Neuer Antisemitismus-Skandal auf der Documenta

Die documenta in Kassel, die weltweit größte Schau für zeitgenössische Kunst, kommt einfach nicht zur Ruhe. Schon wieder gibt es Antisemitismusvorwürfe. Die hessische FDP fordert, die documenta zu unterbrechen. Nach dem ersten Vorfall ist die Generaldirektorin zurückgetreten – die Probleme sind damit offenbar nicht verschwunden.

Um diese Zeichnungen geht es. Unbewaffnete Kinder, bedroht von israelischen Soldaten. Gekennzeichnet mit Davidstern und gefletschten Zähnen, mehr Roboter als Mensch. Hier tritt eine Frau einen israelischen Soldaten mit übergroßer Hakennase. Bilder, die in einer langen Tradition antisemitischer Karikaturen stehen. So sieht es die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen, eine Einrichtung der Philipps-Universität Marburg.
Susanne Urban, Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen
„Die Bilder sind 1988 schon entstanden – was sie jetzt aber nicht weniger schlimm macht. Wir kennen ja auch Bilder aus viel früheren Zeiten, die wir auch heute nicht sehen möchten. Und diese Bilder sind halt sehr, sehr stark an so einen israelbezogenen Antisemitismus geknüpft und damit auch eine Entmenschlichung des Staates Israel und damit eigentlich auch eine Negierung des Existenzrechts.“
Bilder, die dem Staat Israel das Existenzrecht absprechen, für jeden öffentlich zu sehen im Kasseler Fridericianum, in einer Ausstellung der Initiative „Archive der Frauenkämpfe in Algerien“. In Kassel haben die Menschen dafür wenig Verständnis.
Karin Büchel
„Sie irritieren mich. Sie irritieren mich schon. Und ich halte persönlich nichts davon.“
Sigrid Wallner
„Das ist schwierig. Und manches ist wirklich auch aus dem Kontext herausgehalten. Es ist natürlich klar: Man darf niemanden verletzen. Der Respekt hat immer Vorrang, auch vor der Kunst.“
Dennis Janser
„Für mich nicht verständlich, dass es ausgestellt wird. Dass es vorab nicht geprüft wird. Sollte nicht passieren – ist passiert. Ja, gibt es Verantwortliche, die sich dafür rechtfertigen müssen.“
Erst kürzlich musste dieses Banner mit antisemitischen Motiven auf großen öffentlichen Druck abgehängt werden. Auf den aktuellen Vorfall sei die documenta-Leitung bereits vor drei Wochen von einer Besucherin hingewiesen worden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Und weiter:
documenta und Museum Fridericianum gGmbH
„Die umgehende rechtliche Bewertung der Zeichnungen durch Externe war ein richtiger Schritt, die Frage, ob hier antisemitische Bildsprache vorliegt, wurde leider lediglich intern bewertet. Es wurde versäumt eine geeignete Kontextualisierung vorzunehmen.“ –
Diese inhaltliche Einordnung solle nun nachgeholt und die Broschüre bis dahin aus der Ausstellung genommen werden. Der hessischen FDP geht das aber nicht weit genug.
Stefan Naas, FDP, Abgeordneter Landtag Hessen
„Ich glaube, dass wir jetzt erst mal innehalten müssen und schauen müssen: Gibt es noch weitere Kunstwerke mit einem solchen Inhalt? Und gegebenenfalls gibt es vielleicht Strukturen, die darauf hindeuten, dass das auch so gewollt war. Und deswegen fordern wir zumindest ein Moratorium, zumindest eine Aussetzung der Ausstellung, bis das geklärt ist.“
In der Diskussion über die Grenzen der Kunstfreiheit und notwendige Konsequenzen für die documenta dürfte das letzte Wort also noch lange nicht gesprochen sein.