Kritik am geplanten Landesjagdgesetz
Über Warnstreiks haben wir schon oft in 17:30 berichtet – über einen Warnstreik der Jägerschaft aber zum ersten Mal. Das neue Jagdgesetz in Rheinland-Pfalz macht die Jäger wütend. Weil sie sich nur noch als Erfüllungsgehilfen sehen, streiken sie nun und kommen zum Beispiel bei Wildunfällen nicht mehr, um die toten Tiere einzusammeln. Die Tragweite ist aber viel größer. Wie konnte es soweit kommen?
Der Wald bei Bad Kreuznach erstrahlt gerade in voller Blätterpracht. Der Regen der letzten Wochen hat den Bäumen und auch den Wildtieren gutgetan. Es ist das Revier von Christoph Hildebrand. Der Jäger hat das Gebiet gepachtet und versucht das Zusammenleben zwischen Tieren und Pflanzen im Gleichgewicht zu halten. Dafür zählt er die Tiere und schießt eins, wenn es notwendig ist – schon seit 39 Jahren.
Christoph Hildebrandt, Jäger bei Bad Kreuznach
„Am meisten Spaß macht mir, zuzugucken wie das Wild mit dem Wald und der Wald mit dem Wild und das Rebhuhn mit dem Feld wächst, gedeiht, erhalten bleibt und ich Wildtiere in der Natur beobachten kann.“
Doch der Spaß geht ihm langsam verloren. Grund ist die geplante Neuauflage des Jagdgesetzes in Rheinland-Pfalz. Es soll den Wald und auch die Jagd besser an den fortschreitenden Klimawandel anpassen. Doch Christoph Hildebrandt ist gegen das das Gesetz. Der vorgelegte Entwurf sei inakzeptabel.
So wolle das Land zum Beispiel, dass Jäger mehr Tiere schießen, die sich an jungen Bäumen zu schaffen machen. Denn der kranke Wald brauche mehr Nachwuchs mit unterschiedlichen Arten. Doch Christoph Hildebrandt sieht bei dem Wild gar kein Problem.
Christoph Hildebrandt, Jäger bei Bad Kreuznach
„Also selbst wenn hier Wildtiere rumknabbern würden, wäre das völlig egal, weil es macht keine Geige, ob der Baum jetzt gerade wächst oder schief wächst. Das hat am Klimawandel keine Ursache. Und bei der Menge, die hier an Naturverjüngung steht, ist es sogar dienlich, wenn auch mal ein Reh was verbeist. Denn die Menge braucht man überhaupt nicht. Natürlich darf es nicht zu viel sein aber es ist ausgewogen. Man sieht die Naturverjüngung kann hier wachsen.“
Das rheinland-pfälzische Klimaschutzministerium sieht das anders. Es sei nachweisbar, dass es an einigen Stellen im Wald zu viel Wild gäbe, das die jungen Bäume nachhaltig beschädige.
Nur einer von vielen Konfliktpunkten zwischen dem Jagdverband und der Landesregierung. Klimaschutzministerin Katrin Eder betont, die Neuauflage des Jagdgesetzes sei bereits mit allen betroffenen Gruppen diskutiert worden. Noch sei das Gesetz aber gar nicht beschlossen.
Katrin Eder (Bündnis 90 / Die Grünen), Klimaschutzministerin Rheinland-Pfalz
„Wir sind ja nach wie vor im Verfahren. Im Moment läuft die Anhörung und die wird im Oktober dann abgeschlossen sein. Dann werden wir uns die Stellungnahmen anschauen. Und es geht um eine Art des demokratischen Miteinanders, die natürlich fachlich und sachlich geführt werden muss. Und insofern sind wir an einem Austausch da nach wie vor interessiert und sind natürlich auch offen für Veränderungen.“
Doch ob es alle Änderungswünsche von Christoph Hildebrandt und dem Jagdverband auch in das Gesetz schaffen, ist fraglich. So treffen sich heute die rheinland-pfälzischen Jäger in Neuwied, um gemeinsam über das neue Gesetz zu diskutieren und Lösungen zu finden.
