Knochenjob Wanderschäfer

Und jetzt schalten wir einen Gang zurück: Die Ruhe genießen, draußen in der Natur sein und den Schafen beim Grasen zusehen. Das Leben eines Wanderschäfers stellt man sich sehr romantisch und schön vor. Doch der Alltag sieht anders aus. Da der Job sehr anstrengend ist, gibt es auch hier einen Fachkräftemangel. Wir haben einen der letzten Wanderschäfer getroffen, der kurz davor ist, aufzugeben.

Finn Ole Stephan, Wanderschäfer
„Platz. Brav.“
Mit kuren Kommandos dirigiert Finn Ole Stephan seine Hunde, die die Schafe im Zaum halten. Franz und Rex flitzen um die Herde und treiben sie zusammen. Mit insgesamt 500 Schafen und ein paar Ziegen zieht der Wanderschäfer durch den Kreis Mainz-Bingen. Das ganze Jahr sind sie unterwegs, bei jedem Wetter. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Schafe satt werden, sondern um Naturschutz.
Finn Ole Stephan, Wanderschäfer
„Wir haben zum einen die Schafe, die ihren Kot hinterlassen, wo unheimlich interessant ist für die Insektenwelt. Die Insekten sind dann wieder interessant für die Vögel und das ist einfach so ein Kreislauf. Dann haben wir zum anderen die Wolle, wo sich die Samen von den Pflanzen reinhängen können. Samentaxi werden ja auch die Schafe genannt, weil sie die Samen von A nach B bringen.“
Acht Jahre ist Finn Ole Stephan schon mit den Schafen unterwegs. Ein steiniger Weg, denn die Arbeit ist hart und schlecht bezahlt. Nach täglich 10 Stunden auf der Weide verdiene er weniger als ein Empfänger von Arbeitslosengeld , so der Schäfer. Das sei normal, doch seit ein paar Monaten spitzt sich die Situation zu. Denn auch für den Schäfer steigen die Preise. Diesel, Zäune oder Medikamente, alles wird teurer. Daher fordert Finn Ole Stephan mehr Geld für die Beweidung. Zuständig dafür ist die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd. Die hat zwar schon angekündigt die Mehrkosten zu übernehmen, nach fast zwei Monaten sind beim Schäfer aber noch keine neuen Verträge angekommen. Die Folge: Dem Schäfer fehlen fast 50.000 Euro. Um über die Runden zu kommen muss er sich bei Freunden Geld leihen. Eine zermürbende Situation.
Finn Ole Stephan, Wanderschäfer
„Ich finde hier auch keine Ruhe mehr. Das ist für mich wirklich auch noch belastend. Weil du hast nur die Thematik im Kopf, Verträge durch, nur die Thematik im Kopf: Kann ich nächsten Monat bezahlen? Wie kann ich die Rechnungen, die daheim sich auch anhäufen, wen bezahl ich jetzt als Erstes? Bezahl ich jetzt den, der schon drei Monate daheim liegt und nichts geschickt hat, oder bezahl ich jetzt den, der 14 Tage daheim liegt und mir schon die dritte Mahnung geschickt hat.“
Wir fragen bei der SGD Süd nach, warum es so lange dauert, bis die Verträge angepasst sind. Die Antwort:
Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd
„Alternativangebote für diese Beweidungsleistungen von Seiten des Schäfereibetriebs Stephan liegen der SGD Süd / der Oberen Naturschutzbehörde bis dato nicht vor.“
Finn Ole Stefan beteuert aber, er habe der SGD Süd mitgeteilt, wie viel Geld er zusätzlich braucht. Steht der Wanderschäfer wegen eines Kommunikationsproblems vor dem Aus?
Mit Problemen wie diesem schlägt sich Finn Ole Stephan seit Jahren herum. Neben der finanziellen Not, kommen auch noch Probleme mit Spaziergängern oder der Naturschutzbehörde im Kreis Mainz-Bingen dazu. Der Gegenwind für den Wanderschäfer wird stärker.
Finn Ole Stephan, Wanderschäfer
„Ich hoffe, dass die Hoffnung nicht stirbt in der nächsten Zeit. Es ist im Moment sehr, doch schon immer sehr emotional, also ich muss mich da schon zusammenreißen, dass ich nicht einfach sage: So wir hören jetzt auf, weil wenn man jetzt so gar keine Perspektive hat. Vertraglich und finanziell gesehen ist es dann irgendwann und vor allem bei mir nach acht Jahren, wo ich das Ganze hier mache, irgendwann ist die Luft einfach raus.“
Wenn er aufgibt, wäre das für den Naturschutz im Kreis Mainz-Bingen wohl ein herber Verlust. Allein die Schafe halten Finn Ole Stefan noch auf der Weide. Wie lange noch ist unklar.