Landesregierung zieht im Ahrtal Bilanz

Fast anderthalb Jahre ist die verheerende Flut im Ahrtal nun her – und der Wiederaufbau zieht sich. Über die aktuellen Herausforderungen haben sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Michael Ebling gestern vor Ort informiert und erneut mehr Unterstützung angekündigt. Wie die Dorf-Erneuerung ausgebremst wird, zeigt sich aktuell am Beispiel der Ortsgemeinde Rech im Kreis Ahrweiler, wo es gerade Streit um eine Brücke gibt.

Die Nepomukbrücke in Rech – sie steht für die Tragik der Ahrflut. Hier staut sich der Pegel in der Flutnacht. Die Wassermassen zerstören 21 Häuser und reißen eine Frau mit in den Tod. Abreißen oder erhalten? Die Frage nach der Zukunft der über 250 Jahre alten Brücke, eine der ältesten im Tal, spaltet die Gemüter in Rech.
René van den Boom
„Man soll das ruhig abreißen und dann eine vernünftige Brücke machen, damit wir auch Ruhe haben hier. „
Ute Kozisek
„Die Brücke gehört für mich zu Rech. Das gehört für mich zum Ortsbild. Und wenn die Brücke wegkommt, dann ist alles weg.“
Carola Sebastian-Knieps
„In der Form, sie noch mal so aufzubauen, würde ich … Grundsätzlich lehne ich das ab. Weil ich denke auch, es ist jetzt an der Zeit, dass wir mal nach vorne schauen.“
Nach vorne schauen – das möchte auch Rechs Bürgermeister Benjamin Vrijdaghs. Er befürchtet, dass die Brücke bei einem erneuten Hochwasser ein enormes Sicherheitsrisiko darstellt. Recht geben ihm ein Gutachten und die kürzlich erteilte Abrissgenehmigung des Kreises Ahrweiler. Doch ein Gutachten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz kommt zu einem anderen Ergebnis. Mit Schutzmaßnahmen entlang der Ahr und an der Brücke ließe sich diese erhalten. Eine abschließende Prüfung der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord hat nun ergeben:
Benjamin Vrijdaghs, parteilos, Ortsbürgermeister Rech
„Gefahr für Leib und Leben. Mit Weitsicht ist die Brücke eine Gefahr. Sie würde den Wiederaufbau behindern. Und daran muss ich mich leider halten. Ich bin deswegen froh, und nur dafür, dass wir nun weiterkommen. Der Wiederaufbau hat hier in Rech unheimlich darunter gelitten, dass wir keine Planung machen konnten. Alles, was wir bisher geplant haben, ging ins Blaue. Weil wir nicht wussten: Wohin führt denn die Brücke? Wird sie da bleiben oder kommt da eine neue?“
Es soll eine neue kommen, an anderer Stelle. Erst dann könne der neue Ortskern geplant werden.
Bei einem Treffen der Ortsbürgermeister mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Michael Ebling gestern im Ahrtal macht Benjamin Vrijdaghs zudem deutlich, dass er für den Bau eines Nahwärmenetzes noch fachliche und personelle Unterstützung brauche. Doch eine endgültige Zusage dafür bleibt die Landesregierung noch schuldig.
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Das werden wir jetzt gemeinsam erörtern, innerhalb der Landesregierung, was da denkbar und möglich ist. Weil eins ist ja klar: Wir wünschen uns, dass diese Projekte, die angedacht worden sind, zum Thema Nahwärme, dass die vorangehen. Weil es tatsächlich auch ein Zeichen ist für Klimaschutz und Zukunft dieses Ahrtals. Und deshalb werden wir gemeinsam einen Weg finden, wie wir tatsächlich das auch dann so unterstützen können, dass es funktioniert.“
Im Gepäck hat die Landesregierung gestern Förderbescheide in Höhe von 19 Millionen Euro. Außerdem teilte das Land diese Woche mit, dass Mittel aus dem Wiederaufbaufonds von Bund und Ländern nun drei Jahre länger beantragt werden können, also bis Ende Juni 2026. Die Landesregierung kündigt weitere Maßnahmen an.
Michael Ebling, SPD, Innenminister Rheinland-Pfalz
„Im Kern verbindet alle diese Maßnahmen natürlich, dass wir noch mal die Antragsverfahren vereinfachen wollen. Dass wir sie beschleunigen wollen. Und dass wir schneller Planungssicherheit für die planenden und bauenden Kommunen schaffen wollen.“
Künftig sollen die Kommunen Fördergelder schneller abrufen können. Doch Benjamin Vrijdaghs bleibt skeptisch.
Benjamin Vrijdaghs, parteilos, Ortsbürgermeister Rech
„Ich glaube, wir haben hier im Moment einen großen Bedarf an Hilfe der Landesregierung. Ich messe daran, was gesagt wurde. Ich schaue mir an, was umgesetzt wird. Und ich hake da nach.“
Damit die Menschen in Rech im nächsten Winter keine kalte Überraschung erleben, soll die Nahwärme so schnell wie möglich ans Netz gehen. Erste Bohrungen könnten Anfang nächsten Jahres erfolgen.