Pilze als Baumaterial

Pilze sind so faszinierend wie mysteriös. Was Sie im Wald als Pilze sammeln, ist nur ein kleiner Bruchteil, denn unter der Erde haben Pilze starke Wurzen, die manchmal kilometerlang sind. Das Gute: Die Pilze wachsen in kürzester Zeit nach. Daher hat nun eine Forschungsgruppe aus Kassel ein Auge auf den Pilz geworfen: Können Pilze möglicherweise die Shootingstars der Baubranche werden?

Das ist er, der Reishi-Pilz – oder auch Ganoderma genannt. Nadja Nolte vom Institut für Architektur der Universität Kassel holt ihn aus der Petrischale und setzt ihn auf Hanfspäne – Industrieabfall.
Zusammen mit dem Karlsruhe Institut für Technologie und einem Berliner Ingenieursbüro erforschen sie und ihre Kollegen die Eigenschaften von Ganoderma als Baustoff.
Nadja Nolte, Universität Kassel
„Also hier haben wir den Pilz gerade erst reingefüllt und hier sind die Hanfschäben noch locker im Beutel vorhanden und dann nach ca. einer Woche würde das so aussehen. Einige der Hanfschäben wären schon durch das Myzel miteinander verbunden. Wenn es dann fertig durchwachsen ist, dann sieht man hier schon, sind alle Hanfschäben miteinander verbunden zu einem schon sehr festen Block. Dieses Stadium ist nach ca. zwei bis drei Wochen erreicht.“
Das fertige Material wird dann noch einmal zerkleinert und in ein Holzgerüst eingesetzt. Pilz und Holz verbinden sich so zu stabilen Trennwänden, die darüber hinaus auch noch sehr gute schalldämpfende Eigenschaften aufweisen. Ein absolutes Naturprodukt also, denn selbst bei der Holzkonstruktion kommen die Forscher ohne Klebstoff aus. Die Holzstreben werden mit Ultraschall verbunden. Die Form der Holzrahmen und auch die des Pilzes lassen sich perfekt steuern. Mit ihren Pilz-Wänden hat die Forschungsgruppe Großes vor.
Eda Özdemir, Universität Kassel:
„Wir wollen alle Büro-Trennwände mit unserem Produkt ersetzen, denn sie haben eine sehr kurze Lebensdauer. Um das zu schaffen müssen wir viel mehr herstellen können und dafür brauchen wir Strategien aus der Massenproduktion.“
Und dafür müssen die Forscher zunächst einen Weg finden, auch das Befüllen der Holzkonstruktionen zu automatisieren.
Zwei Jahre forscht die Gruppe von Professor Philipp Eversmann bereits an dem Projekt. Er sagt voraus, dass der Ganoderma als Baustoff eine echte Zukunft hat.
Prof. Philipp Eversmann, Leiter der Studiengruppe
„Man hat ja auch gesehen, besonders in der Pandemie, dass die Baurohstoffpreise, die Materialpreise, enorm angestiegen sind und da denke ich, dass wir auf jeden Fall, sehr hohes Potential haben, da zu konkurrieren. Der Prozess. das Ganze eben wachsen zu lassen. ist sehr schnell im Vergleich zu traditionellen Baustoffen und dadurch haben wir natürlich auch Vorteile.“
Außerdem werden für den Anbau des Pilzes keine landwirtschaftlichen Flächen benötigt oder endliche Rohstoffe verbraucht. Nadja Nolte zerstreut fleißig alle anderen Zweifel an ihrem Produkt.
Nadja Nolte, Universität Kassel
„Bei unserer Wand haben wir das Wachstum des Pilzes gestoppt, bevor Fruchtkörper entstehen, das heißt niemand muss am Ende Angst haben, dass ihm Pilze aus der Wand wachsen, wenn er das nicht möchte.“
Bis zur Marktreife dauert es sicherlich noch ein wenig, schließlich wird hier in Kassel noch mindestens zwei weitere Jahre lang geforscht. Und wer weiß? Vielleicht ist der Pilz wirklich der Baustoff der Zukunft.