Kampf gegen Kinderpornographie

Dieses Thema ist – leider – immer aktuell, denn es geht um sexuellen Missbrauch im Internet – genauer gesagt um Kinderpornographie. Jeden einzelnen Tag werden weltweit riesige Datenmengen ausgetauscht. In anonymen Foren im Darknet oder auch per Direktnachricht auf Plattformen wie Instagram und Co. – Und in Frankfurt sitzt eine spezielle Staatsanwaltschaft, die genau diesen Verbrechen den Kampf angesagt hat: die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet-Kriminalität, kurz ZIT. Wir konnten uns ein Bild von der Arbeit der Ermittler machen.

Eine Meldung auf dem Rechner von Oberstaatsanwalt Benjamin Krause: Verdacht auf kinderpornografisches Material.
Meldungen, die hier zum Alltag gehören. Ebenso wie die damit verbundenen – oft schrecklichen Bilder und Videos. Und hinter jedem einzelnen steckt das Schicksal eines Kindes.
Benjamin Krause, Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität
„Kinderpornographie ist ein gesetzlicher Begriff, deswegen verwenden wir den auch so, er steht im Strafgesetzbuch, aber es gibt auch viel Kritik an diesem Begriff, weil gerade Kinder und Pornographie vielleicht so ein bißchen abgeschwächt wird, dass es nicht so schlimm sei … Pornographie … letztlich reden wir über Abbildungen des sexuellen Kindesmissbrauchs und das fängt eben von ganz einfachen Fällen an bis zu schwerstem sexuellen Missbrauch.“
In Frankfurt konzentrieren sich die Ermittler auf die besonders schweren und umfangreichen Fälle – in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden.
Benjamin Krause, Oberstaatsanwalt
„Insbesondere, wenn es um solche großen Darknet-Plattformen geht, bei denen erst mal unklar ist, wo kommen denn die Täter überhaupt her. Da fangen wir erst mal an zu ermitteln, unabhängig davon, ob wir schon wissen, dass da ein Täter aus Hessen da vielleicht dahintersteckt, sondern wir nehmen eine Funktion quasi für ganz Deutschland wahr mit dem Bundeskriminalamt zusammen, um eben diese Plattformen aufzuklären.“
Isabelle Schad ist eine von rund 20 Staatsanwälten, die in der ZIT arbeiten. Ihr Spezialgebiet sind Ermittlungen rund um das Thema Kinderpornographie. Sie erhält Hinweise vom BKA oder von einer US-amerikanischen Internet-Überwachungs-Organisation. Aus der Flut an Bildern und Videos muss sie bewerten, was strafrechtlich relevant ist. Eine belastende Arbeit.
Isabelle Schad, Staatsanwältin
„Es gibt natürlich schon immer Tage, wo man das, was man hier sieht, was man hier erlebt, auch mal gedanklich mit nach Hause nimmt. So ist es schon, aber im Großen und Ganzen, man muss sich immer vor Augen halten, wir sind ja auch dabei, wir identifizieren Beschuldigte, wir gehen vor Gericht, wir führen Verurteilungen im besten Fall herbei und wir identifizieren ja auch Kinder, also wir suchen ja zum Beispiel auch mit Schulfahndungen nach Kindern und immer, wenn man da ein Opfer oder ein Täter identifiziert hat, das gibt einem so viel Motivation und es zeigt einem immer wieder: Es lohnt sich!“
Für anstehende Gerichtsprozesse wird hier in Frankfurt alles fein säuberlich dokumentiert.  Das sichergestellte Material der aktuellen Fälle lagert in der Asservatenkammer der IT-Forensik. In diesem Fall gleich ein ganzes Paket – beschlagnahmt bei einer Hausdurchsuchung:
Benjamin Krause, Oberstaatsanwalt
„Ein Notebook, noch ein Notebook, zwei Handys und hier unten drunter ist auch noch eine Festplatte. Das heißt, es sind mehrere Geräte, dadurch auch ein etwas größerer Datenbestand, der ausgewertet werden muss.“
Ihr Wissen aus der täglichen Arbeit geben die Staatsanwälte der ZIT in Schulungen weiter. An Polizeibeamte, Jura-Studenten, Behördenmitarbeiter und viele mehr. Das ist wichtig, weil es viele braucht im Kampf gegen Straftaten im Internet – und vor allem im Kampf gegen Kinderpornographie.
