Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase über ein Jahr im Amt

Diese Aufnahmen sind 15 Jahre her. Da hieß es: Schlag den Raab! Und er hat es tatsächlich getan. Der Mainzer Nino Haase schlägt Stefan Raab und gewinnt 3 Millionen Euro. 15 Jahre weiter ist Nino Haase Oberbürgermeister von Mainz und die Frage lautet jetzt: Schlägt er sich gut als Oberbürgermeister? Nach über 70 Jahren, in denen eine SPD-Stadtspitze in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt regierte, übernahm letztes Jahr ein Parteiloser das Amt. Gleich ziehen wir mit ihm hier im Studio Bilanz – vorher der Blick auf seine bisherige Amtszeit.

Nino Haase. Er ist der erste parteilose und beim Amtsantritt auch der jüngste Oberbürgermeister, den die Stadt Mainz je hatte. Nach dem Wahlsieg galt es für den politischen Newcomer in kürzester Zeit zu lernen, wie die Arbeit an der Stadt- und Verwaltungsspitze aussieht. Haase selbst formuliert seinen Anspruch folgendermaßen:
Nino Haase (parteilos), Oberbürgermeister Mainz, am 22.3.2023
„… für unsere Stadt wirklich die persönlich beste Version meiner selbst zu werden.“
Mit einem ganzen Bündel an Wahlversprechen zieht Haase ins Rathaus ein: mehr Bürgerbeteiligung, aus der Stadt einen attraktiveren Wirtschaftsstandort machen, das Ehrenamt stärken. Und: mehr Kita-Plätze sowie mehr Geld für Kita-Personal. Ein Vorhaben, das er schnell in die Tat umsetzt, obwohl es weiter viele offene Kita-Stellen gibt.
Ein Merkmal von Haase ist sein Engagement in den sozialen Netzwerken. Dort informiert er über den Alltag als OB. Was den einen gefällt, sehen andere als übertriebene Selbstdarstellung. Kritik an Haase äußern unter anderem die Mainzer Narren beim Rosenmontagsumzug. Der Tenor des Motivwagens: Der Haase steht zwar oft im Rampenlicht. Doch umgesetzt hat er noch nicht so viel.
Wir fragen die Mainzer: Wie fällt ihre Bilanz nach dem ersten Jahr von Haases Amtszeit aus?
Ludwig
„Ich habe mich mit dem Oberbürgermeister Haase schon unterhalten und ich find ihn sehr nett, sehr höflich. Und er hat auch zugehört.“
Philipp Schöttle
„Ich find den ganz sympathisch, aber viel mitbekommen habe ich noch nicht von ihm.“
Cornelia Müller
„Ich habe ihn auch mal auf den Festen gesehen. Er scheint sehr bürgernah zu sein. Aber leider hat man dann nichts mehr von ihm gehört, was er umgesetzt hat. Ich schaue immer in der Zeitung; ich hab nichts weiter gesehen, was er jetzt für Mainz umgesetzt hat.“
Jan Paulus
„Was mich jetzt doch positiv überrascht hat, war der Einsatz für das Caveau vor Kurzem. Dass man sich da direkt zusammengesetzt hat, um die Clubkultur in Mainz doch zu retten und irgendwo auch aufrechtzuerhalten.“
In einem Jahr haben sich die Bedingungen für den Mainzer Oberbürgermeister deutlich verändert. Während der Corona-Zeit sprudelten die Steuereinnahmen durch den Erfolg des Mainzer Impfstoffherstellers BioNTech. Zuletzt wies der Stadthaushalt wieder ein Defizit auf. Die nächste Veränderung dürfte im Juni ins Haus stehen. Dann sind Kommunalwahlen und Haase wird es mit einem veränderten Stadtparlament zu tun bekommen
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Markus Appelmann, Moderator:
Darüber wollen wir natürlich auch sprechen mit dem Oberbürgermeister von Mainz, mit Nino Haase. Guten Abend.
Nino Haase (parteilos), Oberbürgermeister Mainz:
Schönen guten Abend.
Appelmann:
Um mal locker einzusteigen: Was ist einfacher? Stefan Raab zu schlagen oder Oberbürgermeister von Mainz zu sein?
Haase:
Definitiv ersteres. Das ist tatsächlich leichter.
Appelmann:
Das andere ist eher ein Marathon.
Haase:
Das andere ist ein Marathon. Und natürlich, man muss auch auf deutlich mehr Dinge achten. Es ist schon eine deutlich komplexere Aufgabe, überhaupt, keine Frage. Aber es ist beides etwas, was einen fordert und deswegen auch sehr viel Spaß macht.
Appelmann:
Wir haben ja die Mainzer gefragt. Sie haben gesagt; “Er kann zuhören” – auf der positiven Seite. Aber sie haben auch gesagt: “Er hat noch nicht so richtig viel umgesetzt.” Ist es schwierig, Akzente zu setzen?
Haase:
Na gut, jetzt haben wir vier gefragt, wenn wir weiterfragen, dann kriegt man das wahrscheinlich sogar noch besser mit. Es zeigt im Übrigen aber auch, dass ich noch nicht so viel mache bei den sozialen Netzwerken, weil es ist immer noch schwer, den Leuten alle Projekte gleichzeitig zu vermitteln. Aber nehmen wir mal das Thema Kita, was jetzt hier auch in dem Beitrag war. Da hieß es anfangs: “Das geht nicht mit der Höhergruppierung in Rheinland-Pfalz”. Und dann nach wenigen Monaten haben wir uns hingesetzt und haben eine Lösung gefunden, die auch landesweit jetzt Anklang findet, mit dem Erfolg, dass wir deutlich mehr Kita-Stellen besetzt haben, als es in den letzten zehn Jahren in jedem Jahr der Fall war.
