NATO-Manöver „Air Defender 23“ hat begonnen

Seit heute findet in Deutschland die größte Luftwaffen-Übung seit Bestehen der NATO statt.  Unter dem Titel Air Defender 23 trainieren 10 000 Soldaten aus 25 Ländern vor allem die Verlegung von Luftstreitkräften. Und das alles unter deutscher Führung. Obwohl vor allem in Norddeutschland trainiert wird, spielen auch rheinland-pfälzische Luftwaffenstützpunkte eine wichtige Rolle.

Wie die US Air Base in Spangdahlem. Hier haben die Amerikaner mehrere F 16 Kampfjets stationiert. Diese fliegen hier zwar regelmäßig, doch Air Defender 23 ist ein besonderes Manöver. Zehn Tage lang trainieren die Soldaten hier täglich von 14 bis 16 Uhr – außer am Wochenende. Der Bürgermeister der zugehörigen Verbandsgemeinde erwartet eine Ausnahmesituation
Marcus Konrad (CDU), Bürgermeister VG Speicher: Bedeutend ist, dass bei einer Übung, die mit über 200 Flugzeugen auch der Standort Spangdahlem mit den F-16 und F35 daran teilnehmen wird. Der Flugplatz Spangdahlem wird als Dreh und Angelpunkt immer wieder bezeichnet und somit sieht man auch die  Wichtigkeit, wie wir von hier die Flugzeuge und somit auch die Überwachung nach ganz Deutschland mittransportieren können.
Da es durch die Air Base auch sonst häufig laut ist, blicken die Anwohner eher entspannt auf die nächsten zehn Tage
Erhan Celiker: Also wir haben bis jetzt nicht so viel bemerkt. Ich weiß jetzt nicht was in den nächsten Wochen passieren wird. Sehr wahrscheinlich wird es etwas lauter sein. Aber es sind ja nur zwei Wochen.
Valentin Stamer: In Speicher ist es natürlich extrem. Wo die Flugzeuge extrem tief drüber fliegen, ist schon nervig aber wir leben damit.
Bodo Loepp: Muss sein. Und wenn der Putin wirklich ernst macht und dann ist es doch umso besser.
Doch auch Kritik macht sich breit. Die Deutsche Flugsicherung rechnet mit Flugverspätungen. Auch am Frankfurter Flughafen. Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling begrüßt die Übung hingegen gerade wegen ihrer Größe. Der Krieg in der Ukraine zeige, dass die Verteidigung des Nato-Gebiets sichergestellt sein muss.
Michael Ebling (SPD), Innenminister Rheinland-Pfalz: Dann bitte ich auch einfach um ein bisschen Verständnis oder vielleicht auch mal mit dem Berühmten Achselzucken. Also es einfach mal so hinzunehmen wie es ist, denn es ist eine notwendige Übung am Ende, um auch die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und auch insgesamt zu belegen sichtbar zu machen aber sie natürlich auch so zu üben, dass sie im Fall der Fälle funktioniert.
Grafik/ Betroffen ist vor allem der Süden von Rheinland-Pfalz. Neben Spangdahlem wird auch der Militärflugplatz in Baumholder genutzt. Von hier fliegen Kampfjets und auch Transportmaschinen Richtung Bayern und wieder zurück. Ein Großteil der Übung findet jedoch  im Norden und Osten Deutschlands statt. /Grafik
Dort nehmen an der Übung täglich 80 Flugzeuge teil. Im Süden fliegen hingegen nur 40 Flugzeuge an der sogenannten Welle mit.
Frank Gräfe, Brigadegeneral der Luftwaffe: Die in Bayern startet und dann in den Lufträumen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland endet. Das sind allerdings größtenteils moderne Kampfflugzeuge wie zum Beispiel die F-35. Und für solche Flugzeuge ist es das Ziel möglichst hoch zu fliegen damit man aus möglichst großer Entfernung seine Waffen zum Einsatz bringen kann. Parallel dazu werden wir auch ganz normal Übungsflugbetrieb haben. Das sind aber pro Tag weniger als 10 Flugzeuge.
So könnte die Übung an den meisten Bürgern ohne Beeinträchtigung vorbei gehen. Viel lauter soll aber das Zeichen sein, das sich die Teilnehmer von Air Defender 23 erhoffen. Nämlich dass Deutschland und die Nato in diesen Zeiten handlungsfähig sind und bereit für den Ernstfall.
Markus Appelmann
Über diese große Übung wollen wir noch ein paar Details erfahren. Daher schalten wir nun zu einem Militärexperten aus Rheinland-Pfalz zum ehemaligen Bundeswehr-Oberst Ralph Thiele. Guten Tag!
Ralph Thiele
Guten Tag, Herr Appelmann.
Markus Appelmann
Woran werden wir in Hessen und Rheinland Pfalz merken, dass das Manöver jetzt stattfindet?
