Im Interview: Dr. Martin Stürmer

Die Schutzmaßnahmen sind nun auch ein Thema, das Markus Appelmann mit dem Frankfurter Virologen Dr. Martin Stürmer bespricht.

Markus Appelmann, Moderator: Guten Tag, Herr Stürmer.
Dr. Martin Stürmer, Virologe IMD Labor Frankfurt: Guten Tag, Herr Appelmann.
Appelmann: Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt seit Anfang März wieder, heute haben wir einen neuen Höchstwert erreicht, aber bei uns soll trotzdem gelockert werden. Was halten Sie davon?
Stürmer: Die Lockerung, die wir jetzt durchführen werden oder auch schon durchgeführt haben, kommt zum falschen Zeitpunkt. Ich bin grundsätzlich kein Gegner von Lockerungen, im Gegenteil, ich würde sie begrüßen, aber zu einem Zeitpunkt, wo das Infektionsgeschehen so massiv in Deutschland ist, ist es kontraproduktiv. Wir geben ja der BA 2-Variante von Omikron, die sehr, sehr infektiös ist, hier noch zusätzlichen Nährboden, sich effizient auszubreiten, und das sollten wir eigentlich vermeiden.
Appelmann: Andere Virologen halten es durchaus für vertretbar nun zu lockern – selbst mit der aktuellen BA2-Variante von Omikron. Ist nicht jetzt der richtige Zeitpunkt langsam mal wieder zur Normalität zurückzukehren?
Stürmer: Natürlich ist es wichtig, dass wir uns sukzessive Richtung Normalität bewegen. Die Frage ist, wann ist der optimale Zeitpunkt? Und ich weiß oder wir alle wissen, dass die Omikronvariante doch relativ moderat ist, was den klinischen Verlauf angeht. Das heißt, wir haben selten, sehr deutlich seltener klinische Einweisungen ins Krankenhaus. Wir haben deutlich seltener intensivpflichtige Patienten, aber meiner Meinung nach wissen wir noch viel zu wenig, auch über Long Covid bei Omikron.
Insofern kann ich jetzt noch nicht den Haken dran machen und die BA2-Variante oder Omikron insgesamt als das Endemievirus sehen, bei dem wir letztendlich alles entspannt laufen lassen können. Wir werden über kurz oder lang da hinkommen, aber ich bin mir noch nicht sicher, ob Omikron die Variante ist, die uns dazu in die Lage versetzt.
Appelmann: Letzte Frage: Was würden Sie der Politik konkret vorschlagen, damit wir einigermaßen sicher in den Herbst gehen können?
Stürmer: Also, ich hätte zum einen, das ist jetzt natürlich ein bisschen Vergangenheit, ich hätte der Politik geraten, das Infektionsschutzgesetz einfach um drei Monate zu verlängern, damit eben einfach die Maßnahmen bestehen bleiben können, um jetzt im Frühjahr auf diesen Infektionsausbruch besser reagieren zu können. Ob wir ihn in der Form hundertprozentig hätten vermeiden können, das lassen wir mal dahingestellt, aber wir hätten sicherlich den Verlauf deutlich milder gestalten können. Damit wäre auch der Übergang in den Sommer etwas entspannter geworden. Aber wir müssen jetzt im Sommer ganz, ganz klar nicht aufhören, wir dürfen nicht aufhören, zu testen.
Die Testverordnung endet aktuell am 30.03., muss unbedingt nachgebessert oder verlängert werden, damit wir eine Möglichkeit in die Hand bekommen, zu sehen, welche Varianten zirkulieren, wie ist das Infektionsgeschehen im Sommer, mit welchen Varianten passiert das Ganze, um gegebenenfalls auch mit einer geeigneten Strategie in den Herbst gehen zu können, mit entsprechend modifizierten, angepassten, optimierten Impfstoffen. Und das ist meine Bitte oder meine Forderung an die Politik, hier nicht die Hände in den Schoß zu legen, sondern aktiv dazu beizutragen, dass wir eben den nächsten Herbst oder den nächsten Winter eben etwas entspannter angehen können als dieses Jahr und das Jahr davor.
Appelmann: … sagt der Frankfurter Virologen Dr. Martin Stürmer, Danke.
Stürmer: Sehr gerne.