Infektionskrankheiten belasten Hausärzte

Der Winter dauert also noch weiter an hier in Hessen und Rheinland-Pfalz. Das bedeutet wohl auch: Die Krankheitswelle geht weiter. Kaum waren die Fastnachtstage vorbei – Karneval vorüber – schon sind die Krankmeldungen in die Höhe geschossen. Die Wartezimmer sind voll mit Patienten, die an Atemwegserkrankungen leiden.

Infektionssprechstunde in der Hausarztpraxis von Stephan Briem in Mainz. An der Anmeldung stehen die Patienten schon kurz nach Praxisöffnung Schlange.
Dr. Stephan Briem, Hausarzt
„Die Atemwegsinfektionen spielen gerade eine ganz große Rolle bei uns in der Praxis. Wie auch in den vielen umliegenden Praxen. Ansonsten haben wir hier gut zu tun. Und viele Menschen suchen im Moment außerplanmäßig wegen Infekten unsere Praxis auf.“
Gerade nach den Fastnachtstagen sei die Zahl der Patienten mit Atemwegsinfektionen stark angestiegen, die sich jetzt auf einem hohen Niveau hält. Gleichzeitig sind vergangene Woche fast alle Corona-Schutzmaßnahmen ausgelaufen. Derzeit gilt nur noch: Maske auf für Besucher in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen wie Krankenhäusern und Altenheimen. Aber auch das entfällt an Ostern.
Für Stephan Briem ist der hohe Krankenstand deshalb nicht verwunderlich, denn die Maßnahmen zum Schutz vor Corona hätten auch vor anderen Atemwegsinfektionen geschützt. Gleichzeitig stellt er fest,
Dr. Stephan Briem, Hausarzt
„Dass viele Menschen die letzten Jahre weniger Infekte hatten und deswegen der Infekt stärker wahrgenommen wird. Vielleicht auch etwas häufiger mit Fieber oder mehr Beschwerden verläuft, sodass mein Eindruck ist, dass die Krankschreibung, die Dauer der Krankschreibung etwas zugenommen hat.“
Bis sich das Aufkommen in der Praxis von Stephan Briem allerdings wieder normalisiert, wird es vermutlich noch etwas dauern.
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Markus Appelmann, Moderator: Und an dieser Stelle holen wir jetzt den Frankfurter Virologen Dr. Martin Stürmer mit ins Gespräch. Herzlich willkommen!
Dr. Martin Stürmer, Virologe: Vielen Dank! Hallo.
Appelmann: Herr Stürmer, wir haben es eben gesehen. Nach den närrischen Tagen gab es so eine richtige Corona-Welle. Das wird für Sie keine Überraschung gewesen sein. Was vielleicht anders war zu anderen Wellen, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wurde. Heißt das, es war richtig, zur Normalität zurückzukehren?
Stürmer: Ja, sicherlich zeigen die Entwicklungen, dass nach Fasching die Zahlen auch noch mal ein bisschen angestiegen sind, aber nicht zu einer Überlastung geführt haben. Dass wir Covid zur jetzigen Situation fast als normal wie alle anderen Erkältungserkrankung auch behandeln können. Ich sage deswegen bewusst jetzt “zum jetzigen Zeitpunkt”, weil wir natürlich noch nicht wissen, wie es weitergeht. Aber wenn man sich insgesamt die Verläufe anguckt, haben wir, egal welche Varianten gerade zirkulieren, doch eine relativ entspannte Situation.
Appelmann: Wir haben es gerade eben auch im Beitrag gesehen, nicht nur eine Corona-Welle, sondern insgesamt eine Krankheitswelle. Liegt das daran, dass unser Immunsystem völlig am Boden ist?
Stürmer: Nein, gar nicht. Das, was wir jetzt im Prinzip sehen, ist das, was wir vor Covid auch immer wieder gesehen haben, dass immer rund um die Faschingszeit die Anzahl der Erkältungserkrankungen deutlich zugelegt haben. Das war eben kein Covid sondern die normale Virusgrippe und andere virale Erkrankungen.
Appelmann: Man vergisst so schnell.
Stürmer: So ist es, genau. Und das sehen wir jetzt halt einfach wieder. Mit dem Unterschied, dass SARS-CoV-2 jetzt mit dabei ist, und das Gefühl, warum es jetzt ein bisschen heftiger ist, ist sicherlich deswegen, dass wir zwei Jahre ja eigentlich gar nicht krank gewesen sind. Das Immunsystem hat nichts verlernt. Nur ist es so ein bisschen in einen – ich will nicht sagen Ruhemodus, aber ein bisschen zurückgefahren gewesen.
