Lokführerstreik führt zu vielen Zugausfällen – Interview mit LVU-Präsident Johannes Heger

Und wir beginnen die heutige Sendung wieder einmal mit Chaos bei der Bahn: Sind auch Sie heute zu spät zur Arbeit gekommen oder schlimmstenfalls gar nicht? Die streikenden Lokführer legen den Fernverkehr bei der Deutschen Bahn erneut lahm. Auch in den kommenden Tagen müssen sich Pendler und Reisende auf massive Verspätungen einstellen.

Heute Morgen am Frankfurter Hauptbahnhof – nur wenige bis keine Züge in Sicht. Die Lokführer legen den Bahnverkehr nahezu lahm. Und das bereits zum dritten Mal innerhalb von zwei Monaten. Nur jeder fünfte Fernzug fährt, die Bahn spricht von Millionen betroffener Fahrgästen. Andrang am Info-Schalter, vor allem Berufspendler sind genervt.
Christian Stürmer
„Die Antwort, die dann von den Kollegen kam, war einfach nur: Ja, es wird gestreikt. Der nächste Zug fährt dann in einer Stunde, ich verpasse meine Termine. Ich finde das nicht in Ordnung, dass so gestreikt wird.“
Olga Dell
„Mein Zug fällt aus. Ich hoffe, dass ich in den nächsten reinkomme, der nicht komplett überfüllt ist. Und ich hoffe, dass es irgendwann einen Anzugschlusszug gibt, der auch nicht komplett überfüllt ist.“
John Marlon Jouhoff
„Ich muss eigentlich arbeiten heute und morgen. Meine Arbeit beginnt um 15 Uhr, aber es geht nicht. Ich muss jetzt quasi zwei freie Tage nehmen.“
Die Bahn hatte bis zuletzt versucht, den Streik gerichtlich zu stoppen. Doch das Hessische Landesarbeitsgericht in Frankfurt hat eine entsprechende Klage Dienstagabend zurückgewiesen. Die Lokführergewerkschaft GDL fordert vor allem, dass die wöchentliche Arbeitszeit auf 35 Stunden gesenkt wird – bei vollem Lohnausgleich. Die Deutsche Bahn hatte zuletzt 37 Wochenstunden angeboten, allerdings bei weniger Lohn. Die Gewerkschaft spricht von einer Provokation, sehr zum Verdruss der Deutschen Bahn.
Anja Bröker, Sprecherin Deutsche Bahn
„Für unsere Fahrgäste ist es eine Zumutung, jetzt schon wieder einen Streik über drei Tage erdulden zu müssen. Wir sind der Meinung, über Angebote verhandelt man und spricht man, und nicht in einem Streik.“
Den Arbeitsstopp kritisieren auch Unternehmerverbände scharf, denn neben Berufspendlern ist auch der Güterverkehr betroffen. Und die Lokführer wollen erneut streiken, sollte bis Freitag kein neues Angebot der Bahn vorliegen. Funfact am Rande: Gewerkschaftsboss Claus Weselsky wurde gestern Opfer seines eigenen Streiks, nach dem späten Gerichtsurteil verpasste er seinen letzten Zug und musste auf andere Weise nach Berlin zurückkehren.
Studiogespräch:
Markus Appelmann, Moderator: Die Unternehmerverbände sind gerade eben schon angesprochen worden. Bei mir live im Studio der Präsident der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland Pfalz, Johannes Heger. Guten Abend.
Johannes Heger, LVU-Präsident: Guten Abend.
Appelmann: Sie sprechen für 115.000 Unternehmen, für 1 Million Beschäftigte im Land. Was genau kritisieren Sie am Bahnstreik?
Heger: Wir kennen natürlich sehr wohl die Situation, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer wieder in den Verteilungskonflikte kommen und sie versuchen, das in Tarifverträgen zu verhandeln, wie es weitergehen soll. Und wenn die Verhandlungen stocken, dann gibt es das Streikrecht, und das ist sehr, sehr gut, dass es das gibt. Aber wichtig ist eben die Verhältnismäßigkeit, das Augenmaß, wie ich dieses scharfe Schwert einsetze. Und wenn das scharfe Schwert in einer Hand ist, der zu lax damit umgeht, dann finden wir uns alle dadurch sehr einschränke, eingeschränkt und das möchten wir so nicht tolerieren.
Appelmann:  Vielleicht erklären wir das mal noch ein bisschen genauer. Wir haben da zwei konkurrierende Gewerkschaften. Wir haben auf der einen Seite die EVG, die Eisenbahn, Verkehrsgewerkschaft, die vertritt 180.000 Beschäftigte bei der Bahn, die GDL, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, die jetzt gerade streikt, die verhandelt lediglich für 10.000 Beschäftigte. Ganz konkret Sie fordern eine Rückkehr zum Prinzip ein Betrieb, eine Gewerkschaft, einen Tarifvertrag.
