Landtagsfraktionen wählen Vorsitzende

Der neu gewählte hessische Landtag wir am Donnerstag zum ersten Mal zusammentreten. Nachdem die Neu-Koalitionäre CDU und SPD gestern bereits die Namen der künftigen Minister bekannt gegeben haben, stand bei beiden Parteien heute die Wahl der Fraktionsvorsitzenden auf dem Programm, also der Politiker, die die Abgeordneten der Regierungskoalition beisammenhalten müssen. Bei einer von beiden Parteien gab es eine faustdicke Überraschung.

Keine Überraschungen bei den Christdemokraten – die Alte ist auch gleichzeitig die Neue: Mit 93,6 Prozent der Stimmen wählt die CDU-Fraktion im hessischen Landtag Ines Claus ein zweites Mal zu ihrer Vorsitzenden.
Ines Claus (CDU), Fraktionsvorsitzende Landtag Hessen
„Ich bin heute wirklich sehr bewegt. In Teilen war ich auch sehr gerührt in der Fraktionssitzung aufgrund des Ergebnisses. Das ist wirklich ein toller Tag. Das ist für uns ein toller Start.“
Damit wird die 46 Jahre alte Juristin die Geschicke ihrer Fraktion auch weiterhin leiten – Vertrauensvorschuss inklusive. Nach einer Legislaturperiode als Fraktionschefin hat sich Ines Claus nämlich nicht nur bei ihren Parlamentskollegen einen Namen gemacht – sie gilt auch als enge Vertraute von Ministerpräsident Boris Rhein, auf dessen persönlichen Wunsch sie die Fraktion nun weiter führt.
Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident Hessen
„Ich kann mich auf Ines Claus voll verlassen, arbeite wirklich sehr gerne mit ihr zusammen. Und das ist die wichtigste Grundlage für eine Regierung – dass die Chemie stimmt zwischen der Fraktionsführerin und dem Regierungschef.“
Neuer parlamentarischer Geschäftsführer der CDU wird Ingo Schon – der Neuling im hessischen Landtag löst seinen langjährigen Vorgänger Holger Bellino ab, der dem Parlament aber weiterhin als Abgeordneter die Treue halten will.
Ingo Schon (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer
„Ich empfinde das als sehr, sehr große Ehre und Aufgabe zugleich. Das ist durchaus außergewöhnlich, dass jemand in seiner ersten Legislaturperiode in dieses Amt gewählt wird. Aber ich bin schon ein paar Jahre hinter den Kulissen tätig, in verschiedenen Ämtern des Staates und auch in der Partei und der Fraktion.“
Fazit: Die Hessen-CDU stellt sich gewohnt souverän und unaufgeregt für den neuen Landtag auf – ganz anders als die SPD. Nach 25 Jahren in der Opposition scheint bei den Sozialdemokraten gerade einiges aus dem Gleichgewicht zu geraten. Auch bei der SPD wird heute ein neuer Fraktionsvorsitzender gewählt: In einer Kampfabstimmung setzt sich Tobias Eckert dabei knapp gegen Lisa Gnadl durch. Und das, nachdem die hessische Parteivorsitzende Nancy Faeser gestern noch den bisherigen Fraktionsvorsitzenden Günter Rudolph zur Wiederwahl vorgeschlagen hatte. Der allerdings ist zur heutigen Wahl gar nicht angetreten – eine Entscheidung, die offenbar auch den Ministerpräsidenten überrascht.
Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident Hessen
„Günter Rudolph ist weiter Teil der Fraktion. Jeder weiß, dass ich ihn besonders schätze und dass er auch ein Grund gewesen ist, in diese Koalition einzusteigen. Aber wir kennen natürlich auch Tobias Eckert aus den zurückliegenden Jahren. Ich schätze Tobias Eckert als einen klugen, erfahrenen Parlamentarier.“
Es bleibt also spannend im hessischen Landtag – der seinem Ruf als härtestes Landesparlament Deutschlands auch in Zukunft treu zu bleiben scheint.
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Eva Dieterle, Moderatorin: Und natürlich gibt es Fragen an den neuen SPD-raktionsvorsitzenden Tobias Eckert. Und die stellen wir jetzt. Guten Tag, Herr Eckert.
Tobias Eckert (SPD), Fraktionsvorsitzender Hessen: Wunderschönen guten Tag.
Dieterle: Ein aufregender Tag für Sie. Stehen Sie jetzt für einen langersehnten Neuanfang in der Fraktion?
Eckert: Die hessische SPD steht bereit, dass sie hier am 18. Januar in diesem Land Verantwortung übernehmen kann und will. Wir haben uns heute entsprechend dafür aufgestellt, als SPD-Fraktion die entscheidenden Wahlen entsprechend vollzogen,und sind bereit, am 18. Januar jetzt hier in der Koalition Verantwortung zu übernehmen.
Dieterle: Nach dieser schweren Wahlniederlage – wie wollen Sie die SPD wieder sichtbar machen?
Eckert: Der Wahltag im letzten Jahr war in der Tat eine verheerende Wahlniederlage für die hessische SPD. Wir haben daraus in harten Koalitionsverhandlungen auch das Beste herausgeholt, um Politik für die Menschen an ihren Alltagssorgen entlang auch gestalten zu können. Von daher, glaube ich, ist es die Herausforderung, den Menschen zu zeigen Es tut sich was in diesem Land, wenn die SPD regiert, es verändert sich etwas zum Guten, und hier konkrete Punkte zu setzen und den Menschen genau das auch zu kommunizieren, ist einer der wesentlichen Punkte, damit wir auch wieder zu anderer Stärke gelangen.
Dieterle: Nach fast 25 Jahren muss die SPD nun von Opposition auf Regierung umstellen. Wie soll das gelingen?
Eckert: Vor allem wird es gelingen, da werden Sie sich darauf verlassen können. Wir als hessische SPD sind bereit, diese Verantwortung zu übernehmen, weil es gibt unzählige Baustellen in diesem Bundesland, die wir gemeinsam in der Koalition bewältigen können. Die SPD ist die Partei der Arbeit. Deswegen sind die Themen eines echten Tariftreue- und Vergabegesetzes, des Hessen-Fonds, der neue und innovative Techniken fördert und auch die Veränderungen in der Arbeits- und Wirtschaftswelt begleitet. Ich glaube, wichtige Themen, wo man dann nachher merkt, es macht einen Unterschied, ob die SPD regiert.
Dieterle: Jetzt war es doch eine Überraschung, dass Günter Rudolph gar nicht mehr zur Wahl angetreten ist. Wie haben Sie das empfunden?
Eckert: Ich bin Günter Rudolph sehr dankbar für sein Wirken in den letzten Jahren. Er ist einer der Wegbereiter dieser Koalition in Hessen. Von daher sind wir ihm zu Dank verpflichtet. Günter Rudolph hat zu Beginn der Fraktionssitzung erklärt, dass er nicht für die Wahl zum Fraktionsvorsitz zur Verfügung steht. Das haben ganz viele Mitglieder auch in der Aussprache deutlich gemacht, dass sie sein Wirken schätzen, dass sie aber dann jetzt – wir gemeinsam – diese Fraktion neu aufstellen. Und er hat auch mitgewählt, er ist Bestandteil dieser Fraktion, und genau auf diese Zusammenarbeit freue ich mich.
Dieterle: Das sagt der neue Fraktionsvorsitzende der hessischen SPD. Herr Eckert, vielen Dank für das Interview.
Eckert: Machen Sie es gut.