Nancy Faeser wird Spitzenkandidatin der SPD

Viele haben es erwartet, seit gestern Nachmittag ist es definitiv: Nancy Faeser wird die Spitzenkandidatin der hessischen SPD für die Landtagswahl im Oktober – sie will die erste Frau an der Spitze der hessischen Landesregierung werden Heute Nachmittag ist die Hessen-SPD zur Klausurtagung in Friedewald zusammengekommen – zu Beginn des Hessen-Gipfels hat sich Faeser dann vor den Kameras zu ihrer Kandidatur geäußert.

Nancy Faeser, SPD, Bundesinnenministerin
„Meine Heimat ist Hessen, hier bin ich verwurzelt, ich bin hier aufgewachsen in Hessen, meine Familie lebt in Hessen und ich möchte gerne, dass dieses Bundesland moderner, stärker und sozialer gestaltet wird, deswegen trete ich an. Für mich ist Hessen Herzensangelegenheit, das ist meine ganze Leidenschaft.“
Nancy Faeser tritt also an – bevor wir Ihnen die Reaktionen auf ihre Kandidatur zeigen, werfen wir einen Blick auf das Leben der Frau, die 18 Jahre lang für die SPD im hessischen Landtag saß.
Die SPD liegt ihr im Blut – Nancy Faeser stammt aus einer sozialdemokratischen Familie, sie selbst engagiert sich lange in der Kommunalpolitik.
2003 zieht sie in den Landtag ein.
2014 wird Faeser hessische SPD-Generalsekretärin.
Nach dem Rückzug von Thorsten Schäfer-Gümbel aus der Politik 2019, übernimmt sie dessen Ämter und steht unangefochten an der Spitze von Partei und Fraktion. Die Oppositionsführerin gilt als scharfzüngige Rednerin, als gut vernetzte Innenpolitikerin, mit der man über Parteigrenzen hinweg gut reden und auch mal gut lachen kann.
Ende 2021 wird sie Bundesinnenministerin in der neuen Ampelregierung – als erste Frau in diesem Amt. Den hessischen Fraktionsvorsitz gibt Faeser ab, ihr Landtagsmandat legt sie nieder, Vorsitzende der Landespartei aber bleibt sie und wird 2022 mit über 94 Prozent im Amt bestätigt.
Faeser wuchs in Schwalbach am Taunus auf und auch heute lebt die 52-Jährige mit ihrer Familie noch dort – eine Verbundenheit, die Faeser immer wieder betont.
Nancy Faeser, SPD, Bundesinnenministerin
„Mein Herz ist in Hessen.“
Und hier in ihrem Heimat-Bundesland will Nancy Faeser jetzt also Ministerpräsidentin werden.
Nancy Faeser hat ihre Spitzenkandidatur verkündet, natürlich nicht ohne Reaktionen der hessischen Landtagsparteien. Was sie von der Spitzenkandidatur der Bundesinnenministerin halten, haben wir für sie zusammengefasst.
Nun steht es also fest – diese drei Kandidaten haben aussichtsreiche Chancen auf den Posten als Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin in Hessen: Boris Rhein, amtierender Ministerpräsident von der CDU, Tarek-Al-Wazir, stellvertretender Ministerpräsident von den Grünen und nun Nancy Faeser von der SPD, derzeit Bundesinnenministerin.
Der Machtkampf bis zur Wahl am 8.Oktober kommt nun so richtig in die Gänge. Doch was halten die Parteien in Hessen eigentlich von Faesers Spitzenkandidatur? Wir haben nachgefragt.