Heger: So ist es auch vom Gesetzgeber zwar einmal ausgesetzt worden, aber inzwischen gilt es wieder so ein Betrieb, eine einen Tarifvertrag. Das sehen wir auch bei der Bahn. Allerdings gibt es eben 180 Betriebe, da ist der Tarifvertrag von der EVG in Kraft und 20 Betriebe, da ist der Tarifvertrag, wie auch von der GDL ausgehandelt handelt, wurde in Kraft. Jetzt sind es sehr viel weniger. Aber natürlich werden auch die wenigen Betriebe, die durch den einen Tarifvertrag, durch die eine Gewerkschaft vertreten sind, in Verhandlungen gehen. Es sind aber eben sehr wenige Mitarbeiter, sehr wenige Gewerkschaftsmitglieder. Und da sie den ganzen Bahnverkehr Betrieb für ganz Deutschland lahmlegen können, das ist sehr unverhältnismäßig, wenn sie das zu einem sehr frühen Zeitpunkt in den Tarifverhandlungen gleich als eine der ersten Maßnahmen ansetzen.
Appelmann: Jetzt haben wir Streiks bei der Bahn. Das heißt natürlich auch Streiks im Güterverkehr. Was bedeutet das denn für die Wirtschaft? Wir haben ja gerade bei Korona auch gelernt Die Lieferketten sind problematisch.
Heger: Die alle Unternehmen sind. Eben nicht nur dadurch betroffen, dass ihre Mitarbeiter möglicherweise sehr erschwert nur zum Arbeitsplatz kommen können, vielleicht auch nur zu spät, wie wir es im Beitrag gehört haben. Das heißt also hier ist die ganze, die ganze Mitarbeiterschaft betroffen. Aber zum anderen Die Unternehmen empfangen eben auch Güter und Waren über mit der Bahn weniger als die Hälfte zwar nur noch, aber immerhin. Und wenn das länger andauert und die Lager leer sind und die Lieferketten gestört sind, dann leiden alle Unternehmen da darunter, dass sie das, was sie ihren Kunden versprochen haben, nicht rechtzeitig abliefern können und möglicherweise auch nicht nachholen können. Denn Umsatz, der ausfällt, ist nicht immer so, dass man denen später noch mal hinkriegt.
Appelmann: Jetzt haben wir parallel zu den Warnstreiks auch noch die Bauern. Proteste. Sie sind unzufrieden mit der Bundesregierung. Die Zustimmungswerte für die Regierung in Berlin sowieso. Momentan unterirdisch der Regierung in Berlin. Wie zufrieden ist die Wirtschaft? Ist die Landes Vereinigung Unternehmerverbände mit der Bundesregierung?
Heger: Wir haben bei den Bauern Protesten ja mal eine klare Abgrenzung, denn hier handelt es sich ja gerade nicht um einen Streik, hier geht es nicht um eine Lohnfindung oder eine Arbeitszeitregelung, was glaube ich passiert ist. Und das empfinden wir als Wirtschaft im Land und in Deutschland auch von Deutschen. Es ist, es sind viele Krisen, die gleichzeitig da sind. Irgendwie müssen wir durch Politik da durchgeführt werden. Aber die Empfindung ist In Deutschland gibt es zu viel Bürokratie, es geht zu langsam, es ist zu wenig Kommunikation. Und wenn die Bauern eben ganz kurz vor knapp erfahren mussten, dass ihnen Steuervergünstigungen gestrichen werden und sie sich darauf gar nicht einstellen konnten ich glaube, das war der Punkt, wo das Fass übergelaufen ist. Und dann sind die Bauern und Landwirte eine große, starke Gruppe, die sich artikulieren kann, die mit ihren Geräten dann öffentlichkeitswirksam auf die Straße gehen und ihrem Unmut Luft machen. Ich glaube, es war gerade die Gruppe, die jetzt das so empfunden hat. Wir als Unternehmen wünschen uns auch in Deutschland weniger Bürokratie, schnellere Geschwindigkeiten, niedrigere Kosten. Das tut uns allen gut und mit der Zuversicht, dass wir das hinkriegen müssen und können, dann sehen wir auch wieder Licht am Horizont. Aber der Weg muss jetzt gegangen werden und dann fühlen wir uns als Unternehmen wieder wohl.
Appelmann: Es geht um Standortpolitik in Deutschland. Klare Forderungen von Johannes Seeger heute live im Studio. Danke, dass Sie da waren.
Heger: Gerne.