Im Interview: Fabian Kirsch, der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei

Fabian Kirsch ist als Staatssekretär der Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. Der Mann, der von seinem Schreibtisch aus so ziemlich alles im Blick hat, was die Regierung von Malu Dreyer so auf den Weg bringt. Ein Mann also aus dem Inner-Circle der Macht – der heute unser Studiogast ist. Wir haben ihn heute bei seiner Arbeit begleitet.

Antrittsbesuch des Chefs der Staatskanzlei beim wichtigen Branchenverband DEHOGA in Bad Kreuznach.
Gereon Haumann: „Einen Espresso.“
Dame: „Einen doppelten?“
Fabian Kirsch: „Nee, einen ganz normalen.“
Dame: „Mit Zucker?“
Fabian Kirsch: „Ohne.“
Zeit für einen Kaffee muss sein, auch für einen vielbeschäftigten Mann wie Fabian Kirsch. Bei dem Treffen mit Vertretern des Hotel- und Gaststättenverbandes geht es unter anderem um die Zukunftsperspektiven der Gastrobranche. Ein Termin von vielen an diesem Tag.
In seinem Büro in der Staatskanzlei wirkt der Chef des Hauses eher unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit – für die Menschen ist in Rheinland-Pfalz Malu Dreyer die Chefin. Alle Scheinwerfer sind generell auf sie gerichtet, alle Mikrofone werden ihr hingehalten.
Doch der Chef ihrer Staatskanzlei führt deswegen noch lange kein Schattendasein – im Gegenteil:
Sein Amt hat Gewicht – und davon nicht zu wenig: Er leitet mit der Staatskanzlei eine mächtige Behörde, die der Ministerpräsidentin in der Erfüllung ihrer Aufgaben dient. Er nimmt an den Kabinettssitzungen teil, koordiniert die Arbeit der Ministerien und checkt, ob die Beschlüsse der Regierung auch ausgeführt werden. Denn Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Ein wichtiger Mann also für die Regierungschefin, die nur lobende Worte findet.
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz
„Herr Kirsch ist ein Mensch, der sehr akribisch arbeitet. Er ist aber auch jemand, der sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt. Denn sie müssen mal bedenken, dass die Regierung sich ja gerade am Finden war und dann ist diese schreckliche Katastrophe im Ahrtal passiert und wir waren wirklich so was von extrem gefordert. Aber der Chef der Staatskanzlei hat trotzdem nicht die Nerven verloren und hat wirklich sein Bestes gegeben, so dass unsere Prozesse auch ganz gut koordiniert sind.“
Fabian Kirsch ist die rechte Hand der Ministerpräsidentin, er hält ihr den Rücken frei – und gerade diese Nähe zur politischen Chefin verleiht dem Chef der Staatskanzlei eine ganz einflussreiche Stellung im politischen Gefüge des Landes. Sie dürfte umso einflussreicher sein, je diskreter er diese Rolle ausübt, so vermuten wir mal.
Markus Appelmann, Moderator: Ja, das können wir jetzt genauer nachfragen. Er ist bei uns im Studio, der Chef der Staatskanzlei, Fabian Kirsch. Guten Abend.
Fabian Kirsch, SPD, Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz: Guten Abend, Herr Appelmann.
Appelmann: Herr Kirsch, verraten Sie uns mal, wie wird man das, was Sie sind? Ruft da irgendwann mal Malu Dreyer bei Ihnen an und sagt: „Wir haben Sie schon länger beobachtet, werden Sie doch Chef der Staatskanzlei.“
Kirsch: Es ist tatsächlich so gewesen. Ich habe irgendwann einen Anruf bekommen mit der Bitte, ob ich einen Termin mit der Ministerpräsidentin wahrnehmen könnte. Das habe ich gerne gemacht und in dem Termin bin ich gefragt worden. Es ist natürlich so, dass wir vorher auch schon Kontakt hatten über meine vorherige Tätigkeit und ich natürlich auch nicht ganz unbekannt war in der Staatskanzlei.
Appelmann: Und wie war die erste Reaktion? War das ein „Yippie“ oder eher so ein zurückhaltendes, demütiges?
Kirsch: Mir war schon von Anfang an bewusst, dass das eine eine schwierige und eine große Aufgabe ist. Und ich habe mir dann tatsächlich so, wie ich finde, dass sich das gehört, einen Tag Bedenkzeit ausgebeten, der mir natürlich auch gewährt wurde und habe eine Nacht drüber geschlafen und dann zugesagt.
Appelmann: Wie ist denn Ihr Rollenverständnis? Könnte man Sie mit dem Ersten Offizier auf der Brücke eines Schiffes vergleichen, der sozusagen der Kapitänin Malu Dreyer den Rücken freihält?
Kirsch: Wir sind natürlich ein bisschen weniger militärisch organisiert in der Staatskanzlei, aber im Grunde genommen ist meine Aufgabe schon, zu schauen, dass die Fäden zusammengehalten werden und natürlich auch immer zu schauen, dass die Schwerpunkte dieser Landesregierung und die Arbeit der Ministerpräsidentin funktionieren können. Das ist ja auch die Aufgabe der Staatskanzlei als Behörde.
