Mutter wegen Mord am eigenen Kind angeklagt

„Gruselig“ – dieses Wort nutzte der Vorsitzende Richter vor gut einem Jahr am Hanauer Landgericht. Eine Sektenführerin wurde damals wegen Mordes an einem Vierjährigen zu lebenslanger Haft verurteilt. Jetzt wird auch der Mutter des Jungen heute in Hanau der Prozess gemacht.

In diesem Haus soll der kleine Jan gestorben sein. Mit einem Sack über dem Kopf liegt er an einem heißen Sommertag im Badezimmer, fällt in Ohnmacht und erstickt an seinem Erbrochenen. Ein Mord, der vor 33 Jahren passiert.
Letztes Jahr wird Silvia D. für dieses Verbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Die mutmaßliche Anführerin einer Hanauer Sekte glaubt damals, dass Gott durch sie spricht. Der Junge sei die Wiedergeburt Hitlers gewesen, sagt sie.
Mit der Verurteilung der ehemaligen Krankenschwester ist der Fall aber nicht abgeschlossen: Die Staatsanwaltschaft Hanau hat nun auch Anklage gegen die Mutter des getöteten Kindes, Claudia H., erhoben.
Dominik Mies, Oberstaatsanwalt
„Konkret wird ihr vorgeworfen, den Jungen in einen Sack gesteckt und diesen oben zugeschnürt zu haben. In diesem Sack ist der Junge später ums Leben gekommen. Und die Angeklagte soll den Jungen in die Obhut einer vermeintlichen Anführerin einer religiösen Gemeinschaft gegeben haben.“
Die heute 60-jährige Mutter habe damit den Tod des Sohnes zumindest billigend in Kauf genommen. Die Sektenchefin habe ihr bereits im Voraus prophezeit, dass der Junge bald sterben werde, durch Gottes Hand, wie sie glaubt.
Die Verteidiger halten die Staatsanwaltschaft für befangen. Die Mutter des Opfers sei durch den Prozess gegen Silvia D. und den Medientrubel um sie bereits vorverurteilt.
Wiebke Otto-Hanschmann, Rechtsanwältin
„Es geht nur um die Frage, ob unsere Mandantin eine Schuld trifft im Sinne einer strafrechtlichen Verurteilung. Es geht nicht darum, welcher religiösen Glaubensgemeinschaft man angehört, ob man glaubt. Es geht nur um diese eine Frage: Hat sie sich schuldig gemacht oder ist sie freizusprechen?“
Das Opfer, Jan H., wäre heute 37 Jahre alt. Ermittler hatten den Tod des Jungen jahrelang für einen Unfall gehalten. 2015 war der Fall nur durch Hinweise von Sekten-Aussteigern ans Licht gekommen.
Die Mutter werde im Laufe der Verhandlung eine Aussage machen, kündigt die Verteidigung an. Kurz vor Weihnachten könnte der Prozess zu Ende gehen. Im Falle einer Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord droht der Angeklagten lebenslange Haft.