Kommunaler Finanzausgleich entlastet Schuldenhauptstadt Pirmasens

Stellen Sie sich vor, Sie haben viele Schulden. Plötzlich nimmt Ihnen jemand einfach mal einen Teil der Schulden ab. Dieses vermeintliche Glück haben viele verschuldete Städte in Rheinland-Pfalz – zum Beispiel auch Pirmasens, die Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland. Jetzt übernimmt also das Land Rheinland-Pfalz ein Viertel der Miesen – insgesamt bei allen Kommunen 3 Milliarden Euro. Und jetzt ist alles gut? Mitnichten. Rheinland-Pfalz und seine verschuldeten Städte – eine Never-Ending-Story.

Pirmasens – immer wieder Pirmasens: Die Stadt trägt immer noch den zweifelhaften Ruhm „größter Schuldenkönig“ Deutschlands zu sein. Einst war die Stadt Leuchtturm der deutschen Schuhindustrie – als die Schuhe gingen, kamen die Schulden, rund 360 Millionen Euro.
Doch bald könnte Pirmasens seinen Negativ-Titel los sein: Denn das Land nimmt der Stadt 280 Millionen seiner Schulden ab. Das Problem: Die nächsten Schulden sind im Anmarsch.
Markus Zwick (CDU), Oberbürgermeister Pirmasens: „Allerdings bringt uns das auf lange Sicht nur dann etwas, wenn das Grundproblem gelöst ist. Denn diese Schulden sind ja entstanden, weil wir Aufgaben für das Land und den Bund erfüllen, für die wir keine ausreichend Mittel bekommen. Also unverschuldet ist die Stadt in diese Situation geraten.“
Schuld an den Schulden seien also zwei Dinge:
Zum Einen fordern Bund und Land beispielsweise per Gesetz kostenlose Kita-Plätze, würden aber nicht für eine auskömmliche Finanzierung sorgen. Vor allem ärmere Städte bezahlen ihre gesetzlichen Aufgaben dann per Kredit und häufen über die Jahre immer höhere Schuldenberge auf.
Auch habe das Land im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs lange den Kommunen zu wenig Geld zugeteilt.
Grafik
1. Das Land nahm Steuern ein und gab ein Teil davon an die Kommunen weiter.
2. Sanken die Einnahmen des Landes, sanken die Zahlungen an die Kommunen – die Aufgaben der Städte blieben aber genauso teuer.
Pirmasens hat gegen diesen Kommunalen Finanzausgleich geklagt und gewonnen: 2020 urteilt der Verfassungsgerichtshof des Landes: Die Städte erhalten zu wenig Geld vom Land.
Seit 2023 gibt es deshalb einen neuen Kommunalen Finanzausgleich.
1. (Grafik) Experten haben dafür Durchschnittswerte berechnet, wie viel Geld die Kommunen brauchen, um ihre Aufgaben zu erfüllen – beispielsweise um kostenlose Kita-Plätze bereit zu stellen. 2023 hatten die Städte deshalb 350 Millionen Euro mehr zur Verfügung.
Doch vielen Städten reicht das immer noch nicht. Im August 2023 trat etwa in Freisbach der Gemeinderat mitsamt Bürgermeister aus Protest gegen die Unterfinanzierung zurück. Auch Pirmasens plant 2024 mit 14 Millionen Euro neuen Schulden.
Markus Zwick (CDU), Oberbürgermeister Pirmasens: „Es ist also erforderlich, dass das Land beim kommunalen Finanzausgleich nachsteuert und insgesamt die Mittel aus dem Landeshaushalt deutlich anhebt – da fehlen mehrere hunderte Millionen Euro im System.“
Doch da dürften die hochverschuldeten Städte beim zuständigen Innenministerium auf Granit beißen.
Michael Ebling (SPD), Innenminister Rheinland-Pfalz: „Die Städte müssen auch mehr eigene Anstrengungen unternehmen, um ausgeglichene Haushalte hinzubekommen.“
Doch die Stadt könne keine höheren Steuern oder sparen erheben, um den Haushalt auszugleichen.
Markus Zwick (CDU), Oberbürgermeister Pirmasens: „Das würde eine Abwärtsspirale auslösen. Wir sind hier in einer strukturschwachen Region, wo wir über jedes Unternehmen froh sind, dass am Standort wirtschaftet und würde ich jetzt drastisch die Gewerbesteuer hochtreiben, weil ich eine verschuldete Kommune bin und das würde das Problem ja nicht lösen, sondern weiter verschärfen.“
So oder so dürften die Bürger von Pirmasens durch den Schuldenschnitt nicht mehr eigenes Geld in der Tasche haben. Zumindest den Titel „Schuldenkönig Deutschlands“ dürfte Pirmasens bald los sein – ob die Stadt den Titel dauerhaft abwehren kann, ist alles andere als sicher.