Mutmaßliche sexuelle Übergriffe bei der Linken – Landesvorsitzende aus Rheinland-Pfalz fordert Konsequenzen

Heute hat die Co-Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow reagiert und ihren sofortigen Rücktritt erklärt. Das genügt Melanie Wery-Sims nicht.

Markus Appelmann, Moderator: Heftige Unruhe in der Partei Die Linke derzeit. Im hessischen Landesverband soll es zu Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen gekommen sein. Seit Tagen ziemlich ungemütliche Schlagzeilen. Den Vorwurf, davon gewusst, aber nicht rechtzeitig reagiert zu haben, gibt es auch gegen die langjährige Fraktionschefin im hessischen Landtag, Janine Wissler, die heutige Bundesvorsitzende. Öffentlich gemacht hat die Vorwürfe der Jugendverband ’solid. Über 60 Betroffene sollen sich dort bislang gemeldet haben. Die Anschuldigungen reichen von Sexismus bis zu Vergewaltigungen. Heute hat die Co-Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow reagiert und ihren sofortigen Rücktritt erklärt. Das genügt Melanie Wery-Sims nicht. Sie ist Landeschefin der Linken in Rheinland Pfalz und Mitglied des Bundesvorstandes. Guten Abend!
Melanie Wery-Sims, Die Linke, Mitglied des Bundesvorstandes: Ja, hallo Herr Appelmann.
Appelmann: Sie fordern, dass der gesamte Bundesvorstand neu gewählt und verkleinert werden soll. Warum?
Wery-Sims: Ja, man weiß natürlich, so ein großes Gremium kann sich gerne mal gegenseitig blockieren umd das war meines Erachtens in letzter Zeit ganz massiv der Fall. Jetzt nicht mur in der Metoo-Debatte, sondern auch bei vielen anderen Themen.
Appelmann: Heißt das auch, dass die aktuelle Bundesvorsitzende Janine Wissler aus Hessen künftig nicht mehr zur Parteiführung gehören sollte?
Wery-Sims: Das muss man natürlich sehen. Ich fordere ja nicht den Rücktritt, sondern ich denke, dass der jetzige Parteivorstand – ich bin ja auch Mitglied des Parteivorstands – jetzt die Weichen stellen muss für einen Neustart. Wir müssen einfach ganz ehrlich all das, was passiert ist, aufarbeiten und müssen dann die Weichen für eine Neuwahl stellen. Und wer dann noch mal antritt, das muss jeder natürlich mit seinem eigenen Gewissen vereinbaren.
Appelmann: Aber noch mal nachgefragt: Neustart klingt jetzt nicht nach Janine Wissler.
Wery-Sims: Ja, das wird sich dann sehen.
Appelmann: Sie selbst gehen davon aus, dass die bislang bekannt gewordenen Fälle sexueller Übergriffe in der Partei Die Linke nur „die Spitze des Eisbergs“ sind, haben Sie wortwörtlich gesagt. Wie kommen Sie darauf?
Wery-Sims: Na ja, ich bin ja selber noch gar nicht so arg lange in der Partei und musste leider auch sehr schnell mit solchen Erfahrungen Bekanntschaft machen. Und ich fand das damals sehr schockierend, weil ich dachte, wir wären eigentlich in einem Safe Space. Und man muss, glaube ich, einfach als Linker realisieren, dass wir davor nicht gefeit sind. Und dann heißt es, wir müssen einfach uns selber damit konfrontieren. Also wir dürfen da nicht sagen: „Bei uns Linken gibt es das nicht“ und wir vertuschen das oder oder versuchen das zu ignorieren, sondern wir müssen wirklich dann konfrontativ damit umgehen und präventiv, das heißt nicht weggucken, sondern wirklich Konsequenzen ziehen. Das ist ganz wichtig.
Appelmann: Kurze Nachfrage noch mal dazu. Sie haben gesagt, Sie mussten selbst Erfahrungen damit machen. Können Sie das ein bisschen noch mal ausholen, um was es da ging,
Wery-Sims: Da möchte ich ganz ungern ins Detail gehen, weil ich will auch nicht den Fokus von den jetzigen Betroffenen ablenken. Aber ich glaube, dass wir eben auch ein Spiegel sind der Gesellschaft und deswegen findet so was bei uns natürlich auch statt. Das heißt, das fängt ja schon bei sexistischen Beleidigungen an und da müssen wir auch alle lernen, dass wir auch selbst laut sind und auch sagen: „Hey, stopp! Bis dahin und nicht weiter!“. Und dafür müssen wir auch die Satzung übrigens ändern. Also, das wird auch heute Abend hoffentlich in der Sitzung auch passieren.
Appelmann: … sagt Melanie Wery-Sims, Landeschefin der Linken in Rheinland Pfalz. Danke Ihnen.
Wery-Sims: Ich danke Ihnen.