Stefan Naas, FDP, Spitzenkandidat Landtagswahl Hessen
„Die Entscheidung ist gefallen, die Entscheidung muss man respektieren. Ich glaub, dass es für sie schwer wird, beides unter einen Hut zu bekommen. Sie hat ja das Rückfahrticket auch immer noch in der Tasche. Wir konzentrieren uns jetzt auf den Wahlkampf. Und wir konzentrieren uns auf unsere Inhalte. Und wir haben eine Menge zu tun und eine Menge zu diskutieren in Hessen.“
Tarek-Al-Wazir, Bündnis 90/Grüne, stv. Ministerpräsident Hessen
„Natürlich is klar, dass Leute aus dem Amt heraus auch kandidieren. Ich kandidiere ja auch, obwohl ich Wirtschaftsminister bin. Aber klar, es ist ein kleiner Unterschied, ob man von Wiesbaden aus in Hessen Wahlkampf macht oder von Berlin aus. Aber das muss am Ende Nancy Faeser entscheiden, ob das geht oder nicht.“
Die AfD zeigt sich wenig verwundert über Faesers Entscheidung, den Wahlkampf neben ihrem Amt in Berlin zu führen.
Frank Grobe, AfD, Parlamentarischer Geschäftsführer Landtag Hessen
„Sie weiß, glaube ich, jetzt schon, dass sie keine Chance hat Ministerpräsidentin zu werden. Deshalb klebt sie an ihrem Posten als Bundesinnenminister. Ein Posten, wo sie schon selbst versagt hat. Denn immer noch kommen Hunderttausende Migranten illegal über unsere Grenzen. Sie tut nichts. Selbst Landräte aus ihrem eigenen Bereich – sprich: SPD-Genossen, Bürgermeister – laufen Sturm, haben Schreiben an sie gerichtet. Sie ignoriert diese. Als eine Bundesinnenministerin, die keine Innere Sicherheit kann, kann letztendlich auch kein Ministerpräsident.“
Auch die CDU findet heute klare Worte für die Entscheidung von Nancy Faeser.
Manfred Pentz, CDU, Generalsekretär Hessen
„Es ist bemerkenswert zu sehen, dass jemand in einer der schwierigsten Krisen Deutschlands das Innenministerium führt – eins der wichtigsten Ministerien überhaupt und dann glaubt, sie könne mit einem Bein hier in die Staatskanzlei in Hessen hereinreiten. Ich glaube ja, wenn Sie mich fragen, dass Frau Faeser dazu gezwungen wurde. Die SPD hat in Hessen niemand anderes.“
Mit dem Herz in Hessen, mit dem Kopf in Berlin? Das sei zu viel – meint die Linksfraktion.
Elisabeth Kula, Die Linke, Fraktionsvorsitzende Landtag Hessen
„Ich halte es eher für ein Risiko, eben weil man nicht immer vor Ort sein kann und weil man damit schon das Signal gegeben hat, dass man eigentlich gar keinen Führungsanspruch in dem Sinne hat. Aber dennoch, ich glaube, wir als Linke müssen uns jetzt drauf konzentrieren hier einen eigenständigen Wahlkampf zu machen. Wir werden gebraucht und das werden wir auch machen.“
Auch Politikwissenschaftler Eike-Christian Hornig ist skeptisch, ob die Doppelbelastung aus Wahlkampf und Bundesministerin funktionieren kann.
Eike-Christian Hornig, Politikwissenschaftler
„Das Amt einer Ministerin in Berlin ist mit so vielen Aufgaben versehen, mit so vielen Terminen, mit Koordination innerhalb der Bundesregierung, innerhalb des Ministeriums, auch innerhalb der Partei, innerhalb der Koalition. Das ist sowieso schon ein Full-Time-Job. Und dann noch Landtagswahlkampf machen, das wird also sehr herausfordernd werden. Weil man muss bedenken, gerade in der heißen Phase des Wahlkamps, da kommt ein Termin nach dem anderen. Man fährt von Ort zu Ort, von Veranstaltung zu Veranstaltung. Also wie das beides unter einen Hut passen soll, das wird sehr interessant werden.“
Doch den schlimmsten Fall – eine verlorene Landtagswahl und der Verlust von Faeser als Bundesministerin, den will man bei der SPD wohl verhindern.
Und so will Nancy Faeser nun die Bühne nutzen, die ihr das Amt in Berlin bietet. In den letzten Umfragen zur Hessenwahl hatte allerdings die CDU öfter die Nase vorn. Wenn Faeser diesen Trend noch drehen will, muss sie sich ganz schön ins Zeug legen. Und zwar in Hessen.