Im Interview: FDP-Generalsekretär Volker Wissing

Eine tragende Rolle bei den momentan laufenden Koalitionsverhandlungen nimmt FDP-Generalsekretär Volker Wissing ein. Er war Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz und hat dort 2016 die erste Ampelregierung mit auf den Weg gebracht.

Markus Appelmann, Moderator: Wir schalten jetzt an den Frankfurter Flughafen. Guten Tag, Herr Wissing.
Volker Wissing, FDP, Generalsekretär: Guten Tag, Herr Appelmann.
Appelmann: Herr Wissing, im Sondierungspapier ist oft die FDP-Handschrift zu erkennen. Die Steuern sollen, so hat sich die FDP gegen SPD und Grüne durchgesetzt, nicht steigen, die Schuldenbremse soll unangetastet bleiben. Das Thema Finanzen ist Ihr Steckenpferd, Herr Wissing. Woher soll denn das Geld für Investitionen zum Beispiel in Digitalisierung, in Klimaschutz kommen?
Wissing: Wichtig ist zunächst einmal, dass wir solide Staatsfinanzen brauchen, denn wir haben nach wie vor eine europäische Staatsverschuldungskrise und eine steigende Inflation. Deswegen verbieten sich Aufweichen der Schuldenbremse oder Steuererhöhungen. Die Investitionen sind ja nicht nur staatliche, sondern vor allen Dingen private Investitionen, die wir brauchen. Und wir müssen jetzt einen Weg finden, wie wir privates Kapital mobilisieren durch steuerliche Anreize wie Abschreibungen oder auch durch gezielte Förderprogramme.
Das muss natürlich in Einklang gebracht werden mit den Anforderungen an einen soliden Staatshaushalt. Wir stellen uns dieser schwierigen Aufgabe.
Appelmann: Herr Wissing, bleiben wir beim Geld. Ihre möglichen Koalitionspartner SPD und Grüne haben der FDP vorgeworfen, dass es wegen ihres Widerstands gegen Steuererhöhungen nicht zu einer Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen kommen könne. Sie haben daraufhin vor einem Rückfall in den Wahlkampfmodus gewarnt. Ist die Warnung denn angekommen?
Wissing: Ich glaube, es ist wichtig, dass wir jetzt einen gemeinsamen Weg suchen. Ich schaue nur konstruktiv nach vorn. Wir haben den Wahlkampf hinter uns, die Wählerinnen und Wähler haben einen Auftrag erteilt. Wir brauchen eine stabile Regierung und jetzt nicht das gegenseitige Vorlesen von Parteiprogrammen. Ich denke, in diesem Sinne werden wir die Gespräche gut weiterführen und dann auch Erfolg haben.
Appelmann: Aber das wird unsere Zuschauer interessieren, kurze Nachfrage dazu: Sehen Sie im Bundeshaushalt den Spielraum? Kann es Ihrer Meinung nach denn zu einer Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen kommen?
Wissing: Das wird man jetzt genau analysieren müssen. Wir müssen zunächst einmal uns darauf verständigen, welche Investitionsprogramme wollen wir vorrangig in Angriff nehmen. Sie haben schon Themen erwähnt: Klimaschutz und Digitalisierung sind große Aufgaben. Wir brauchen einen Modernisierungsschub und wir müssen dafür sorgen, dass wir auf Wachstumskurs kommen. Dann steigen die Steuereinnahmen, ohne dass man die Steuersätze für die Einzelnen erhöhen muss. Höhere Steuern bedeuten ja Investitionskiller für Wirtschaft und Privatsektor, aber dort müssen ja die größten Investitionen getätigt werden. Deshalb macht es jetzt keinen Sinn, den bequemen Weg der Steuererhöhungen zu gehen. Das ist nachhaltig nicht erfolgreich.
Appelmann: Olaf Scholz von der SPD möchte sich schon rund um den Nikolaustag zum Bundeskanzler wählen lassen. Wie sicher ist es, dass dann Christian Lindner Finanzminister sein wird?
Wissing: Wir müssen zunächst über Inhalte sprechen. Es geht nicht um einzelne Personen oder um Positionen, sondern es geht ja darum, dass wir das, was liegengeblieben ist, jetzt aufarbeiten, dass wir den Menschen die Fragen beantworten, die sie umtreiben. Ist die Rente sicher? Bleiben die Arbeitsplätze sicher? Werden wir mehr Bildungschancen schaffen können? Das sind die großen Aufgaben. Schaffen wir Klimaneutralität, schaffen wir, Digitalisierung jetzt in großen Schritten nach vorne zu bringen? Und ich empfehle allen jetzt sachorientiert weiterzuarbeiten, zunächst die Inhalte zu klären und dann am Ende stellen sich selbstverständlich auch Personalfragen. Aber nicht jetzt.
Appelmann: Wir bleiben dran, bis wir eine Antwort bekommen. Danke für Ihre Zeit, Volker Wissing, der FDP-Bundesgeneralsekretär auf Zwischenstopp am Frankfurter Flughafen.
Wissing: Ich danke Ihnen auch.