Appelmann: Wie würden Sie da Ihre Möglichkeiten beschreiben? Ist das eher eine dienende Funktion oder können Sie auch gestalten? Können Sie auch Akzente setzen?
Kirsch: Wir haben ja einige unserer Regierungsschwerpunkte auch in der Staatskanzlei verortet. Gerade das Thema Nachhaltigkeit, aber auch wichtige Bereiche, wie zum Beispiel die Förderung des Ehrenamts. Und da ist sicherlich auch ein Gestaltungsspielraum für uns ganz speziell da. Und ansonsten ist meine Aufgabe natürlich, wie es ja auch im Bericht angeklungen ist, eine, die mehr im Hintergrund wirkt und auch mehr darauf gerichtet ist, die Beschlüsse dieser Regierung umzusetzen und zu schauen, dass das, was beschlossen wird und was angegangen wird, auch umgesetzt wird.
Appelmann: Auf einem Treffen des Bündnisses „Demokratie gewinnt“ haben Sie kürzlich davor gewarnt, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei. War sie denn früher selbstverständlicher? Und was hat sich geändert?
Kirsch: Ich glaube, man muss um den Fortbestand der Demokratie immer kämpfen. Das ist eine Daueraufgabe. Und sie gerät natürlich auch in der heutigen Zeit unter Druck. Uns allen ist bewusst, dass wir in der Corona-Pandemie den Menschen viel abverlangt haben. Wir haben viele Dinge getan, die im vergangenen Jahr und im Jahr davor noch nicht vorstellbar waren. Und insofern muss man immer schauen, dass den Menschen klar ist, dass das alles auf einer demokratischen Basis geschieht und dass es auch demokratische Kontrollinstanzen gibt. Und wir haben ja auch, gerade was die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl und aber auch jetzt bei der Bundestagswahl, gesehen, dass die Demokratie lebt, dass sie aktiv ist, dass die Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und so ist es auch immer wieder wichtig, für den Fortbestand demokratischer Strukturen zu kämpfen, sich da aktiv einzusetzen und gegen die Feinde der Demokratie auch ein deutliches Wort zu führen.
Appelmann: „Demokratie leben, aus Krisen lernen“ das ist das Motto des Demokratie-Tages, der Ende Oktober in Ingelheim stattfindet. Befürchten Sie nicht, dass momentan so viele Krisen auf die Menschen zeitgleich einwirken? Die Coronakrise Sie haben es genannt, aber auch die Klimakrise, dass diese auch zu einer Gefährdung für die Demokratie werden könnte?
Kirsch: Es ist jedenfalls Aufgabe demokratischer Institutionen, der des Parlaments, der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, aber auch der Landesregierung, dafür zu sorgen und immer wieder deutlich zu machen, dass wir uns diesen Herausforderungen stellen und dass wir versuchen, im Sinne der Menschen das Bestmögliche in diesen Situationen rauszuholen. Das war ein Corona so, die Klimakrise wird beizeiten wieder die Oberhand gewinnen, auch in der öffentlichen Darstellung – es ist ja in den vergangenen in den vergangenen anderthalb Jahren gefühlt ein wenig in den Hintergrund getreten. Aber wir sehen natürlich insbesondere bei jungen Menschen, dass das etwas ist, was denen ganz wichtig ist, weil es ihre Zukunft beeinflusst.
Appelmann: Lassen Sie uns gegen Ende des Gesprächs noch über die Sondierungsgespräche in Berlin auch reden. Denn die starten heute. Eine Ampelregierung – also SPD, Grüne und FDP sitzen da zusammen am Tisch. Und ihre Chefin, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, ist mittendrin. Spricht sie mit Ihnen auch darüber? Und ihre Einschätzung – wäre die Ampel aus Rheinland-Pfalz ein Modell für den Bund?
Kirsch: Was auf jeden Fall ein Modell für den Bund, aber sicherlich nicht nur für den Bund ist, ist, dass die Art des Umgangs, den wir in der Ampelkoalition miteinander pflegen, nämlich dass es ein Vertrauensverhältnis gibt, dass wir uns aufeinander verlassen können und dass wir jetzt schon in der zweiten Legislaturperiode miteinander regieren und dabei jeder Partner der Ampelkoalition natürlich auch seine Akzente setzt und sich in dieser Regierung so fühlt, dass man sie nach dem nach der letzten Wahl fortsetzen konnte und auch wollte.
Appelmann: Hoffen Sie, dass die Ampel Regierung im Bund die Arbeit aufnehmen kann?
Kirsch: Wir wissen auf jeden Fall, wie Ampel funktioniert und wir sind auch der festen Überzeugung, dass es für Rheinland-Pfalz eine gute Regierung ist. Insofern: Warum sollte sie es nicht für den Bund sein?
Appelmann: Sagt der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Fabian Kirsch. Danke für Ihren Besuch.
Kirsch: Vielen Dank!