache mit der Versammlungsbehörde wurde entschieden, dass es eine Versammlung sei.“
Kein spontaner Spaziergang also, sondern eine Versammlung.
Laut Grundgesetz gilt: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“
Laut Grundgesetz gilt aber auch: Das Grundrecht kann durch andere Gesetze eingeschränkt werden – Versammlungen müssen deshalb eben doch meistens bei den Behörden angemeldet werden. Viele Spaziergänge sind nicht angemeldet.
Das Demonstrationsrecht kann auch eingeschränkt werden, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist – in einer Pandemie bedeutet das: Bei Demonstrationen gelten Corona-Regeln, wie die Maskenpflicht. Da sich aber viele Demonstranten in Fulda nicht an die Regeln hielten, musste die Polizei viele Personalien aufnehmen.
Und Fulda war kein Einzelfall: Hessenweit demonstrierten gestern rund 15.000 Menschen, in Rheinland-Pfalz mehr als 10.000. Aber: Wer sind diese Menschen überhaupt und wogegen demonstrieren sie?
Professor Markus Linden, Politikwissenschaftler
„Das ist ein sehr heterogenes Protestgeschehen, das ist auch unterschiedlich je nach Landesteil: Im Osten werden die Proteste dominiert von Rechtsradikalen, im Süden haben wir viele Esoteriker, die dabei sind, aber generell kann man sagen, dass sich dieses Protestgeschehen erweitert hat, es hat sich heterogenisiert. Und das ist das große Thema, die Abgrenzung zwischen dem demokratieverträglichen Protest und denen, die diesen Protest einfach nutzen, um eine Widerstandsfundamental-Opposition zu betreiben.“
Die Gefahr einer extremistischen Unterwanderung der Proteste sieht auch der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz. Kritiker der Corona-Maßnahmen und Demonstranten rät er.
Roger Lewentz, SPD, Innenminister Rheinland-Pfalz
„…genau hinzusehen, mit wem man unterwegs ist. Bei solchen Protesten tummeln sich Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Angehörige des Reichsbürgerspektrums und der rechtsextremistischen Szene.“
Nicht immer können Organisatoren von Demos verhindern, dass ungebetene Gäste mitlaufen. Dass aber regelkonformer Protest in der Pandemie möglich ist, haben gestern auch viele Bürger in Fulda bewiesen. Ein Autokorso mit 70 Fahrzeugen fuhr durch die Stadt. Die Behörden hatten einen Ansprechpartner, der die Demo angemeldet hatte. Der Autokorso verlief friedlich und frei von Störungen.