Leben mit dem Fetalen Alkoholsyndrom

Man nennt es FAS – Fetales Alkoholsyndrom. Eine Beeinträchtigung, die Menschen bekommen können, wenn ihre Mutter während der Schwangerschaft Alkohol trinkt. Betroffene können dann unter schweren geistigen, körperlichen und auch seelischen Schäden leiden – und das ihr ganzes Leben. Ein Schicksal, dass zu 100% vermeidbar wäre. Doch noch immer ist die Beeinträchtigung FAS und ihre Gefahren vielen Menschen unbekannt. Ein betroffener junger Mann aus dem Hunsrück will das ändern.

 

Sicher über die Straße gehen. Sich mal eben Wasser für einen Tee aufkochen. Die Verantwortung für ein Lebewesen übernehmen. Nicht für jeden Menschen ist das eine Selbstverständlichkeit.
Philipp, FAS-Betroffener: „Ich bin der Phillip Müller und ich möchte gerne den Leuten helfen, die Probleme haben mit FAS (…) und möchte da gerne den Leuten, die betroffen sind, Hoffnung machen.“
Denn Philipp weiß wie es ist, mit FAS – dem Fetalen Alkoholsyndrom zu leben – seine leibliche Mutter hat während der Schwangerschaft Alkohol getrunken und ihm damit eine Last mit ins Leben gegeben.
Konzentrationsstärke, Lernfähigkeit, Gedächtnisleistung – vieles ist bei Philipp nicht so stark entwickelt, wie bei einem gesunden Menschen. Als Schüler stiftet er Unruhe, kommt einfach nicht mit.
 
Philipp, FAS-Betroffener: „Die Lehrer waren manchmal sehr unzufrieden mit mir, weil ich so viele Sachen vergessen habe, obwohl sie es mir gesagt haben, auch die Erzieher haben manchmal gedacht, „Mensch, das müsstest du langsam jetzt mal gelernt haben.“
Philipp weiß: Irgendwas stimmt nicht, nur was, weiß er nicht. Er vergisst Erlerntes immer wieder, macht Fehler immer wieder – kommt aus einer Pflegefamilie in die nächste. Mit acht kommt er in eine Wohngruppe. Eine der Betreuerinnen erinnert sich.
Ulrike Mai, Psychologin/FASD-Beratungsnetzwerk BINE: „Den konnte man nicht aus den Augen lassen. Den haben wir von jedem Dach und jedem Baum runtergeholt, also richtig gefährliche Situation. Dann hat zum Glück eine Kollegin gesagt, das muss ja einen Grund geben, warum der so ist und warum die normalen pädagogischen Strategien, die man so hat, nicht funktionieren.“
 
Mit zehn hat Philipp die Diagnose FAS – und seine Betreuung eine Strategie, mit der Beeinträchtigung umzugehen. Ab da heißt es: Tägliches Wiederholen von alltäglichen Sachen – wie etwa Zähne putzen, oder Duschen. Doch alles kann er sich damit nicht erkämpfen.
Philipp, FAS-Betroffener: „Es ist sehr schwer Freunde mit FAS zu finden. Es ist schwer, den Leuten beizubringen, dass ich eine besondere Behandlung brauche. Also dass man sich mit mir treffen kann, aber das es nicht kurzfristig sein darf, dass man ich gerne viel machen möchte mit jemandem, ins Kino gehen möchte, aber dass das eben bisschen geplant werden muss und da ich stoße leider ganz oft … auf Ablehnung.“
Vielleicht zieht es Philipp auch deshalb auf die Koppel neben seinem Wohnheim, wo er sich um Pferde kümmert.
Philipp, FAS-Betroffener: „Ein Pferd wertet nicht, ein Pferd guckt nicht, ob du es wert bist, ob man mit dir Spaß haben kann.“
Auch die Pferde-Arbeit gibt ihm immer mehr Selbstbewusstsein. Heute hat der 21-Jährige erreicht, was nicht jeder Mensch mit FAS schafft: In seinem Apartment lebt er alleine. Er arbeitet halbtags als Hausmeister-Hilfe in einem Seniorenheim. Dorthin kommt er mit dem Bus.
Philipp, FAS-Betroffener: „Das ist ein cooler Erfolg. Ich bin mobil und kann auch mal was erleben.“
Alles das fordert ständige Planung, Wiederholung und auch Kraft von dem jungen Mann. Früher war Philipp oft wütend auf die Person, die daran schuld ist.
Philipp, FAS-Betroffener: „Ich hatte so ein Gefühl, ich muss ihr böse sein, weil sie mir das Leben versaut hat. Andererseits ist es auch meine leibliche Mama. (…) Ich kann es nicht rückgängig machen, ich brauche auch keinen Schuldigen mehr zu suchen. Es bringt nichts. Ich bin der Phillip mit FAS und mache meine eigenen Sachen.“
Rückgängig machen können Philipp und Ulrike Mai nichts, aber sie wollen das Schicksal FAS verhindern – denn jedes Jahr werden rund 10.00 Kinder mit FAS geboren. Mai hat das FAS-Beratungsnetzwerk BINE mit aufgebaut – sie sagt: FAS sei nach wie vor zu unbekannt.
Ulrike Mai, Psychologin Live Soziale Chancen: „Warum taucht das in Schulbüchern nicht auf. Ich finde, in den Sexualkundebüchern 8. Klasse, wenn die Kids anfangen, mit Alkohol und mit Sex zu experimentieren, dann sollte diese Informationen fließen, dann sollten die Bescheid wissen, also auf ganz vielen Ebenen fällt es an Aufklärung.“
Philipp hat feste Freunde gefunden. Er träumt davon, noch viel stärker auf eigenen Beinen zu stehen – auch wenn er wohl sein Leben lang Hilfe brauchen wird.
Philipp, FAS-Betroffener: „Andererseits bin ich ganz dankbar, dass ich so eine tolle Pflegefamilie gefunden habe, die mich so liebt wie ich bin und mit mir den ganzen stressigen Weg gegangen ist und einfach großartig und toll ist.“