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Eva Dieterle, Moderatorin:
Ja, der Kampf gegen Kinderpornographie. Wir haben in unserer Recherche schon gemerkt, wie komplex und umfangreich dieses Thema ist, und deshalb ist jetzt Oberstaatsanwalt Benjamin Krause auch noch mal hier bei uns im Studio. Herr Krause, guten Abend. Schön, dass Sie hier sind.
Benjamin Krause, Oberstaatsanwalt ZIT: Guten Abend.
Dieterle: Wir haben im Beitrag keine Bilder gesehen, auch keine, die irgendwie unkenntlich gemacht worden sind. Schlicht und einfach deshalb, weil das Material nicht gezeigt werden darf. Ab wann geht’s denn los? Ab wann macht man sich schon strafbar?
Krause: Also die Strafbarkeit beginnt schon bei Nacktbildern von Kindern. Allerdings nur dann, wenn Kinder dort in sexuell aufreizender Weise dargestellt werden. Aber eben bei Nacktbildern. Und darüber hinaus ist es auch strafbar, wenn teilweise bekleidete Kinder in unnatürlich geschlechtsbetonten Körperstellungen posieren. Also nicht nur Nacktheit, sondern auch bekleidete Kinder. Und natürlich ist es strafbar, wenn solche Abbildungen sexuelle Handlungen an den Kindern selbst zeigen, insbesondere eben durch Erwachsene.
Dieterle: Und auch schon nur der Besitz auf einem iPhone. Egal wie man dran gekommen ist.
Krause: Es ist quasi alles verboten, was mit kinderpornographischen Inhalten zu tun hat. Der Besitz, die Herstellung, das Teilen, das Weitergeben an einen anderen, das Verbreiten an eine ganze Vielzahl – es gibt also ein absolutes Umgangsverbot für dieses Material. Mit einer Ausnahme natürlich, dass wir als Strafverfolgungsbehörden diese Fälle aufklären dürfen.
Dieterle: Was ist, wenn Sie strafrechtlich relevantes Material gefunden haben, identifiziert haben? Wie geht es dann weiter? Was tun Sie? Welche Möglichkeiten haben Sie?
Krause: Also zunächst mal versuchen wir natürlich sofort und ganz schnell den Tatverdächtigen zu identifizieren, der dieses Material weitergegeben hat, verbreitet hat oder besessen hat. Aber wir gucken auch in die Bilder rein. Wir wollen auch wissen: Was ist das für ein Missbrauch, der da abgebildet wird? Und kennen wir diesen Missbrauch schon? Weil wenn wir ihn nicht kennen, dann bestünde die Gefahr, dass es ein aktuell andauernder Missbrauch ist. Und da gehen wir sofort auch nach.
Wir stimmen uns international ab mit unseren Partnern in Europa und außerhalb. Und wenn keiner dieses Bild kennt und es einen gewissen Deutschlandbezug gibt, dann versuchen wir natürlich auch, die Täter des abgebildeten Missbrauchs zu identifizieren. Beispielsweise durch Öffentlichkeitsfahndung nach den Tätern, aber manchmal müssen wir auch den Umweg gehen und müssen erst die Opfer identifizieren, um über die Opfer an die Täter zu kommen. Und das machen wir beispielsweise so, dass wir Portraitfotos von Kindern nehmen und damit an Schulen bundesweit gehen und die Lehrkräfte fragen: Kennt ihr dieses Kind? Könnt ihr uns helfen? Und diese Schulfahndung, so nennen wir die, die ist zum Glück sehr, sehr erfolgreich und hat schon sehr viele Fälle aufklären können.
