Pflegebauernhof statt Pflegeheim

Die Deutschen werden immer älter. Doch die Pflegeheime sind überfüllt, werden immer teurer und es fehlt an Personal. Für alte Menschen sind das keine schönen Aussichten. Im rheinland-pfälzischen Marienrachdorf geht man einen anderen Weg. Dort gibt es seit über zehn Jahren den Pflegebauernhof. Ein Ort, an dem Senioren – wenn sie es möchten – Teilzeit-Bauern sein könnten.

Im Stall gibt es noch einiges zu tun. Horst Hof mistet ihn aus, bevor die Alpakas von der Weide zurückkommen. Trotz seiner 86 Jahre kümmert sich der ehemalige Maschinenbaumeister täglich um die Tiere. Vor zwei Jahren ist er mit seiner Frau auf den Pflegebauernhof gezogen.
Horst Hof, Bewohner im Pflegebauernhof
„Ausgestiegen aus dem Auto – die Ruhe, die Leute – und da haben wir spontan gesagt: Da könnten wir alt werden. Und dann kamen die Alpakas. Wir sind dann hier hochgeführt worden und haben die Alpakas gesehen und dann war es passiert. Also das Vertrauen was da rübergekommen ist, das war einfach da.“
Seine Frau ist mittlerweile verstorben. Auf dem Pflegebauernhof hat man sich bis zum Schluss um sie gekümmert. Das Besondere an dem Konzept der Einrichtung: Die Pflege rückt nur dann in den Vordergrund wenn es notwendig wird. Landwirt Guido Pusch hat die Idee für den Pflegebauernhof vor 13 Jahren für seine eigene Großmutter. Immer mehr Senioren ziehen in die Bauernhof-WG ein und so entwickelt sich eine eigenständige Pflegeeinrichtung mit angeschlossenem landwirtschaftlichem Betrieb.
Guido Pusch, Initiator des Pflegebauernhofs
„Jeder hat seine Aufgabe, die er gerne machen kann und ausführen kann. Und es herrscht, dass Aufgaben da sind, dass Leben da ist, dass es nicht nur um die Pflege, dass man versorgt wird, Medikamente bekommt, sondern dass man an dem Leben teilnehmen kann in den verschiedensten Arten, wie man es dann auch dementsprechend möchte. Haushalt, Tierversorgung, Technik, Lebensmittel erzeugen.“
22 Bewohner zwischen 50 und 90 Jahren leben auf dem Hof. Auch Reinhold Kahl. Der 73 Jährige hat Demenz. Doch wenn es um Traktoren geht ist er sofort Feuer und Flamme. Heute entfernt er unter der Aufsicht von Guido Pusch Maulwurfshügel auf einer Wiese. Die Aufgabe hilft ihm, Struktur in sein Leben zu bekommen.
So geht es auch Horst Hof. Ein normales Pflegeheim käme für ihn nicht in Betracht.
Horst Hof, Bewohner des Pflegebauernhof
„Selbst wenn es mal ächzt, wenn man aufsteht, aber das ist im Nu weg, wenn Sie etwas zu tun haben, wenn Sie eine Aufgabe haben. Denn wenn Sie die Aufgaben nicht haben – egal in welcher Form – dann fühlen sie sich irgendwie überflüssig. Ich nenne es einfach mal überflüssig.“
Das Konzept Pflegebauernhof kommt an. Täglich bekommt Pusch bis zu 15 Anfragen für einen Platz in der Einrichtung. Doch die Kapazitäten sind erreicht. Mittlerweile gibt es bundesweit Landwirte, die nach dem Vorbild des Pflegebauernhofs in Marienrachdorf arbeiten wollen. Guido Pusch gibt sein Wissen weiter.
Guido Pusch, Initiator des Pflegebauernhofs
„Dann kommt man vor Ort in die Bundesländer und erzählt dann von diesen Möglichkeiten, wie wir es gemacht haben, und dann geht allen das Licht auf wie genial das eigentlich ist und warum da nicht noch viel mehr davon gibt. Und da sage ich immer: ‚Ja, dann lass uns anfangen. Schritt für Schritt. Einer für den anderen Hof aufzubauen.‘ Das ist die Zukunft.“
Ziel des Pflegebauernhofs ist es, dass sich der landwirtschaftliche Betrieb durch die Erzeugnisse selbst trägt. So kommt es, dass die Bewohner der Bauernhof-WG im Monat nur die Hälfte von dem zahlen, was ein normales Pflegeheim kosten würde.
Für Horst Hof bedeutet der Pflegebauernhof Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben, solange es für ihn möglich ist.