Appelmann:
Aber da können wir vielleicht mal konkret werden. Sie haben ja gesagt 111 neue Kita-Kräfte. Die Gewerkschaft sagt: “Ein erster Schritt ist gemacht, aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.” Wann werden wir das Ziel erreicht haben?
Haase:
Das ist immer eine gute Frage. Wir sehen ja, da ist ein guter, richtiger Weg jetzt eingeschlagen. Jetzt bin ich ein Jahr dran. Ich arbeite sicherlich auch vieles auf, was ich mir vielleicht auch in Jahren zuvor schon gewünscht hätte. Aber wir haben 111 Unterstützungskräfte plus die Erhöhung für die Kita-Fachkräfte auf den Weg gebracht und sehen eben, dass wir anstatt wie in den Vorjahren zehn Leute pro Jahr mehr einstellen jetzt über 40 / 45 eingestellt haben. Und klar, wir müssen das genauso weitergehen mit dem gleichen Engagement. Aber ich muss sagen, dafür, dass ich jetzt 13 Monate dran bin, bin ich da sehr zufrieden, was den Aspekt angeht. Und das wird mir übrigens auch aus dem Personalbereich zurückgespiegelt.
Appelmann:
Aber noch mal konkret zu werden: 50 sind ungefähr angekommen von den 111 – also es ist noch ein Weg zu gehen.
Haase:
Klar ist das noch einen Weg zu gehen. Aber nochmal: Man sieht ja auch in vielen anderen Kommunen, da ist die gleiche Schwierigkeit da. Und wenn wir jetzt darüber reden, das war ja in dem Beitrag auch zu sehen, wieder ein interessanter und weiterhin interessanter Wirtschaftsstandort zu bleiben, dann ist das eben ein ganz wichtiger Faktor. Wollen wir Fachkräfte nach Mainz bekommen, brauchen wir die Kinderbetreuung und deswegen habe ich so meinen Fokus darauf gelegt. Und das ist in den 13 Monaten – bin ich da recht zufrieden, wo wir jetzt stehen. Natürlich, wenn wir in fünf Jahren gucken, muss es noch deutlich besser dastehen, das ist klar.
Appelmann:
Wir haben gerade über die BioNTech-Millionen auch noch gesprochen, die gesprudelt sind. Deswegen war das erste Jahr für sie doch relativ locker. Jetzt macht Mainz wieder Miese. Sagen Sie mal ganz klar: Wo müssen die Bürger jetzt demnächst einsparen, wo müssen sie den Gürtel enger schnallen?
Haase:
Wir sind gerade dabei, den Haushalt zu planen und aufzustellen. Ich setze mich jetzt auch in den nächsten Wochen dann im Finanzdezernenten zusammen und dann nehmen wir uns wirklich Zeit, um uns den Haushalt anzuschauen. Fakt ist: Ja, das stimmt, die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln nicht mehr so wie vorher. Auf der anderen Seite haben wir jetzt auch im letzten Haushalt schon enorm viele Großprojekte auch drin. Und was Schulbau angeht, was Kita-Bau angeht, da müssen wir schneller werden. Das war ja auch etwas, was ich immer gesagt habe: “Wir müssen deutlich mehr einstellen, wir müssen auch besser bezahlen, beispielsweise im Baubereich.” Haben wir auch gemacht und sehen dort auch eine Verbesserung. Das muss dazu führen, dass wir schneller Projekte umsetzen und dann vor allem weniger Baukostensteigerung produzieren. Je schneller ich etwas umsetze, desto weniger Baukostensteigerung habe ich dran. Das ist zum Beispiel beim Rathaus ähnlich, da gelingt das gerade ziemlich gut. Also das sind Themen, wo ich sage, wir müssen jetzt das, was wir haben, umsetzen. Und ich glaube, da haben wir genug zu tun.
Appelmann:
Umsetzen ist ein gutes Stichwort. Die Kommunalwahl rückt ja langsam näher. Am 09.06. ist es soweit. Das heißt, es wird ein neues Stadtparlament geben. Das bedeutet für den parteilosen Nino Haase: Sie brauchen neue Mehrheiten.
Haase:
Ich brauche als Oberbürgermeister, glaube ich, generell keine feste Mehrheit, sondern ich muss Themen verfolgen, die gut und wichtig für die Stadt sind. Nehmen wir das Beispiel Wohnraumentwicklung. Wir haben jetzt im letzten Jahr die lange Perspektive für Mainz auf den Weg gebracht. Wo sind unsere neuen Stadtteile, wo können wir überhaupt noch Wohnraum schaffen? Und gleichzeitig habe ich auch noch mit dafür gesorgt, dass wir jetzt bei dem Thema Ankauf von Grund und Boden, dass wir als Stadt uns ein Vorkaufsrecht sichern. Wir wollen nicht mehr, dass die Mietpreise so hochgehen. Wir haben die Förderquoten deutlich erhöht, als erste Großstadt in Rheinland-Pfalz den Schritt gegangen. All das waren Sachen, die waren mir wichtig. Und wenn man die richtig vermittelt und dann auch mit den Leuten in den Fraktionen spricht, kriegt man dafür auch Mehrheiten. Das ist gelungen.
Appelmann:
… sagt Nino Haase, der Oberbürgermeister von Mainz. Ein Jahr im Amt. Danke, dass Sie da waren.
Haase:
Danke schön.