Musikbunker vor dem Aus?

Es ist ein ziemlicher Schlag für die Musikszene in Frankfurt: Ein alter Weltkriegsbunker, in dem seit Jahrzehnten Bands proben und Produzenten arbeiten, steht vor dem Aus – offizieller Grund ist der Brandschutz. Alle Mieter müssen bis Ende des Jahres raus – und wissen nicht wohin.

In diesem Bunker im Marbachweg wurden Hits produziert und spätere Weltstars wie Snap wagten ihre ersten Schritte. Das Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg ist ein zentraler Ort Frankfurter Musikkultur und Heimat für viele Amateurmusiker wie Reinhard Hübsch und seine Band. Die Kündigung seines Proberaumes war für ihn ein Schlag ins Kontor.
Reinhard Hübsch, Gitarrist
„Also, wir waren so verunsichert und auch so erschrocken, als wir den Brief von unserem Vermieter bekamen – das ist ja sozusagen wie in Pacht jetzt hier -, dass wir im ersten Moment dachten: ‚Mein Gott, wo sollen wir denn jetzt hin mit unseren Sachen?‘, und ganz panisch haben wir begonnen, nach andern Räumlichkeiten zu suchen.
Die Besitzerin des Bunkers – die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – gibt Mängel im Brandschutz als Begründung an.
Insgesamt sind etwa 50 Bands von der Kündigung betroffen, dazu Produzenten und Musiklehrer, die im Bunker Unterricht geben. Auch Michael Kohlbecker muss in den kommenden Wochen raus. Seit 13 Jahren produziert er in seinem Studio Musik – für den Dancefloor genauso wie für unzählige Filme und Fernsehserien. Der Bunker ist einfach optimal für Musiker.
Michael Kohlbecker, Musikproduzent
„Ich bezahle hier nicht so viel wie in jedem anderen Gebäude, weil natürlich hier die Pachtmiete oder die Mieten, die hier verlangt werden, viel günstiger sind, als das, was in der Realität da draußen so verlangt wird. Das bedeutet, man müsste eigentlich 40 Prozent an Kosten draufrechnen und – jetzt kommt der entscheidende Teil – wir sind zu laut. Wir können ja nicht in irgendeinem Gebäude, wo jemand Brainstorming betreibt und dahinten ein Meeting ist, unseren Krach machen.“
Angebote der Mieter, den Brandschutz auf eigene Kosten zu ertüchtigen, wenn dafür die Mietverträge bestehen bleiben, stießen bislang auf taube Ohren. Was mit dem Bunker nach der Entmietung passiert, ist nicht sicher.
Für eine Wohnbebauung ähnlich wie im Frankfurter Stadtteil Griesheim ist er möglicherweise nicht geeignet – und gesprengt werden kann er auch nicht, ohne die umliegenden Häuser in Schutt und Asche zu legen.
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verweist aber auf gesetzliche Vorgaben:
„Falls für die Liegenschaft keine Verwendungsmöglichkeit besteht und sie damit für Zwecke des Bundes entbehrlich ist, ist die BImA […] gehalten, sie wirtschaftlich zu veräußern.“
Und das ist der Strohhalm, an den sich die Betroffenen klammern. Vorkaufsrecht hätte nämlich die Stadt Frankfurt. Die erklärt auf Anfrage von „17:30 SAT 1 live“, es sei unklar, ob der Kauf des Bunkers angesichts der aktuellen Finanzlage möglich sei. Aber man versuche, rasch Ersatzräume für die Musiker zu finden.
Michael Kohlbecker appelliert an die Kulturstadt Frankfurt.
Michael Kohlbecker, Musikproduzent
„Was halt wirklich fatal ist, dass es hier in diesem Gebäude mehrere hundert Personen betrifft, die alle im kreativen Bereich tätig sind, unternehmerisch tätig, also nicht irgendwelche Hobbybands oder so, sondern wir sind hier schwer am Schaffen und durch die Coronalage schon am Rand des Existentiellen. Und das ist ein Todesstoß für viele, beziehungsweise ein echter Kahlschlag in der Kulturentstehung Frankfurts.“
Stand jetzt ist aber mit der Musikkultur im Marbachweg Ende des Jahres Schluss.