Innenministerium veröffentlicht Polizeivideos

Diese Bilder hat ein Hubschrauber der Polizei am späten Abend des 14. Juli 2021 im Ahrtal aufgenommen. Sie zeigen ein Hochwasser, durch das später 134 Menschen sterben. Doch genau diese Aufnahmen sollen das rheinland-pfälzische Innenministerium während der Katastrophen-Nacht nicht erreicht haben. Sie blieben durch einen internen Dokumentationsfehler der Polizei mehr als 14 Monate lang unter Verschluss. Innenminister Roger Lewentz sagt, er habe die Videos zum ersten Mal vor zwei Wochen im Untersuchungsausschuss des Landtages gesehen. Inzwischen werden die Rufe nach seinem Rücktritt immer lauter.

Die Videoaufnahmen hat der Polizeihubschrauber am 14. Juli 2021 zwischen 22 Uhr 14 und 22 Uhr 43 im Ahrtal zwischen den Orten Mayschoß und Schuld gemacht. Sie zeigen, wie Wasser gegen die oberen Stockwerke von Häusern schwappt und in die Innenräume eindringt. Inmitten der Wassermassen: Menschen, die mit Taschenlampen auf sich aufmerksam machen. Ein Mensch – hier unkenntlich gemacht– steht auf seiner Garage und winkt Richtung Hubschrauber – doch der Helikopter kann das Unglück nur filmen und muss später abdrehen.
Die Aufnahmen erreichen den rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz in dieser Nacht nicht. Er erhält nur Fotos und mündliche Informationen der Polizei. Auf dieser Grundlage geht der Innenminister von einem Hochwasser aus, dass der Katastrophenschutz vor Ort bewältigen kann.
Doch wie kam es zu dieser Fehleinschätzung? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit Oktober 2021 ein Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtages. Dort hat Roger Lewentz bislang betont: Eine Flutkatastrophe sei nicht abzusehen gewesen – selbst wenn die Videos das Innenministerium erreicht hätten. Bei dieser Argumentation bleibt der Minister auch gestern nach der Vorstellung der Videos.
Roger Lewentz, SPD, Innenminister Rheinland-Pfalz
„Auf diesem Film sind keine eingestürzten Häuser, nicht die weggerissenen Brücken, nicht die zerstörte Bahnlinie, ein schwimmendes Auto und ein Tank zu sehen – also nicht das, was wir dann im Hellen an schrecklicher Verwüstung im Tal feststellen mussten.“
Das sieht die CDU-Opposition im rheinland-pfälzischen Landtag ganz anders. Wer bei den vorliegenden Informationen nicht eingreife, sei fehl am Platze.
Christian Baldauf, CDU, Fraktionsvorsitzender Landtag Rheinland-Pfalz
„Ich kann mich nicht hinstellen und sagen: ‚Ich sehe keine eingestürzten Häuser und ich sehe keine zerstörten Brücken, sehe aber ein Bild, wie Menschen um ihr Leben kämpfen‘ und sagen dann ‚Das interessiert mich nicht‘. Wenn er etwas richtig machen will, dann muss er jetzt zurücktreten.“
Auch die AfD fordert, dass der rheinland-pfälzische Innenminister zurücktritt.
Michael Frisch, AFD, Fraktionsvorsitzender Landtag Rheinland-Pfalz
„Lewentz selbst lagen nachweislich genügend Informationen vor, um zu wissen, dass hier die Welt untergeht. Hätte man auf der Grundlage dieser Erkenntnisse die dem Innenministerium vorbehaltene Warnung über die Medien ausgelöst, wären viele Todesopfer am Unterlauf der Ahr vermeidbar gewesen. Ein solcher Innenminister ist nicht länger tragbar.“
Die Freien Wähler halten sich hingegen noch zurück. Sie wollen erst weitere Zeugen vernehmen.
Joachim Streit, Freie Wähler, Fraktionsvorsitzender Landtag Rheinland-Pfalz
„Wir wollen die Polizisten aus dem Hubschrauber und auch die Polizeipräsidenten hören, die sich ja jetzt schützend vor ihren Innenminister stellen.“
Morgen wird sich der Rechtsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtages mit den Polizeivideos beschäftigen. Am Freitag sollen sie erneut Thema im Untersuchungsausschuss werden. Dann soll es nicht mehr um die Frage gehen, warum die Videos den Innenminister in der Flutnacht nicht erreicht haben, sondern auch, warum die Aufnahmen über ein Jahr lang von der Polizei nicht weitergegeben wurden.
Roger Lewentz ist bei weitem nicht die einzige Person, auf die der Druck immer weiter wächst.