Kreis Cochem-Zell prüft Klage gegen das Land

Damit Kommunen ihr Geld für die wirklich wichtigen Dinge ausgeben, bekommen sie vom Land sogenannte Pflichtaufgaben. Dazu zählen unter anderem der öffentliche Nahverkehr, die Brandbekämpfung und auch die Abwasserbeseitigung. Bei der Erfüllung dieser Aufgaben werden Kreise, Städte und Gemeinden finanziell vom Land unterstützt. Doch was passiert, wenn die Pflichtaufgaben irgendwann so teuer werden, dass die Mittel nicht mehr ausreichen? Der Landkreis Cochem-Zell will deshalb jetzt die rheinland-pfälzische Landesregierung verklagen.

Im idyllischen Cochem rumort es. Landrätin Anke Beilstein steht vor großen Problemen, bei denen sie sich von der rheinland-pfälzischen Landesregierung im Stich gelassen fühlt. Denn im Haushalt 2024 steht ein Defizit von rund 16 Millionen Euro zu Buche. Der Hauptgrund: enorme Kostensteigerungen bei der Schüler- und Kita-Beförderung. Diese haben sich im Kreis Cochem-Zell innerhalb eines Jahres fast vervierfacht. Diese Kostensteigerung beobachtet Heiko Nagel von der Vereinigung der Arbeitgeberverbände im Verkehrsgewerbe überall. Dafür verantwortlich: Immer höhere Personalkosten und größere Anforderungen an die Busse.
Heiko Nagel, Vereinigung Arbeitgeberverbände Verkehrsgewerbe
„Das geht los vom Fahrzeugalter, das geht weiter über die Fahrzeugausstattung, über die ganze Technik, die im Fahrzeug verbaut sein muss, da sprechen wir von Echtzeidaten. Alles Dinge die den ÖPNV komfortabler machen sollen, die dem Fahrgast entsprechend zugutekommen sollen, aber die natürlich auch jede Menge Geld kosten und demzufolge nicht nur den ÖPNV als Ganzes, sondern natürlich auch den Schülerverkehr im Besonderen dann verteuern.“
Landrätin Anke Beilstein wendet sich an die drei zuständigen Ministerien. Vom Innen- und vom Bildungsministerium bekommt sie keinerlei Rückmeldung. Lediglich vom Mobilitätsministerium erhält sie eine Gesprächseinladung, bei dem es allerdings zu keinen Lösungen kommt. Ein Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer bleibt ebenfalls unbeantwortet. So hat der Kreistag jetzt beschlossen, gegen die Landesregierung zu klagen. Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling hält diese Entscheidung aber für voreilig.
Michael Ebling (SPD), Innenminister Rheinland-Pfalz
„Wir haben einen neuen Landesfinanzausgleich seit 2023 erst. Der ist mit deutlich mehr als 300 Millionen zusätzlich ausgestattet worden. Das sind gute Rahmenbedingungen. Wir helfen noch bei der Entschuldung der Kommunen. Auch das sind gute Rahmenbedingungen. Insofern erscheint mir im Moment eine Klage nach einem Jahr eine deutlich verfrühte Maßnahme, die sich mir so nicht erklärt.“
In Cochem ist man sich aber sicher, dass auch andere Landkreise vor diesen Problemen stehen und bald Klagen in Erwägung ziehen.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Das wollen wir genauer wissen, deshalb spreche ich jetzt mit der Landrätin des Kreises Cochem-Zell, mit Anke Beilstein. Guten Abend.
Anke Beilstein (CDU), Landrätin Landkreis Cochem:Zell:
Guten Abend, Frau Dieterle.

Dieterle:
Frau Beilstein, so eine Klage ist ja die letzte Eskalationsstufe. Warum führt da aus Ihrer Sicht kein Weg daran vorbei?

Beilstein:
Ja, der Landkreis Cochem-Zell hat über viele Jahre sehr solide und wirtschaftlich gearbeitet, aber wir sind an einen Punkt gekommen, wo wir festgestellt haben, dass das, was uns über die Gesetzgebung durch Bund und Land aufoktroyiert wird, nicht mehr mit den finanziellen Mitteln zu stemmen ist, die uns zur Verfügung gestellt werden dafür. Und dabei handelt es sich insbesondere auch um die kommunalen Pflichtaufgaben. Also nicht, dass es jetzt Dinge wären, die uns, ich sage mal, im freiwilligen Bereich Spaß machen und die wir beschaffen, sondern rein um die Dinge, die wir tun müssen.

Dieterle:
Das Innenministerium weist darauf hin, dass Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz im nächsten und im übernächsten Jahr mehr Geld bekommen sollen. Löst das nicht Ihre Probleme?

Beilstein:
Wenn es denn so wäre und ich hätte das Ganze schriftlich, wäre das sicherlich ein guter Anfang. Zum jetzigen Zeitpunkt werte ich es allerdings eher so, dass man es gegebenenfalls deshalb sagt, um uns von einer Klage abzuhalten. Ich halte mich da an die Fakten und die sehen so aus: Bei uns im Landkreis Cochem-Zell haben wir aktuell ein Defizit von 16 Millionen € für den Haushalt 2024 und der ergibt sich aus den geänderten Rahmenbedingungen, die uns vorgegeben wurden, einmal im Bereich der Kitas und darüber hinaus im Bereich der Schülerbeförderung und des ÖPNV. Dieses Geld fehlt uns, dafür müssen wir Zinsen zahlen und das möchten wir auch nicht einfach so weitergeben nach unten, an die Ortsgemeinden und am Ende des Tages auch an die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb möchten wir da zu unserem Recht kommen. Und das ist der Grund, warum wir klagen.

Dieterle:
Nochmal ganz konkret: Was fordern Sie vom Land Rheinland-Pfalz? Was muss aus Ihrer Sicht passieren?

Beilstein:
Es ist ganz klar: Wir erledigen unsere Pflichtaufgaben gerne, aber wir erwarten auch, dass die entsprechenden Mittel mitgegeben werden. Oder umgekehrt, wenn das Land sagen würde: “Diese Mittel möchten wir nicht zur Verfügung stellen”, dann muss man natürlich Standards und Gesetze ändern, damit eben der Rahmen dessen verkleinert wird, was die Kommunen erbringen müssen. Das muss man aber auch dann ganz klar dem Bürger gegenüber kommunizieren, ob das im Kita-Bereich ist oder im Bereich der Schülerbeförderung, ÖPNV.

Dieterle:
Ein Landkreis der den Weg der Klage nicht scheut. Frau Beilstein, vielen Dank für das Interview.

Beilstein:
Danke, Frau Dieterle.