Juristische Konsequenzen aus der Ahrtalflut

Fast drei Jahre ist es her, dass durch die Flut im Ahrtal 135 Menschen umgekommen sind und 9.000 Häuser zerstört wurden. Seitdem stellen sich viele Bewohner im Ahrtal die Frage: Wurden Fehler gemacht? Das versuchen Staatsanwälte in Koblenz seit mehreren Jahren zu klären. Diese sollen aber nun ausgewechselt werden, fordert der Anwalt einer betroffenen Familie, die in der Ahrtalflut ihre Tochter verloren hatte.

Es ist ein schwerer Weg, den Inka und Ralph Orth seit der Flutkatastrophe gehen. Ein Weg ohne ihre Tochter Johanna. Sie ist in der Flutnacht im Juli 2021 ertrunken. Ohne zu wissen, was auf sie zukommt legt sie sich in der Nacht in ihrer Erdgeschosswohnung schlafen. Dann kommen die Wassermassen.
Ralph Orth, Vater von Johanna
„Unsere Tochter hat uns angerufen, gegen halb eins, ganz panisch. War in der Wohnung, plötzlich stand Wasser drin bis zu den Knien und sie bekam die Wohnungstür nicht mehr auf und konnte sich nicht mehr retten. Das Telefonat brach dann kurz danach ab.“
Zwei Tage später wird die 22-Jährige tot aufgefunden. Die Feuerwehr warnt die Anwohner damals nur davor, in den Keller oder die Tiefgarage zu gehen. Das soll auch ein Video zeigen, das Johanna an dem Tag aufgenommen hat.
Die Frage ist, warum Menschen wie Johanna nicht gewarnt worden sind. Denn nach dem Beginn der Flut am oberen Teil der Ahr hat das Wasser noch mehrere Stunden bis zu Johanna Orth gebraucht. Bei einer entsprechenden Warnung wäre Johanna geflohen, sagen ihre Eltern.
Inka Orth, Mutter von Johanna
„Weil Johanna war da auch sehr diszipliniert. Wenn sie eine Mitteilung bekommen hat, dass man irgendetwas nicht macht, dann wäre sie der gefolgt. Es wäre ja auch gar kein Problem gewesen, denn wir wohnen halt am Hang. Sie hätte ihre beiden Katzen nehmen können und wäre halt zu uns nach Hause gefahren.“
Wegen diesem und weiterer Fälle ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den ehemaligen Landrat des Kreises Ahrweiler Jürgen Pföhler und einen ehrenamtlichen Brand- und Katastrophenschutzinspekteur wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung. Denn der ehemalige Landrat war offenbar nur für einen Fototermin in der Einsatzzentrale. Morgen will die Staatsanwaltschaft mitteilen, ob Anklage erhoben wird.
Dem kommt heute jedoch der Anwalt von Inka und Ralph Orth zuvor. Er erklärt, dass er beim rheinland-pfälzischen Justizministerium einen Befangenheitsantrag gegen die ermittelnden Staatsanwälte eingereicht hat. Diese würden nicht unabhängig handeln und die Hinterbliebenen vernachlässigen.
Christian Hecken, Anwalt von Familie Orth
„Wir haben keine hinreichenden Informationen bekommen, wir haben keine Reaktion bekommen auf den entsprechenden, ergänzenden Antrag auf Akteneinsicht. Wir haben keine Reaktion bekommen auf unseren Befangenheitsantrag gegen den von der Staatsanwaltschaft eingesetzten Gutachter. Und daraufhin waren wir gezwungen eine entsprechende Eingabe an den Justizminister zu machen und ihn darauf hinzuweisen. Hier wird eine Entscheidung verkündet, hier sollen vollendete Tatsachen geschafften werden und wir sind gar nicht zuvor informiert worden.“
Christian Hecken spricht heute von Vertuschung durch die Staatsanwaltschaft Koblenz. Deshalb geht er davon aus, dass Jürgen Pföhler nicht angeklagt wird. Das wäre ein Skandal.
Christian Hecken, Anwalt von Familie Orth
„Man könnte dann auch darüber spekulieren, ob es vielleicht bewusst so organisiert worden ist, dass die Akte vielleicht gegebenenfalls bewusst vorenthalten worden ist.“
Ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Justizministeriums erklärt, dass es das Schreiben als Dienstaufsichtsbeschwerde interpretiert. Dafür wäre es nicht zuständig. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls will morgen ihre Entscheidung zur Pföhler-Anklage verkünden.