Neue Therapie gegen Leukämie

In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 13.000 Menschen an Leukämie. Viele davon sind Kinder und Jugendliche. Trotz aggressiver Chemotherapie führt Blutkrebs bei fast der Hälfte der Patienten zum Tod. Ein Hoffnungsschimmer kommt aus Frankfurt. Dort entwickeln Forscher gerade neuartige Therapie auf Basis von RNA. Der Tierversuch zeigte deutliche Erfolge, einige Mäuse konnten sogar geheilt werden.

Die Kinderkrebsstation der Frankfurter Uniklinik. Rund 30 Prozent der Patienten hier sind an Leukämien erkrankt. Eine häufige Form ist die akute myeloische Leukämie, kurz AML. Jan-Henning Klusmann ist Direktor der Kinderklinik und kämpft täglich gegen die Krankheit.
Prof. Jan-Henning Klusmann, Direktor Kinderklinik Frankfurt
„Die AML ist eine sehr aggressive Krankheit, die unbehandelt auch in einigen Monaten zum Tode führt. Die geht von unreifen Zellen im Knochenmark aus, die unkontrolliert sich teilen und die normale Blutbildung mit den normalen Funktionen auch verdrängen.“
Bereits 2018 haben Forscher ein Molekül entdeckt, das eine ganz entscheidende Rolle beim Wachstum der AML-Krebszellen spielt: Eine spezielle sogenannte Mikro-RNA. Jan-Henning Klusmann und Leukämie-Forscher Dirk Heckl haben gemeinsam mit ihrem Team darauf aufbauend nun eine Therapie entwickelt.
Normalerweise sorgt die Mikro-RNA dafür, dass Zellen normal wachsen – sie also nicht entarten können und Krebs erzeugen. Leukämiezellen haben jedoch eine Strategie entwickelt, dieses wachstumshemmende Molekül herunter zu regulieren. Durch den Mangel der Mikro-RNA können sie unkontrolliert wachsen. Die Idee: Über ein Medikament das bremsende Molekül wieder in die Zellen bringen und so den Krebs bekämpfen.
Prof. Dirk Heckl, Leukämie-Forscher
„Was wir dann im Endeffekt in einer Therapie machen, ist, dass wir einfach den Normalzustand wieder herstellen und darüber im Grunde auch in den normalen Körperzellen keinen Schaden anrichten, weil dort ist der Zustand ja bereits vorhanden und wir stellen nur wieder her, was in den Leukämien fehlt.“
Im Gegensatz zur aggressiven Chemotherapie, die den gesamten Körper angreift, wirkt die RNA-Therapie ganz gezielt nur in den Leukämie-Zellen. Damit der Wirkstoff dort ankommt, nutzen die Forscher eine relativ neue Technologie, die auch beim Corona-Impfstoff zum Einsatz gekommen ist: Sogenannte Lipid-Nanopartikel.
Prof. Dirk Heckl, Kinderkrebsstiftung Frankfurt
„Das kann man sich vorstellen wie ein kleines Fetttröpfchen und in diesem kleinen Fetttröpfchen kann man dann halt Nukleinsäuren, also die RNA verpacken und da unsere Zellen im Grunde auch kleine Fetttröpfchen sind, verschmilzt das Ganze miteinander und dadurch wird halt diese Ladung, also in unserem Fall die Mikro-RNA in die Zellen abgegeben.“
Lange hatte die Forschung Mikro-RNA für genetischen Müll gehalten. Mittlerweile ist sie als zelleigener Gen-Regulator ein Hoffnungsträger in der Medizin. Ein weiterer Vorteil: Das Molekül zerfällt schnell, dadurch entstehen keine Rückstände oder langfristige Effekte im Körper. Im Tierversuch überlebten leukämiekranke Mäuse durch die neue Therapie deutlich länger, einige wurden sogar geheilt. Der nächste große Schritt wird dann eine Studie mit erkrankten Menschen sein.
Prof. Jan-Henning Klusmann, Direktor Kinderklinik Frankfurt
„Es ist natürlich als Arzt immer ganz schwer zu sehen, wenn man Kinder hat, denen man mit der normalen Chemotherapie, auch selbst Stammzelltransplantation nicht mehr helfen kann, die dann am Ende versterben und so eine neue Therapie ist natürlich ein Hoffnungsschimmer am Horizont.“
In den nächsten fünf bis zehn Jahren könnten dann vielleicht schon die ersten Kinder hier an der Frankfurter Uniklinik mit der neuen Therapie behandelt werden.