Markus Appelmann, Moderator: Wie könnten diese Lösungen aussehen? Darüber sprechen wir jetzt mit Dieter Mahr. Er ist der Präsident des Landesjagdverbandes Rheinland-Pfalz. Guten Tag, Herr Mahr.
Dieter Mahr, Präsident Landesjagdverband Rheinland-Pfalz: Guten Tag, Herr Appelmann.
Appelmann: Greifen wir mal ein ganz konkretes Beispiel heraus, das Ihnen nicht passt. Sie kritisieren, dass künftig auch der Grundstückseigentümer, also der Verpächter, mitjagen darf. Dabei darf er doch jetzt schon einzelne Tierarten mitjagen.
Mahr: Er darf sich vorbehalten, einzelne Tierarten zu bejagen. Wenn er das tun würde, würde aber sein Revier an Attraktivität einbüßen. Er kann es nicht mehr so attraktiv verpachten. Er würde vielleicht weniger Geld kriegen, vielleicht will es auch gar keiner mehr. Deshalb, mir ist kein Fall bekannt, in dem derzeit davon Gebrauch gemacht wird. Wir haben aber andererseits die Besorgnis, wenn ganze Flächen ausgenommen werden dürfen, dass dann eine Situation entsteht, die vergleichbar ist, wenn Sie eine Wohnung gemietet haben und Ihr Vermieter kommt jeden Freitag, jeden Samstagabend zum Baden und geht dann wieder raus, zahlt Ihnen zwar das Wasser und auch die Heizkosten, aber Sie haben letztendlich Ihren Vermieter mit in der Wohnung. Und das kann keiner wollen, das will auch keiner.
Appelmann: Das klingt alles wenig versöhnlich. Wenn Sie im neuen Gesetz keine Veränderungen erreichen, welche Folgen könnte das haben? Wo würde der Bürger ihren Warnstreik zu spüren bekommen?
Mahr: Nun ja, also wir haben hier noch einige, ich sage jetzt mal Streik-Momente im Köcher. Wir wollen da sicherlich noch einiges tun, worüber ich natürlich jetzt heute aber keine Angaben machen werde verständlicherweise. Der Bürger soll das in erster Linie gar nicht spüren. Das ist einfach so. Wir wollen natürlich in erster Linie den Gesetzgeber treffen. Wir wollen erreichen, dass dem Gesetzgeber bewusst wird, dass auch gemäß unserem Kampagne-Motto “Wer macht’s, wenn nicht wir”, wir die Jägerschaft gewissermaßen so etwas sind wie die Freiwillige Feuerwehr von Feld, Wald und Flur. Und aus diesem Grunde muss dem Gesetzgeber klar sein, wenn er’s mit uns bricht, wenn er uns vergrätzt, dass dann am Ende des Tages tatsächlich Leistungen, die wir jetzt gerne ehrenamtlich, freiwillig und sehr engagiert und passioniert erbringen, möglicherweise von niemandem erbracht werden. Denn wir sind rund 20.000 Jägerinnen und Jäger, denen ich als Präsident auch vorstehe in Rheinland-Pfalz, und wenn die ausscheren sollten, weil sie sich nicht mehr engagieren, weil sie keine Jagden mehr pachten, das wäre ganz nachteilig. Das ist dann auch nachteilig für die Genossenschaften, also die Verpächter, die haben dann keine Pachteinnahmen mehr, die Kreise haben möglicherweise keine Jagdsteuereinnahmen mehr. Also eine Kettenreaktion von allem Möglichem. Und wir haben in Rheinland-Pfalz nur etwa 100 Berufsjäger und die können das alles nicht leisten, was hier an Aufgaben anfällt.
Appelmann: … sagt Dieter Mahr. Er ist der Präsident des LandesJagdverbandes Rheinland-Pfalz. Danke Ihnen nach Neuwied.
Mahr: Vielen Dank.