Massive Bauernproteste in Hessen und Rheinland-Pfalz

Die Bauernproteste haben heute an vielen Orten für Störungen gesorgt. Seit dem Morgen demonstrieren die Landwirte gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung – ganz konkret gegen die Streichung von Subventionen. Fast überall in Hessen und Rheinland-Pfalz gab es Blockaden – auf den Autobahnen A3, A63 und A66 kam es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen.

Ausnahmezustand im ganzen Land. Tausende Traktoren blockieren Straßen und Autobahnen, bilden Korsos in Innenstädten. Allein aus dem Großraum Koblenz haben sich 3000 Demonstranten versammelt. Sie sind unzufrieden mit den Beschlüssen der Ampel-Regierung, das ist nicht zu übersehen.
Thomas Schneider, Landwirt aus Koblenz
„Wir sind seit Jahren eigentlich gebeutelt und mit Sparplänen konfrontiert und das hier war jetzt letzten Endes das letzte i-Tüpfelchen, wo es reicht.“
Christian Kalab, Landwirt aus Becheln
„Wir sind ein Exportland und wir wollen von allem unabhängiger werden, wir fahren aber die eigene, heimische Landwirtschaft voll gegen die Wand.“
Andreas Jung, Vorstand „Land schafft Verbindung“ RLP
„Im Endeffekt bezahlt diese Sparpläne jeder beim Einkauf im Supermarkt und das sollte auch jeder irgendwo verstehen, das ist auch der Grund, warum wir demonstrieren.“
Bereits am vergangenen Donnerstag hatte die Stadt Koblenz vor den Beeinträchtigungen gewarnt und dazu aufgerufen, nach Möglichkeit im Homeoffice zu bleiben. Über die A61 zieht ein Demonstrationszug von Montabaur Richtung Mainz. Unter Ihnen sind auch viele Lastwagen-Fahrer und Spediteure.
Niklas Koch, Spediteur
„Zum Einen solidarisieren wir uns natürlich mit den Landwirten hier, die für ihre Ziele protestieren, zum anderen haben wir aber auch ganz eigene Ziele, das ist die Maut-Erhöhung, die im letzten Jahr auf uns zugekommen ist.“
Holger Singhof, LKW-Fahrer aus Attenhausen
„Wir fahren natürlich auch für die Landwirtschaft, wir fahren Schüttgüter, wir fahren also auch Getreide und irgendwie muss es ja wieder besser werden.“
Andreas Wentzel, Hausmeister aus Neuwied
„Ja, ich habe keinen Bock auch irgendwann 10 Euro für ein Stück Butter zu zahlen.“
Doch worum geht es eigentlich? Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im November ist im Haushalt der Bundesregierung ein 60 Milliarden Euro großes Loch entstanden. Über Einsparungen soll das Geld wieder rein kommen: Bislang mussten Landwirte für ihre Maschinen keine KfZ-Steuer zahlen und haben für den Agrardiesel Subventionen erhalten. Beides wollte die Regierung streichen. Dagegen hatten Bauern bereits in den letzte Wochen massiv protestiert. Dann vergangene Woche ein Einlenken. Die Bundesregierung erklärt, die KfZ-Steuerbefreiung doch beibehalten zu wollen. Außerdem sollen die Subventionen für den Agrardiesel nicht sofort, sondern schrittweise bis 2026 abgeschafft werden.
Doch den Landwirten ist das nicht genug. Das zeigen auch die rund 1500 Demonstranten in Ludwigshafen. Sternfahrten aus der ganzen Region Vorderpfalz enden hier am Vormittag. Das teilweise zurückrudern der Ampel-Regierung hat die Bauern nicht besänftigt.
Johannes Zehfuß, Vizepräsident Bauernverband Rheinland-Pfalz Süd
„Das ist doch alles nur Augenwischerei. Es geht ja nicht nur um die Belastungen durch Steuerbefreiung der Fahrzeuge und Steuerreduktion bei Agrardiesel, sondern wir haben ja noch viel mehr Schmerzen zu verkraften, die wir alle hingenommen haben, zwei Milliarden weniger Agrarförderung, die Maut-Besteuerung, die CO2-Besteuerung, die Energie-Besteuerung, das trifft uns Landwirte alle.“
Reiner Bossert, Landwirt aus Neustadt an der Weinstraße
„Wird alles auf unserem Rücken ausgetragen, wo wir die letzten Jahre schon ganz viele Auflagen aufgebürdet gekriegt haben.“
Valentin Gerhardt, Landwirt aus Ludwigshafen: „Es ist auch irgendwie traurig, dass wir jetzt von unserem Staat so behandelt werden als Landwirte.“
Stephan Schindler, Landwirt aus Bobenheim am Berg
„Wir halten zusammen und gemeinsam sind wir stark und wir werden auch was erreichen.“
Auch hier wurden Straßen zeitweise gesperrt.
Ghislaine Wymar, Polizei Ludwigshafen
„Die Verkehrsbeeinträchtigungen haben sich im Rahmen gehalten, es gab vereinzelte Verkehrsbeeinträchtigungen, aber nicht so viel wie wir befürchtet hatten.“
Auch in Wiesbaden vereinnahmen die Traktoren die Straßen in der Innenstadt. Rund 2.000 Fahrzeuge sind gekommen. Gemischte Gefühle bei den Anwohnern.
Carola Dall, Anwohnerin
„Da sind ja nun sehr viele wohlhabende Winzer mit dabei, die hier protestieren. Bei Klimaaktivisten da wäre hier die Hölle los mit Polizei und die fahren ja praktisch ungeniert und blockieren die komplette Innenstadt, da habe ich gar kein Verständnis dafür.“
Anna Edelmann, Anwohnerin
„Ich finde es bedauernswert, dass Bauern kaum eine Überlebenschance in Deutschland haben. Insofern ist das längst überfällig.“
Vor der hessischen Staatskanzlei haben sie sich zu einer Kundgebung versammelt. Einige Demonstranten schlagen scharfe Töne an. Der Bauernverband distanziert von solchen Aussagen.
Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes
„Wir machen unsere Demonstrationen, das ist unser gutes Recht, das muss aber alles in den Rahmen und in Regelungen bleiben und wir grenzen uns ganz klar gegen diese Rechtsdenkenden Gruppen ab, das kann nicht sein.“
Nach ihrer Kundgebung übergeben die Landwirte dem Chef der hessischen Staatskanzlei, Axel Wintermeyer, eine Resolution. Er erklärt, die Forderungen der Landwirte zu unterstützen und verweist auf den Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Landesregierung.
Axel Wintermeyer (CDU), Chef der Staatskanzlei Hessen
„Es wird ein wesentlich stärkerer Fokus auch auf die Landwirtschaft gelegt werden, einfach deswegen, weil die Landwirtschaft viel zu viel Bürokratie hat, viel zu viel Fesseln angelegt bekommen hat und jetzt auch noch sozusagen für die Ampelpolitik zahlen muss, das halten wir für ungerecht.“
Verständnis auch in der Landesregierung in Rheinland-Pfalz. Aber:
Daniela Schmitt (FDP), Landwirtschaftsministerin Rheinland-Pfalz
„Die Proteste müssen verhältnismäßig sein und es muss auch honoriert werden, dass man jetzt einen entsprechenden Kompromiss auf den Tisch gelegt hat, aber ich versteh auch gleichermaßen, dass natürlich auch die Nerven ein Stück weit blank liegen.“
Es ist der Auftakt einer bundesweiten Protestwoche. Weiter gehen soll es am Mittwoch mit einer Großen Kundgebung vor dem Mainzer Landtag.