Politikwissenschaftler Dr. Eike-Christian Hornig zur Bundestagswahl

Im Interview der Politikwissenschaftler Dr. Eike-Christian Hornig.

Eva Dieterle, Moderatorin: Und jetzt begrüße ich live bei mir im Studio Dr. Eike Christian Hornig. Schön, dass Sie hier sind.
Dr. Eike Christian Hornig, Politikwissenschaftler: Hallo, ich grüße Sie.
Eva Dieterle: Wir haben es gerade gehört. So viele unentschlossene Wähler wie eigentlich noch nie. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Dr. Eike Christian Hornig: Es ist eine besondere Situation. Es ist das Ende der Ära Merkel. 16 Jahre hatten wir die Kanzlerin an der Spitze der Regierung. Das ist ein Zeichen von Stabilität gewesen. Und das endet nun. Und jetzt müssen sich nicht nur die Parteien orientieren, sondern eben auch die Wählerinnen und Wähler. Und Sie sehen, es gibt nun drei Kandidatinnen und Kandidaten für das Kanzleramt. Das ist erst mal eine neue Situation und dann sind die noch nicht so gänzlich bekannt. Manche kannte man schon aus der Landespolitik, so ein bisschen aus der Regierung. Die Grünen stellen erstmals jemanden aufs Kanzleramt. Das ist also eine neue Situation. Und das andere ist natürlich auch, wie wir es gerade in dem Beitrag gesehen haben, dass es sehr viele Koalitionsmöglichkeiten gibt. Also man muss richtig überlegen, meine Stimme, wo kann die am Ende landen? Was könnte passieren, was ist realistisch? Und da sind sich, glaube ich, einfach viele noch unsicher, weil sie gar nicht wissen, wo am Ende sozusagen ihre Stimme rauskommt.
Eva Dieterle: Also die vielen Koalitionsmöglichkeiten auch als Herausforderung für die Wähler, die sich eben nicht jeden Tag mit diesem Thema so intensiv beschäftigen?
Dr. Eike Christian Hornig: Absolut. Also aus den vergangenen Bundestagswahlkämpfen kannte man das ja lange, dass man so einen Lagerwahlkampf hatte. Also es war Schwarz-Gelb und Rot-Grün und die standen sich so lange gegenüber und dann hat sich das irgendwann ein bisschen verändert. Letztes Mal gab es ja schon Überlegungen, Jamaika zu machen. Das wäre so ein erster Schritt gewesen. Und diesmal ist also wirklich alles offen. Und die Parteien sind ja auch relativ nah beieinander gekommen. Auch die Volksparteien sind längst nicht mehr so stark, wie es früher war, die einfach das Spiel dann bestimmen konnten.  Also es ist eine große Ungewissheit und da sitzt sicherlich der eine oder andere zu Hause und überlegt, was man da nun machen kann.
Eva Dieterle: Gerade sind die Kanzlerkandidaten gefühlt omnipräsent. Ist das für den Entscheidungsprozess hilfreich? Ist das wichtig? Wie laufen solche Entscheidungsprozesse beim Wähler ab?
Dr. Eike Christian Hornig: Das ist, glaube ich, schon wichtig, weil es sich auch beispielsweise mit Frau Baerbock und Herrn Laschet um Personen handelt, die vorher auf der Bundesebene nicht so präsent waren. Die müssen die Wählerinnen und Wähler erst mal ein bisschen kennenlernen und auch gucken mal vielleicht, wie die unter Stress reagieren. Also bei so einem Triell: Teilt da der eine aus, bleibt da einer cool? Also wie läuft das eigentlich? Man muss sich auch ein bisschen darüber informieren, was ist bei Herrn Scholz im Ministerium passiert. Das sind alles Sachen, die glaube ich wichtig sind. Aber es ist eben nicht das Einzige, was ausschlaggebend ist. Also auch das Programm, wofür steht eine Partei, ist natürlich wichtig. Das sehen wir nur an dem Beispiel Unterschied von Herrn Scholz und SPD – der ist riesengroß. Das heißt, das Programm spielt natürlich auch eine Rolle.  Man kauft das Gesamtpaket und das überlegen die Wählerinnen und Wähler.
Eva Dieterle: Also es geht um Personen und um Inhalte. Wie viel Einfluss haben denn diese vielen Umfragen, die wir in den letzten Wochen erlebt haben. Heute gab es weder eine aktuelle so kurz vor der Wahl?
Dr. Eike Christian Hornig: Also ich glaube, die Umfragen tragen eher bei vielen dazu bei, dass es zu Verwirrung kommt, weil alle zwei Stunden kommt gefühlt eine neue Umfrage. Und im Moment sind sie zwar relativ stabil, muss man ehrlicherweise sagen, weil die große Veränderung hat es schon gegeben, als die SPD die Union überholt hat. Da war da viel Musik drin. Die sind jetzt sehr stabil, die bestätigen das, was so in den letzten drei, vier Tagen gewesen ist. Aber ich glaube, da geben viele nicht so viel drauf auf die Umfragen, weil wir ja auch in der Vergangenheit ab und zu mal gesehen haben, also Sachsen-Anhalt ist das Stichwort, dass diese Umfragen auch immer daneben liegen können. Deswegen würde ich sie etwas niedriger hängen.
Eva Dieterle: Da wir Sie als Experte jetzt heute hier haben. Ich weiß, ein Blick in die Zukunft ist immer schwierig auch für Sie. Dennoch die Frage: Rechnen Sie jetzt noch mit einer ganz großen Überraschung oder haben wir das meiste gesehen?
Dr. Eike Christian Hornig: Ich glaube nicht, dass eine große Überraschung kommt, wenn wir an das Thema Briefwahl denken. Naja, viele sind dann doch vorsichtig – zwei Tage vorher in der Post sollte es schon sein. Heute ist Montag – wieviel Zeit ist da noch? Da tut sich, glaube ich, nicht mehr viel. Und wir haben jetzt dreimal das Triell gehabt, wo sich wirklich die Kandidaten gegenüberstanden. Ich glaube, der Zug ist jetzt abgefahren.
Eva Dieterle: Herr Dr. Hornig, Sie sind am kommenden Montag wieder bei uns. Dann allerdings zur politischen Analyse der Wahl. Bis dahin sage ich vielen Dank für das Interview.
 Dr. Eike Christian Hornig: Gerne.