Dieterle: Jetzt ist es natürlich wichtig, die Einzelfälle auch nachzuverfolgen. Aber Ihnen geht es in Frankfurt ja auch um die großen Strukturen. Wir nehmen mal das Beispiel Elysium. Das war eine der weltweit größten Plattformen, auf der Hunderttausende User kinderpornographisches Material ausgetauscht haben. Diese Plattform haben Sie abgeschaltet und es gab auch Verurteilungen. Solche großen Aktionen, die gelingen in Frankfurt immer wieder, oder?
Krause: Ja, das stimmt. Das stimmt. Wir arbeiten seit über zehn Jahren gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden daran, diese Darknet-Plattform abschalten zu können und die Tatverdächtigen zu identifizieren. Das ist allerdings ein sehr, sehr schwieriges Geschäft, muss man sagen. Technische Ermittlungen sind oft erfolglos und das ist dann auch sehr frustrierend für die Ermittler. Aber es gibt nur eine Möglichkeit, wir müssen das international machen, wir müssen uns abstimmen mit allen Partnern. Und ehrlich gesagt, ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir jedem Ermittlungsansatz dann nachgehen.
Dieterle: Jetzt wird gerade ganz aktuell in der Politik wieder viel diskutiert darüber, ob man Daten nicht vielleicht doch länger speichern sollte bei schweren Delikten, um die Strafverfolgung einfacher zu machen. Was würde das Ihren Ermittlern denn bringen, wenn zum Beispiel IP-Adressen einen Monat länger zum Zugriff da wären?
Krause: Ja, das würde uns unglaublich helfen bei unseren Ermittlungen, weil wir derzeit von diesen IP-Adressen nur ungefähr 40 % aufklären können, 60 % also nicht. Und das hat dazu geführt, dass wir im Jahr 2022 über 20.000 Hinweise auf strafrechtlich relevante Handlungen in Deutschland nicht aufklären konnten. Wir mussten die quasi einstellen und zu den Akten legen und diese einmonatige Speicherfrist würde uns wahrscheinlich helfen, sehr wahrscheinlich helfen, dass wir 90 % dieser Fälle aufklären wollen. Und genau das wollen wir ja.
Dieterle: Es würde sich also für Sie sehr lohnen. Wir könnten natürlich noch sehr viel mehr Punkte ansprechen. Wir haben uns heute auf die Arbeit der ZIT konzentriert in Frankfurt. Zum Schluss aber die Frage, die wahrscheinlich wichtigste, die hinter allem steh: Wie können wir denn Kinder besser schützen vor solchen Übergriffen?
Krause: Wir sehen in unserer Arbeit, dass viele Kinder sich der Gefahren des Internets überhaupt nicht bewusst sind und mit Erwachsenen chatten, sexualisiert chatten, Nacktbilder von sich verbreiten. Wir nennen das “digitale Naivität”. Und ich selbst bin auch Vater von zwei Kindern. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir unsere Kinder darüber aufklären, dass es diese Gefahren gibt und dass wir gemeinsam als gesamte Gesellschaft daran arbeiten. Insbesondere aber auch – da nehme ich mich mit rein – im eigenen Elternhaus.
Dieterle: Aufklärungsarbeit, Präventionsarbeit und dann das, was Sie natürlich in Frankfurt an wichtiger Arbeit leisten. Herr Krause, vielen Dank, dass Sie heute zu diesem Thema bei uns im Interview waren.
Krause: Sehr gern. Danke Ihnen.
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Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet. Passend zu diesem Thema hat die hessische Polizei jetzt die „Aktion Schutzschild“ gestartet und ein hessenweites Beratungs-Telefon eingerichtet – unter der Nummer 0800 – 55 222 00. Es soll der Aufklärung rund um die Verbreitung von Kinder- und Jugend-Pornografie dienen.