Ralph Thiele
An gelegentlichen Fluglärm. Heute Morgen habe ich sie tatsächlich schon gehört, das grummelt ein bisschen oben im Himmel. Anders ist es natürlich zum Beispiel in Spangdahlem, wenn die dann ständig starten und landen. Das macht ordentlich Krach. Aber das kennen ja die Bewohner.
Markus Appelmann
Das heißt rund um den Militärflughafen, bei uns wird es unüberhörbar sein. Wie sieht es in den anderen Regionen aus? Wird es dort auch laut?
Ralph Thiele
Eher nicht. Tatsächlich finden ja die Flugmanöver an und für sich relativ hoch statt. Irgendwo zwischen 2 500 Meter und 30 Kilometer sogar. Also da hören Sie nichts, da sehen Sie mit Glück den Kondensstreifen oben und das Wesentliche der Übung ist ja tatsächlich auch eher, wie bringe ich viele Flugzeuge hier in die Region, damit sie dann bereit stehen? Also das ganze Arbeiten am Boden steht eigentlich tendenziell im Vordergrund.
Markus Appelmann
Lassen Sie uns über die Großübung sprechen. Was wird konkret geübt und vor allem wie wird das geübt? Wie kann man sich das als normaler Bürger vorstellen?
Ralph Thiele
Es geht ja darum, uns vor einer größeren Aggression zu verteidigen. Das ist ja der Sinn, warum man sich auf solche Dinge vorbereitet. Und da muss man im Grunde alles machen, was der Luftkrieg so braucht. Es werden ein paar Drohnen fliegen, nicht sehr viele, eher große, sehr hoch fliegende, hochwertige. In der Masse sind es aber eben Flugzeuge und die üben Luftverteidigung. Also wie wehre ich gegnerische Flugstreitkräfte, auch Raketen ab? Das ist der eine Takt, das andere ist dann auch Luftangriff. Wie bekämpfe ich Bodenziele? Was heutzutage auch mit weiten Distanzwaffen geschieht. Das heißt man schießt die irgendwo oben in der Luft ab und dann würden die landen. Das macht man hier aber zeitgerecht simuliert mit Computersimulation. Also da fliegt nichts und schießt nichts. Aber die Flugzeuge tun so, als wenn sie schießen würden. Dann, viele Flugzeuge haben eine beschränkte Reichweite, deswegen müssen sie das Tanken in der Luft üben, damit das dann auch klappt. Auch das passiert in großen Höhen und auch davon merkt der Bürger tendenziell nichts. Und dann, wenn Sie mal schauen 220 Flugzeuge kommen her, 10.000 Menschen. Die Masse dessen, was passiert, passiert tatsächlich am Boden. Die ganze Instandsetzung und Bereitschaft.
Markus Appelmann
Bei der NATO müssen ja generell unterschiedliche Staaten mit diversen Waffensystemen zusammenarbeiten. Ist das für die NATO in einem Konflikt ein Nachteil oder sind alle Systeme auch im Hinblick auf die Übung perfekt aufeinander abgestimmt?
Ralph Thiele
Tatsächlich ist die Interoperabilität, das ist das Stichwort dafür, für diese Abstimmung der Schlüssel dafür, dass die wirklich orchestriert zusammenwirken können. Und dann ist die Vielfalt ein Vorteil, weil sie eben auch mit taktischen Varianten verbunden ist, also bestimmte Dinge, nehmen wir jetzt mal zum Beispiel die amerikanische A 10, mit der man Panzer bekämpfen kann. Die steht wie so ein Einfamilienhaus in der Luft und macht Löcher in Panzer. So ein Flugzeug ist was ganz anderes als ein Eurofighter, der oben im Luftkrieg versucht, andere Flugzeuge abzudrängen oder abzuwehren. Also diese Vielfalt ist gut.
Markus Appelmann
So ein Manöver ist ja immer auch eine Art Muskelspiel gegenüber anderen Großmächten. Was denken Sie als ehemaliger Bundeswehr-Oberst? Wird dies Russlands Präsident Putin beeindrucken?
Ralph Thiele
Jein. Generell, ich bin ja lange genug dabei gewesen, das ist ein Bruchteil der Flugzeuge, die man im Kalten Krieg bereit hatte. Für heutige Verhältnisse sind das relativ viele. Wir leiden im Westen, das sieht man ja auch am Boden bei der Artillerie unter Munitionsmangel. Der ist zum Teil auch bei den Flugzeugen zu konstatieren, also auch ein Problem. Auf der anderen Seite ist die Solidarität, dass so viele kommen und zusammenwirken können, natürlich auch beeindruckend für Putin.
Markus Appelmann
Sagt Militärexperte Ralph Thiele. Ich bedanke mich für das Gespräch.
Ralph Thiele
Sehr gerne.