Appelmann: Für viele Menschen ist Corona vorbei, so wird es kommuniziert, und die haben die Maske schon weit weggelegt. Gibt es Ihrer Meinung nach noch Anlässe, wo man diese Masken noch gebrauchen kann?
Stürmer: Ja. Grundsätzlich sollte man sich ein paar Regeln aus der Pandemie mit ableiten für zu Hause. Da gehört, wer krank ist, bleibt grundsätzlich zu Hause. Wenn ich mich nach draußen begebe und bin krank, setze ich eine Maske auf, schütze ich zum Beispiel andere damit. Wenn ich merke, ich habe ganz leichte Symptome, möchte trotzdem raus, setze ich eine Maske auf. Wenn ich ein Risikopatient bin und bin dort, wo es eng wird, wo viele Menschen sind, setze ich zum Eigenschutz die Maske auf. Es wird sicherlich in vielen Konstellationen immer noch Möglichkeiten und sinnvolle Möglichkeiten geben, die Maske weiter auch zu gebrauchen.
Appelmann: Sie haben eben gesagt: “Wenn ich krank bin, bleibe ich zu Hause”. Viele fühlen sich in Sachen Corona so ein bisschen alleine gelassen, weil man weiß gar nicht, was man tun kann. Wenn ich mich jetzt fit fühle und Corona habe, kann ich mit Maske zur Arbeit gehen?
Stürmer: Es gibt ja keine gesetzlichen Einschränkungen mehr diesbezüglich. Die Isolationspflicht ist weggefallen. Also selbst wenn ich positiv bin, darf ich nach draußen. Natürlich gilt das für den Schutz der vulnerable Bevölkerung meiner Umgebung, dass ich mich da verantwortungsbewusst verhalte. Also sprich, wenn ich schon rausgehe und kann auch rausgehen, setze ich die Maske auf, um andere zu schützen. Aber natürlich darf ich das und ich darf auch arbeiten gehen. Da hängt es natürlich ein bisschen davon ab, wie der Arbeitgeber den Schutz für seine anderen Mitarbeiter umsetzt. Aber da sind natürlich die Juristen wichtiger als die Virologen, die das beurteilen müssen, was geht und was nicht geht.
Appelmann: Lassen Sie uns zum Schluss noch über das Thema Impfmüdigkeit sprechen. Ich glaube, das könnte auch daran liegen, dass die Menschen gar nicht genau wissen, wie oft man sich jetzt gegen Corona impfen lassen soll. Wie sieht es da aus? Welche Regeln gibt es da oder was sagen Sie?
Stürmer: Ja, das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Wir wissen ja, aktuell geht es uns gut. Wir haben, egal welche Variante kommt, wir haben keine Überlastung des Gesundheitssystems. Die schweren Verläufe sind eher seltener. Aber wer weiß, wie lange das noch geht. Also wir müssen sicherlich uns Gedanken machen, was passiert. Reicht das aus, wenn wir uns immer wieder ein bisschen infizieren? Oder müsste die Allgemeinbevölkerung sich einmal pro Jahr impfen? Muss es nur die Risiko-Population einmal pro Jahr machen oder vielleicht gar keiner? Genau wissen tut man es noch nicht. Da müssen wir auch sehr genau hingucken und das möglichst in der nächsten Zukunft definieren, damit sich jeder danach richten kann.
Appelmann: Also die Ständige Impfkommission sollte jetzt gerade zuhören.
Stürmer: Die sollten zuhören, bzw. natürlich muss aus der Forschung und aus der Beobachtung, aus den klinischen Daten müssen die Signale auch kommen, dass die Ständige Impfkommission das umsetzen kann. Also hier sind natürlich die Wissenschaftler gefragt zu überwachen, ab wann verschwindet möglicherweise der jetzt noch vorhandene gute Schutz, also die sogenannte Herdenimmunität, wann fängt sie an zu schwächeln und bei wem besonder.
Appelmann: Nach gefühlt 50 Schaltgesprächen waren Sie heute bei uns im Studio. Danke für den Besuch, Dr. Martin Stürmer.
Stürmer: Sehr gerne.